Reportagen

"We request priority!" Der Absturz von Avianca Flug 52 bei New York

Heute vor 25 Jahren verunglückte eine Boeing 707-321B der kolumbianischen Fluggesellschaft Avianca infolge Treibstoffmangels beim Anflug auf New York. Der Unfall war auf eine Verkettung unglücklicher Umstände zurückzuführen, die wir nachfolgend beleuchten.

Avianca Flug 52 führte von Bogota mit einer Zwischenlandung in Medellin in die US-Metropole New York. An diesem 25. Januar 1990 kam die Boeing 707-321B mit der Registrierung HK-2016 zum Einsatz. Der Jet war früher bei Pan Am im Einsatz und  23 Jahre alt.

Als der elegante Vierstrahler kurz nach 15 Uhr in Medellin zur letzten Etappe seiner Reise startete, befanden sich 41 Tonnen Treibstoff in den Tanks, mehr als genug um New York zu erreichen. Auch eine ausreichende Reserve war vorhanden, denn im Großraum New York herrschte schlechtes Wetter. In der Kabine hatten es sich die 149 Passagiere bequem gemacht, die von 6 Flugbegleitern betreut wurden. Im Cockpit saß eine insgesamt erfahrene Crew, bestehend aus dem 51-jährigen Kapitän Laureano Caviedes, dem 28-jährigen Ersten Offizier Mauricio Klotz und dem 44-jährigen Flugingenieur Matias Moyano. Insgesamt befanden sich somit 158 Menschen an Bord.

Der Kommandant verfügte über eine Gesamtflugerfahrung von 16.787 Flugstunden, davon rund 1.500 auf der 707. Mit nur 1.837 Stunden Gesamtflugerfahrung, davon 64 auf diesem Muster war der Erste Offizier zwar relativ unerfahren, allerdings verfügte der Flugingenieur über 10.134 Stunden Erfahrung, davon über 3.000 auf dem Vierstrahler.

Warteschleifen und nochmals Warteschleifen ...

Als die Maschine aus Süden kommend in den US-Luftraum einflog, wurde sie von der Flugsicherung angewiesen, im Raum Norfolk Warteschleifen zu fliegen. Die Restkraftstoffmenge von 8,5 Tonnen ließ dies problemlos zu. Nach rund 16 Minuten im Holding konnte die 707 ihren Flug in Richtung New York fortsetzen, allerdings teilte man der Besatzung auf Nachfrage mit, dass sie dort mit einer weiteren Verzögerung von rund 30 Minuten zu rechnen habe. Bei Atlantic City wurde Flug AV 052 erneut für 27 Minuten in eine Warteschleifen geschickt und 40 Meilen südlich des New Yorker Flughafens John-F.-Kennedy noch einmal für 29 Minuten. Insgesamt hatte die B707 damit bereits 1 Stunde und 17 Minuten in Holdings verbracht.

Piloten und Flugingenieur im Cockpit einer Boeing 707, Symbolbild - Foto: Danial Haghgoo - Iranian Spotters
Piloten und Flugingenieur im Cockpit einer Boeing 707, Symbolbild - Foto: Danial Haghgoo - Iranian Spotters

Der Sprit wird knapp

Um 20:44 Uhr Lokalzeit teilte der Erste Offizier der Flugsicherung schließlich mit, dass man um "Priorität" bei der Landung bitte, da der Treibstoff knapp werde und man schon jetzt nicht mehr in der Lage sei, den Ausweichflughafen Boston zu erreichen und daher in jedem Fall in New York JFK landen müsse, ungeachtet des Wetters. Allerdings verabsäumte es die Besatzung, eine Luftnotlage zu deklarieren, weshalb die Fluglotsen am Boden den Ernst der Situation nicht erkannten - auch eine dezidierte Nachfrage bei den Piloten darüber unterblieb bedauerlicherweise.

Schließlich erhielt Flug 52 um 20:47 Uhr die Freigabe zum ILS-Anflug auf Piste 22L, die Landeerlaubnis erfolgte um 21:15 Uhr. Im Cockpit machte sich Erleichterung breit, denn alle drei Männer wussten, dass der Sprit nur noch für wenige Minuten reichte.

Acht Minuten später geriet die Maschine dann jedoch unvermittelt in schwere Schwerwinde, die beinahe zum Absturz führten. Um dies zu verhindern, leiteten die Piloten ein Durchstartmanöver, im Fachjargon "Go around" genannt, ein, gaben vollen Schub und hoben die Nase der 707 durch einen kräftigen Zug am Steuerhorn an. Sie hatten keine andere Wahl.

Ab diesem Zeitpunkt allerdings war die Maschine verloren, denn der Crew im Cockpit war völlig klar, dass der verbliebene Sprit nicht einmal mehr mehr für einen neuen Anflugversuch reichen würde. Um 21:32 Uhr versagte zunächst Triebwerk Nummer 4 den Dienst, kurz darauf fielen auch die drei übrigen Turbinen aus. Aus der 707 war ein Segelflugzeug geworden.

Kurz darauf schlug der Jet rund 25 Kilometer vom Flughafen New York JFK entfernt in Cove Neck in hügeligem Gelände auf, wobei der Rumpf in mehrere Teile zerbrach und das Cockpit abgerissen wurde. 73 der 158 Menschen an Bord kamen dabei ums Leben, darunter auch die gesamte Cockpitcrew und 5 der 6 Flugbegleiter. Glück im Unglück: Weil sich kein Sprit mehr in den Tanks befand, kam es nicht zu einem Aufschlagsbrand, was die zum Teil eingeklemmten und schwer verletzten Überlebenden des Absturzes vor dem sicheren Tod bewahrte.

Die sofort alarmierten Einsatzkräfte bargen die Verletzten, versorgten sie und lieferten sie in die Krankenhäuser der Umgebung ein.

Suche nach der Unfallursache

Zwar war der Flugdatenschreiber unbrauchbar, doch anhand der Funkaufzeichnungen, des Cockpit Voice Recorders und des Umstandes, dass das Wrack nicht durch Feuer zerstört war, konnten die Ermittler den Unfallhergang rasch rekonstruieren.

Als Hauptursache des Unfalls sah das NTSB die mangelhafte Kommunikation der Besatzung sowie deren falsche Einschätzung hinsichtlich der Restkraftstoffmenge an.

Denn so habe der Erste Offizier, der aufgrund mangelnder Englischkenntnisse des Kapitäns den gesamten Funkverkehr abwickelte, die Fluglotsen zu keinem Zeitpunkt über die Brisanz des Treibstoffmangels informiert, sondern lediglich wiederholt "Priorität" erbeten. Ein Notfall - wie international üblich - wurde jedoch nicht erklärt, ja selbst dann nicht, als bereits zwei der vier Triebwerke ihren Dienst versagt hatten.

Mitverantwortlich für den Crash seien allerdings auch mangelhafte Regelungen der FAA zum Luftverkehrsfluss sowie der Mangel an einer verständlichen standardisierten Terminologie bei Treibstoffknappheit gewesen. Auch der Umstand, dass die Fluglotsen zu keinem Zeitpunkt aktiv über die Spritsituation nachgefragt hatten, wurden thematisiert.

Gedenkdienst

Heute finden anlässlich des 25. Jahrestages der Tragödie vor Ort Gedenkveranstaltungen statt. Ansprechpartner ist Nestor Zarate (zaratenestor - at - yahoo.com, (786) 355-0896), ein Überlebender des Unglücks.

(red CvD, HP / Titelbild: Die Unglücksmaschine, aufgenommen 1988 - Foto: Werner Fischdick Collection)