Reportagen

Fotobericht Aviation Academy Austria

Bislang mussten europäische Airlines, die Fokker 70/100 betreiben, ihre Piloten nach Paris oder Amsterdam für Type Ratings oder Checkflüge schicken. Seit vergangenem Jahr gibt es in Europa ein weiteres Trainingszentrum für (angehende) Fokker 70/100 Crews – die Austrian Aviation Academy in Neusiedl am See, rund 15 Minuten vom Flughafen Wien entfernt.

Das Cockpit des Simulators entspricht dem der echten Fokker 70/100

Die Vorbereitungsphase

Begonnen hat die Geschichte der Austrian Aviation Academy im Jahr 2002. Damals hatte der gerade 30jährige Ing. Thomas Herrele während seines BWL-Studiums die Idee, ein Trainingszentrum für Piloten zu gründen. Er führte eine Studie hinsichtlich der Umsetzbarkeit seines Vorhabens durch, die positiv ausfiel. Es galt, eine Marktlücke, das „richtige Flugzeug“ zu finden, wie er es ausdrückt.

Simulatoren für Boeing und Airbus gab es zahlreich in Europa. Die Luftfahrt befand sich 2002 nach den Anschlägen vom 11. September 2001 mitten in einer Krise. Herrele ging deshalb davon aus, dass vielen in der amerikanischen Wüste abgestellten Flugzeugen der Type Fokker 70/100 ein Comeback bevorstehen würde, da diese für die Airlines kostengünstig zu haben waren. Im Jahr 2003 stand für ihn deshalb fest, dass „die Fokker das richtige Muster“ sein würde.

Es folgten Gespräche mit ehemaligen Schulfreunden und Pilotenkollegen, um sie an Bord zu holen. Nachdem sämtliche Hürden genommen und die Finanzierung des Projektes geklärt waren, wurde am 16.04.2004 die Austrian Aviation Academy GmbH von Ing. Thomas Herrele, und seinen Mitgesellschaftern ins Leben gerufen.

Standortsuche

Österreich als Alternative zu den Simulatorstandorten Paris und Amsterdam ist geografisch ideal gelegen, auch im Hinblick auf mögliche zukünftige Kunden aus Osteuropa.

Der Flughafen Wien als Standort schied allerdings aus Kostengründen aus. In einem Industriegebiet bei Neusiedl am See wurde man schließlich fündig – der Spatenstich für das gemietete Gebäude erfolgte 2005, noch im gleichen Jahr wurde ein Fokker 70/100 Simulator bestellt. Der genaue Preis eines solchen Gerätes sei Verhandlungs- und Ausstattungssache, so der Geschäftsführer, Ing. Thomas Herrele, bewege sich jedoch in der Größenordnung von rund 10 Millionen Euro.

Das Dach des Trainingszentrums ist in seiner Form dem Profil einer Tragfläche nachempfunden; die Halle selbst bietet Platz für 2 Full Flight Simulatoren

Das 2300m² große Trainingszentrum verfügt neben der eigentlichen Simulatorhalle noch über Schulungs-, Briefings- und Aufenthaltsräume.

Der Simulator

Der Fokker 70/100 Simulator wurde von der Grazer Firma AXIS-Flightraining hergestellt, die auch für die Entwicklung der notwendigen Steuersoftware verantwortlich zeichnet.

Über eine "Zugbrücke" betreten Piloten und Instruktor den Simulator

Das Sichtsystem besteht aus fünf hochmodernen Projektoren, die ein wirklichkeitsgetreues Bild der Umgebung in das Sichtfeld der Piloten projizieren. Sechs hydraulische Stützen, so genannte "Jacks", sorgen für die Bewegungen der virtuellen Fokker. Angetrieben werden sie von einem Hydrauliksystem mit insgesamt 170 bar Druck und einer Leistung von 240 kW.

Das Herz des Bewegungssystems - Hydraulikanlage mit einer Leistung von von 240 KW

Die Datenbank umfasst etwa 1200 Flughäfen. Der Instruktor hat die Möglichkeit mehr als 300 Fehler zu simulieren, auf welche die Piloten entsprechend reagieren müssen.

Von seinem Arbeitsplatz aus kann der Instruktor mehrere hundert Fehlfunktionen einspeisen; im Bild ist gerade der Flughafen Wien aufgeschaltet

Der Simulator ist für ein „Zero Flight Time“ Training zugelassen, was bedeutet, dass Piloten ihr Type Rating ohne eine Flugstunde in einer echten Fokker 70/100 ausschließlich auf dem Simulator absolvieren können. Eine Zeit- und Kostenersparnis für die Airlines.

Das Zulassungsverfahren

Ende 2007 konnte mit dem Zulassungsverfahren für den Simulator begonnen werden. Ein solches dauert 6-8 Monate, unterliegt strengen – europaweit einheitlichen – Vorschriften und gliedert sich in objektive und subjektive Überprüfungen. Bei den objektiven Tests werden die Flugparameter mit denen der realen Maschine verglichen. Bei der subjektiven Testreihe fliegen Piloten den Simulator und bewerten, basierend auf ihrer Erfahrung im Linienbetrieb, ob das „Fluggefühl“ mit dem der echten Fokker übereinstimmt. Den Abschluss dieser Phase bildet ein etwa 3-4stündiger Testflug im Simulator.

Der Schulbetrieb

Am 29. 07. 2008 konnte die Austrian Aviation Academy mit ihrem frisch zugelassenen Simulator den Schulbetrieb aufnehmen. Schon vorab hat man sich bei dem jungen österreichischen Unternehmen erfolgreich um Kundenaquisation bemüht.

Der Hauptkunde ist die heimische Austrian Arrows (Tyrolean Airways), deren Piloten sowohl Type Ratings als auch die halbjährlichen Checks in Neusiedl am See absolvieren. Daneben hat man bereits Verträge mit weiteren namhaften Fluglinien abgeschlossen.

Beeindruckend realistisch - Anflug auf Salzburg im Fokker Simulator der Austrian Aviation Academy

Doch auch auf anderen Betätigungsfeldern ist man aktiv. So bietet die AAA mit einer Partnerflugschule in Wiener Neustadt eine „ab initio“ ATPL-Ausbildung an, in deren Rahmen rund 250 Flugstunden geflogen werden. Die Kosten hierfür belaufen sich auf rund 66.900,-- Euro, exklusive Type Rating. Der nächste Lehrgang startet im Frühjahr 2009, wobei die Schüler (jeweils 8-12 pro Kurs) in fixen Blöcken Theorie- und Praxisunterricht haben und während der restlichen Zeit online von ihren Fluglehrern betreut werden. Dies ermöglicht auch eine berufsbegleitende Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer.

Zuvor steht jedoch eine Selektion, bei der die prinzipielle Eignung für den Beruf „Pilot“ getestet wird. Hier werden Kandidaten unter anderem auf ihre Aufnahmefähigkeit, ihr dreidimensionales Vorstellungsvermögen und ihre Stressresistenz überprüft.

Eine weitere Zielgruppe, die man umwirbt, sind Personen, die bereits im Besitz einer Privatpilotenlizenz sind und diese bis zum ATPL erweitern möchten bzw. CPL/ATPL Inhaber, die ein Type Rating benötigen. Derzeit bietet man das Type Rating für die Fokker 70/100 an.

Der Instruktor sitzt rechts hinter den beiden Flugzeugführern, sein Sitz kann jedoch in die Mitte verschoben werden, damit er einen direkten Blick auf die Arbeit der Piloten hat

Für den Fall, dass der Hauptkunde einmal keine Fokker mehr betreiben sollte, ist man auch gerüstet. Schließlich würden die Maschinen ja nicht vom Markt verschwinden, sondern von anderen Airlines betrieben, ist man überzeugt. Der Bedarf an Fokker-Simulatorstunden bliebe also bestehen.

Die Instruktoren

Auf Ausbildungsqualität wird großer Wert gelegt, was sich besonders auch bei den Fluglehrern zeigt. Sämtliche Instruktoren sind aktive Berufspiloten mit entsprechender Erfahrung, zumeist auch auf anderen Mustern als der Fokker 70/100.

Herrele selbst beispielsweise begann mit 15 Jahren als Segelflieger, hatte mit 17 Jahren den PPL-A in der Tasche, durchlief die Pilotenausbildung bei Austrian Airlines und flog anschließend in Österreich und Deutschland A 330/340, MD 80, A 320 und Boeing 747-200.

Hinter diesen hohen Anforderungen an das eigene Ausbildungspersonal steht die Philosophie, den Schülern eine möglichst praxisorientierte hochwertige Aus- und Weiterbildung zu ermöglichen.

Für EUR 560 pro Stunde können auch Nichtflieger den Simulator unter fachkundiger Anleitung mieten

Und nicht nur diesen – interessierte Nichtflieger können für 560 Euro pro Stunde unter fachkundiger Anleitung ebenfalls virtuell in Neusiedl am See abheben.

Die Zukunft

Um positiv bilanzieren zu können, muss der Simulator etwa 2.000 Stunden pro Jahr ausgelastet sein. Im Betriebsjahr 2008, waren es seit August 1.350 Stunden, für 2009 rechnet man bereits mit einer etwa 2.700stündigen Auslastung des Fokker Simulators, bis Ende März waren es etwa 410.

War es früher in Europa so, dass die National Carrier ihren Nachwuchs selbst ausgebildet haben, hat sich diese Situation in den letzten Jahren verändert. Zwar gibt es nach wie vor Flugschulen, die von den Airlines selbst betrieben werden, doch nimmt die Zahl der Flugzeugführer, die ihre Ausbildung extern absolviert haben, stetig zu. Genau darin besteht nach Ansicht der Betreiber auch die große Erfolgschance der Austrian Aviation Academy.

Aufgrund der positiven Auftragslage und, um nicht von einem einzigen Flugzeugmuster abhängig zu sein, soll noch 2009 die Entscheidung für einen zweiten Simulator fallen, welcher ab 2011 das bestehende Trainingsgerät ergänzen soll.

Derart aufgestellt, scheint die Austrian Aviation Academy gut positioniert um erfolgreich in die Zukunft zu fliegen.

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Text & Fotos: P. R.