Reportagen

Vor 45 Jahren startete die Boeing 737 zum Jungfernflug

Der Prototyp der Boeing 737 im Flug - Foto: Boeing
Der Prototyp der Boeing 737 im Flug - Foto: Boeing

Sie ist mit mehr als 9.300 verkauften Exemplaren (Stand 31. Dezember 2011 laut Boeing) das erfolgreichste Verkehrsflugzeug der Welt: die Boeing 737. Als sich der stämmige Zweistrahler am 9. April 1967, also vor exakt 45 Jahren, das erste Mal in die Lüfte erhob, war die Zukunft des Projekts allerdings mehr als ungewiss. Denn Boeing hatte die 737 vor allen Dingen aufgrund des Drucks des Erstkunden Lufthansa entwickelt, und die anderen Airlines standen zu Beginn nicht gerade Schlange für den neuen Typ, gab es doch mit der BAC 1-11 und der DC-9 bereits zwei erfolgreiche Kurzstreckenmuster auf dem Markt. Rückblickend hätte Boeing es aber wohl bereut, wäre die 737 nicht entwickelt worden ...

Offiziell startete der US-Branchenriese Boeing das 737-Programm am 19. Februar 1965, mit gerade einmal 19 Bestellungen des Erstkunden Lufthansa für die Version 737-100  im Auftragsbuch. Zur Beschleunigung der Entwicklungszeit übernahm der Hersteller viele der bereits bei der Boeing 707 und 727 verwendeten Systeme, auch der Rumpf (inklusive der Cockpitform) war - abgesehen von der Länge - identisch mit dem ihrer beiden Vorgänger.

Nach etwas mehr als zwei Jahren Entwicklungszeit hob der Prototyp der "Bobby", wie die Maschine auch liebevoll genannt wird, schließlich am 9. April 1967 ab. Von der ersten Version, der 28,65 Meter langen und von zwei Pratt & Whitney JT8D-1 bzw. JT8D-7 Turbinen angetriebenen, 737-100 wurden lediglich 30 Exemplare gebaut, von denen 22 an Lufthansa, 5 an Malaysia Airlines und 2 an die kolumbianische Avianca ausgeliefert wurden. Sie bot bis 99 Passagieren Platz, das Startgewicht lag bei 49.950 Kilogramm. Die letzte Maschine der Baureihe -100 (c/n3) wurde erst im Jahr 2005 außer Dienst gestellt und flog zuletzt bei der peruanischen Aero Continente.

Eine von 22 Boeing 737-100 der Lufthansa, aufgenommen im Jahr 1972 in Manchester - Foto: Wiki Commons
Eine von 22 Boeing 737-100 der Lufthansa, aufgenommen im Jahr 1972 in Manchester - Foto: Wiki Commons

Sechs Monate später, am 8. August 1967 hob die 737-200 zu ihrem Erstflug ab. Sie wurde das Standardmodell und in verschiedenen Untervarianten bis zum Jahr 1988 produziert. Als Antrieb diente auch hier das Pratt & Whitney JT8D. Zum Einsatz kamen die Untervarianten -7, - 9, -15 und 17 der Turbine. Der Rumpf wurde auf 30,53 Meter verlängert und bot so bis zu 130 Passagieren in einer Einklassenkonfiguration Platz. Das Startgewicht der Basisversion -200 wurde auf 58.100 Kilogramm erhöht.

Landeanflug im Cockpit einer Boeing 737-200 - Quelle: YouTube

Erstkunde für dieses Modell war United Airlines, doch auch die Lufthansa ersetzte ihre 737-100 bald durch das Modell -200, welches beim Kranich unter dem Namen "CityJet" bekannt war.

Boeing 737-200 des Erstkunden United Airlines mit ausgefahrener Schubumkehr - Foto: Eduard Marmet / Wiki Commons
Boeing 737-200 des Erstkunden United Airlines mit ausgefahrener Schubumkehr - Foto: Eduard Marmet / Wiki Commons
Air to Air Videoaufnahmen einer 737-200 - Quelle: YouTube

Sowohl die 737-100 als auch die 737-200 verfügten noch über ein analoges Zwei-Mann Cockpit, das zahlreiche Übereinstimmungen zu den Cockpits der Vorgängermodelle 707 und 727 aufwies.

Analoges Cockpit einer Boeing 737-200, bereits mit einem Flight Management Computer ausgerüstet - Foto: Wiki Commons
Analoges Cockpit einer Boeing 737-200, bereits mit einem Flight Management Computer ausgerüstet - Foto: Wiki Commons

Im Jahr 1984 stellte Boeing die 737-300 vor, deren Rumpf erneut gestreckt worden war (auf 33,4 Meter) und so bis zu 149 Passagieren Platz bot. Das maximale Startgewicht lag nun bei etwas mehr als 61.000 Kilogramm. Außerdem verfügte das Modell -300 anstatt der JT8D-Triebwerke über Turbinen des Typs CFM International CFM56.

Landeanflug im Cockpit einer 737-300 von TNT - Quelle: YouTube

Ins Cockpit hielten erste elektronische Anzeigen, ein digitaler künstlicher Horizont, ein Navigation Display, sowie eine Flight Management System Einzug. Auf Kundenwunsch waren jedoch der künstliche Horizont und die Navigationsinstrumente auch weiterhin in der analogen Ausführung lieferbar.

Analoges Cockpit der 737-300 mit ersten digitalen Ansätzen; die Cockpits der Versionen -400 und -500 sind weitgehend identisch - Foto: ZVG
Analoges Cockpit der 737-300 mit ersten digitalen Ansätzen; die Cockpits der Versionen -400 und -500 sind weitgehend identisch - Foto: ZVG

Ebenfalls von CFM56 Triebwerken antrieben wurden die Versionen -400 (maximal 168 Sitzplätze), die 1985 vorgestellt wurde und 1988 den Dienst aufnahm, sowie die Version -500, die mit 31 Metern Rumpflänge fast wieder so "kurz" war wie das Basismodell -200 und für 130 Fluggäste ausgelegt war.

Start einer Boeing 737-300 der Lufthansa - Quelle: YouTube

Die Cockpits der Versionen -300/400/500 waren weitgehend identisch.

Boeing 737-500 von Lufthansa in Wien - Foto: Austrian Wings Media Crew
Boeing 737-500 von Lufthansa in Wien - Foto: Austrian Wings Media Crew

Um der wachsenden Konkurrenz durch die Flugzeuge der A320-Familie zu begegnen, entwickelte Boeing die 737 stetig weiter und brachte zwischen 1997 und 2007 die Modelle -600/700/800 und 900/900ER auf den Markt.

Diese konnten mit Winglets ausgerüstet werden beziehungsweise waren dies zum Teil bereits serienmäßig. Winglets zur Reduktion des Treibstoffverbrauchs wurden auch für die älteren Modelle wie die -300 als Nachrüstsatz angeboten.

Die maximale Passagierkapazität der Version -600 liegt bei 132 Reisenden, die Baureihe -700 ist für bis zu 149 Reisende ausgelegt und die Version -800 für bis zu 189. Die Boeing 737-900 kann - obwohl deutlich länger als die -800 ebenfalls bis zu 189 Passagiere befördern, die leistungsgesteigerte -900ER dank zusätzlicher Notausstiege sogar bis zu 215, womit sie bereits ins Segment der Boeing 757 und des A321 vordringt.

Boeing 737-900 kurz nach dem Start - Foto: Wiki Commons
Boeing 737-900 kurz nach dem Start - Foto: Wiki Commons

Die 737 ab der Version -600 werden auch als "NextGeneration" bezeichnet und verfügen über ein vollständig digitales Cockpit.

Digitales "Glascockpit" der Boeing 737-600/700/800, hier aufgenommen in einer Maschine der Version -800 - Foto: Wiki Commons
Digitales "Glascockpit" der Boeing 737-600/700/800, hier aufgenommen in einer Maschine der Version -800 - Foto: Wiki Commons

Anders als der europäische Rivale Airbus verfügen aber auch diese Versionen über ein klassisches Steuerhorn und nicht über einen Sidestick.

Nahezu alle Versionen der 737 wurden auch für militärische Betreiber oder den VIP-Betrieb modifiziert und eingesetzt.

Am 30. August 2011 gab Boeing bekannt, seinen Bestseller unter der Bezeichnung 737 MAX noch einmal modernisieren und damit fit für die Zukunft machen zu wollen. Dies war eine Reaktion auf das von Airbus vorgestellte A320neo-Programm. Als Antrieb für die 737 MAX soll das LEAP-1B dienen. Mit Stand Februar 2012 lagen bereits mehr als 450 Bestellungen für die neue, mittlerweile als 737-7, 737-8 und 737-9 bezeichnete, Modellreihe vor.

Bis Januar 2012 wurden von mehr als 9.300 bestellten 737 (Stand 31. Dezember 2011 laut boeing.com) aller Versionen bereits über 7.000 ausgeliefert.

737 in Österreich

Die Geschichte der Boeing 737 ist auch unweigerlich mit jener der österreichischen Verkehrsluftfahrt verbunden. Ab den 1980er Jahren setzte die damals noch eigenständige Lauda Air die Modelle -200/300/400 ein, später folgten Flugzeuge der Versionen -600/700 und 800. Im Zuge der Übernahme der maroden Airline durch die AUA wurden diese Flugzeuge nach und nach - mit Ausnahme der OE-LNK, die nach wie vor in der Livery von Lauda Air fliegt, - auf Austrian Airlines Farben umbemalt.

Boeing 737-800 der AUA - Foto: Austrian Wings Media Crew

Im Januar 2012 berichtet Austrian Wings als erstes österreichisches Luftfahrtmedium darüber, dass die AUA die Ausmusterung der 737-Flotte beschlossen hatte. Am 6. April, rund drei Monate nach unserem Bericht, verließ bereits bereits die erste Maschine, die OE-LNM, mit neutralisierter Bemalung den Flughafen Wien und wurde zur Verschrottung nach England überstellt.

In neutralisierter "AUA-Bemalung" wurde die OE-LNM zur Verschrottung nach Großbritannien überstellt - Foto: Austrian Wings Media Crew
In neutralisierter "AUA-Bemalung" wurde die OE-LNM zur Verschrottung nach Großbritannien überstellt - Foto: Austrian Wings Media Crew

Bis Ende des Jahres sollen dann alle 737 die AUA-Flotte verlassen, womit dieses Kapitel im Buch der österreichischen Luftfahrtgeschichte wohl für immer geschlossen werden wird.

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Links:

Boeing

Bilder der Boeing 737 bei flugzeugbilder.de

Fotos der 737-100 bei Airliners.net

Fotos der 737-200 bei Airliners.net

Fotos der 737-300 bei Airliners.net

Fotos der 737-400 bei Airliners.net

Fotos der 737-500 bei Airliners.net

Fotos der 737-600 bei Airliners.net

Fotos der 737-700 bei Airliners.net

Fotos der 737-800 bei Airliners.net

Fotos der 737-900 bei Airliners.net

(red CJ, RP, CvD)