Punktlandung

Sicherheit bei Flugreisen

Seit dem letzten - glücklicherweise vereitelten - potentiellen Anschlagsversuch auf ein Passagierflugzeug, überschlagen sich Politiker und so genannte "Sicherheitsexperten" förmlich, wenn es darum geht, eine Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen bei Flugreisen zu fordern. Doch ist diese Hysterie tatsächlich angebracht? Kann es absolute Sicherheit überhaupt geben? Austrian Wings konnte eine Expertin, die aus verständlichen Gründen ihre Anonymität gewahrt wissen möchte, dazu bringen, zu diesem Thema eine Punktlandung zu schreiben. Aus rechtlichen Gründen müssen wir jedoch darauf hinweisen, dass ungeachtet dieser persönlichen Meinung über Sinn oder Unsinnigkeit der jeweils gültigen Sicherheitsbestimmungen, jeder Flugreisende verpflichtet ist, diese und die damit einhergehenden gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten und, dass deshalb swohl die Autorin als auch Austrian Wings keinerlei Haftung für Konsequenzen, die sich aus der Nichtbeachtung oder gezielten Missachtung ebendieser ergeben könnten, übernehmen.

Wir sind es ja langsam gewohnt bei Flugreisen – Shampoo, Handcreme, Zahnpasta schön in Plastiksackerln verpacken, bloß keine Nagelschere ins Handgepäck, und dann beim Einsteigen durch den Metalldetektor, Schlüssel, Geldtasche, Handy ablegen, Gürtel runter, gegebenenfalls Schuhe ausziehen - alles im Sinne der allgemeinen Sicherheit.

Notwendig? Nervig? Oder gar, wie manche meinen, ein unzulässiger Eingriff in die Privatsphäre?

In einem Punkt möchte ich alle die sich dieser Kontrolle unterziehen müssen – sei es als Flugpassagiere, Besucher von Gerichtsgebäuden oder Fußballstadien – beruhigen. Niemand von den Sicherheitsleuten will Ihnen an die Wäsche! Sie tun einfach nur ihren Job, bemühen sich um Freundlichkeit und Diskretion, und haben garantiert nicht die Absicht jemanden in eine peinliche Situation zu bringen. Wer am Tag mehrere dutzend Taschen durchsucht und ebensoviele Personen „abgreift“, erinnert sich nicht an alle gammligen Butterbrote, Kondompackungen und Damenbinden, genausowenig wie an Speckröllchen und durchgeschwitzte T-Shirts. Nach einer gewissen Zeit wird das zum Alltag, man denkt sich nichts mehr dabei.

Soviel zur Verteidigung der Sicherheitsleute – aber möglicherweise rede ich mir ja überflüssigerweise den Mund fusselig – seit dem letzten „knapp vereitelten Terroranschlag“ wird berichtet, dass eine Überzahl der Passagiere Verständnis für die nun noch mehr verschärften Kontrollen zeigt. Möglicherweise sind es dieselben Paxe die noch wenige Wochen zuvor über genau diese Kontrollen gemeckert haben.

Ein interessanter Sinneswandel, den ich in ähnlicher Form an Landesgericht beobachten konnte, kurz nachdem im Bezirksgericht Hollabrunn eine Rechtspraktikantin erschossen wurde. Da hörte man statt dem gewohnten „Was, den Gürtel auch runter? Nein, muss der Blödsinn denn sein?“ plötzlich Sätze wie, „Gott bin ich froh dass ihr da seid“ und ähnliches.

Der Spruch „memento mori“, gedenke, dass du sterblich bist sollte bekannt sein - aber anscheinend nicht bekannt genug. Viele Menschen erinnern sich wohl erst dann wieder an ihre Verletzlichkeit wenn einer von ihnen auf brutale Art und Weise aus dem Leben gerissen wurde. Dann ist diese Erinnerung dafür umso schmerzlicher, man fühlt sich hilflos, ruft nach mehr Sicherheit, mehr Kontrolle.

Anscheinend hat man aus der Geschichte nichts gelernt – denn die meisten Diktaturen entstanden in kleinen Schritten. Mit einer zunächst einigermaßen logisch scheinenden Begründung etabliert man kleine Einschränkungen. Aber auch kleine Einschränkungen summieren sich zu großen.

Ja, Freiheit ist eine Herausforderung. Freiheit bedeutet, Entscheidungen für sein Leben selbst treffen zu können - nicht nur zu können, sondern zu müssen. Freiheit bedeutet Verantwortung. Freiheit bedeutet, Risiken abschätzen und in Kauf nehmen. Freiheit kann anstrengend sein. Und da wählen viele bereitwillig den einfacheren Weg, wenn man ihnen einen bietet - den Weg eines geregelten, in allen Punkten vorgezeichneten Lebens, den Weg der Sicherheit verspricht, und geben lieber die Freiheit auf, die unsere Vorfahren über Jahrhunderte hart erkämpft haben für das vage Gefühl von Sicherheit, einer Sicherheit die so nie existieren wird.

Nein, es wird sie aller Bemühungen zum Trotz nicht geben, die absolute Sicherheit. Denn selbst das engmaschigste Netz hat Lücken. Man schickt die Leute durch den Metalldetektor – Plastiksprengstoff bleibt unentdeckt. Man führt Nacktscanner ein – gegen die Bombe im Körper ist man machtlos. Man kann, wenn man bereit ist die finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, auch den ganzen Flughafen mit bewaffnetem Sicherheitspersonal umstellen. Das wird höchstwahrscheinlich einige kleine Kinder erschrecken – einen kompromisslosen, fanatischen Terroristen sicherlich nicht. Wer das Ziel hat, zu töten, größtmögliches Unheil anzurichten, findet einen Weg. Und wenn er keine Lücke findet bliebe immer noch die Möglichkeit sich oder sein explosives Gepäckstück vor den Sicherheitsschleusen in die Luft sprengen.

Der Nacktscanner wird kommen, allen Protesten von Datenschützern und Medizinern zum trotz


Darstellung einer Person am als "Nacktscanner" bezeichneten Ganzkörperscanner; die Bundesrepublik Deutschland möchte zur Wahrung der Privatsphäre den Intimbereich "verpixeln"

Ist das die gewünschte Sicherheit? Ein toter Mensch ist ein toter Mensch, und jeder gewaltsam getötete ist einer zuviel. Der Sicherheitsbeamte ist sich vielleicht des Risikos, dem er sich aussetzt eher bewusst als ein zufällig mitreisender Passagier, aber auch er hat Freunde und Familie die über seinen Tod betroffen sein werden. Und dann zu erklären, "durch den Tapferen Einsatz des Sicherheitspersonals ist keiner der Passagiere ums Leben gekommen", ist nichts weiter als übelster Zynismus.

Solange wir nicht die Ursache des Terrors bekämpfen können oder wollen werden wir also wohl oder übel mit einem gewissen Ausmaß an Bedrohung leben müssen.

Aber, warum müssen es eigentlich unbedingt Flugzeuge sein?

Dass Terroranschläge auch auf Eisenbahnen gut funktionieren, hat die Geschichte gezeigt. Man denke an die Londoner U-Bahn, und den letzten Zug in Russland. Dennoch werden nicht alle Eisenbahnschaffner zu bodengebundenen Skymarshals ausgebildet, in seinen Koffer kann man von Unterwäsche bis hin zu Sprengstoff alles stecken was man will ohne dass es irgendjemanden interessiert.

Auch ein volles Einkaufszentrum würde sich als Anschlagsziel anbieten - und auch da sind die Sicherheitsvorkehrungen, abgesehen von ein paar Kaufhausdetektiven, deren Aufmerksamkeit ohnehin eher potentiellen Dieben gilt, als Terroristen, relativ unbedeutend. Und niemand kommt auf die Idee eine Sicherheitsschleuse in einer Bankfiliale zu installieren - obwohl Banküberfälle wahrlich kein seltenes Verbrechen sind.

Flugreisen haben den "Vorteil" dass sie nicht alltäglich sind und für viele Menschen ohnehin schon angstbehaftet. Ängste lassen sich leichter schüren, wenn ein allgemeines Gefühl der Unsicherheit gegeben ist. Die Angst - ob begründet oder nicht - ist essentiell, denn wer keine Angst hat, wird sich wohl kaum zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen verkaufen lassen.

Konrollen ja, aber bitte mit Maß und Ziel!

Ich denke nicht, dass es sinnvoll ist, alle Kontrollen abzuschaffen. Ein gewisses Ausmaß an Kontrolle muss (leider) sein, weniger wegen irgendwelcher Terroristen, sondern um ahnungslose Personen davon abzuhalten, sich selbst zu schaden. Feuerwerkskörper, hochentzündliche oder giftige Substanzen gehören aus verständlichen Gründen nicht ins Handgepäck. Allerdings gibt es kaum einen Gegenstand der noch nicht in irgendwelchen Gepäckstücken gefunden wurde, allerdings in den seltensten Fällen aus "böser" Absicht.

Doch alles muss mit Maß und Ziel geschehen. Ich denke da nicht nur an die umstrittenen Nacktscanner – die, nicht nur aus Gründen der Privatsphäre, sondern auch aus gesundheitlichen Gründen (Röntgenstrahlung!) abzulehnen sind, sondern auch die merkwürdige Flüssigkeits-Verbotsverordnung. Mineralwasser, Brotaufstriche etc. – sollte es nicht genügen aus der Flasche zu trunken um die Ungefährlichkeit deren Inhalts zu beweisen? Auch Shampoo und Zahnpasta ist normalerweise nicht unschwer zu identifizieren, egal in welchen Mengen man es mitführt. Und welchen Unterschied es machen sollte, ob man die genannten Substanzen nun irgendwo in seiner Reisetasche, oder getrennt in einem durchsichtigen, verschließbaren Plastiksack – so die Vorschrift –aufbewahrt, konnte mir noch keiner erklären.

Fazit: Übertriebene Kontrollen, die bis hin zum (elektronischen oder realen) Ausziehen der Passagiere führen sind zwar gut fürs Geschäft diverser Röntgengerätehersteller, für die allgemeine Sicherheit aber vermutlich genauso sinnvoll wie der oft scherzhaft gegebene Rat humorvoller Statistiker: "Wenn du Angst vor einer Bombe im Flugzeug hast, nimm am besten selbst eine Bombe mit. Die statistische Wahrscheinlichkeit für zwei Bomben an Bord ist verschwindend gering!"

Ich wünsche allen Lesern erholsames Nachdenken!

Folgende Artikel könnten Sie auch interessieren:

Israel: "Spürsinn statt Nacktscanner"

Vorerst keine Nacktscanner in Österreich

Deutschland will Nacktscanner 2010 einführen

Niederlande kündigten Einführung von Nacktscannern an

Einsatz von Nacktscannern umstritten

Verschärfte Sicherheitsmaßnahmen nach Anschlagsversuch - IFALPA warnt vor blindem Aktionismus

DER STANDARD: "Kein Patentrezept gegen Terror"

Anschlag auf Northwest A 330 verhindert

Lockerbie - Angehörige fordern neue Untersuchung

Text: "Concorde"
Titelbild: Sicherheitskontrolle auf einem Flughafen, Symbolbild - Foto: Austrian Wings Media Crew

Unter dem Pseudonym "Concorde" schreibt ein Autorin mit profunder Sachkenntnis, die selbst über mehrjährige Erfahrung in den Bereichen Sicherheitsdienst und Personenschutz verfügt.

Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.