Punktlandung

"Niki Lauda-Airport": Nomen est omen - aber welches?

Die "Mozart" - Foto: Werner Fischdick

Der gescheiterte Ex-Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) ließ jüngst mit seinem gegenüber der Boulevardpresse vorgebrachten Vorschlag aufhorchen, den Flughafen Wien nach seinem früherem Chef, Niki Lauda, benennen zu wollen. Der Politiker hatte in jungen Jahren selbst als Techniker bei Lauda Air gearbeitet. Doch zumindest 223 Argumente sprechen wohl gegen die Benennung eines Airports nach dem heuer verstorbenen "Airliner Lauda".

Der dreifache Formel 1 Weltmeister Niki Lauda war zweifellos ein herausragender Rennfahrer; man kann durchaus ohne Übertreibung sagen, ein Jahrhundertsportler in seiner angestammten Disziplin. Dafür gebührt ihm zweifellos Respekt. Auch sein Versuch, Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre das Monopol der damals noch staatlichen und von Österreich massiv protegierten AUA zu brechen kann als Pioniertat angesehen werden – selbst wenn das Projekt "Lauda Air" allerdings gleich zweimal eine wirtschaftliche Bruchlandung hinlegte. Doch reichen sportlicher Erfolg und der zweifach gescheiterte Versuch, sich als Flugunternehmer zu etablieren, wirklich aus, um ein würdiger Namensgeber für Österreichs größten Flughafen zu sein? Der Autor dieser Zeilen ist beinahe versucht, tatsächlich "Ja" zu sagen. Wäre da nicht eine Tragödie, die 223 Menschen das Leben gekostet hat – der Absturz der Lauda Air Boeing "Mozart" am 26. Mai 1991.

Damals öffnete sich – wie bereits 2011 in einer ausführlichen Reportage berichtet – die Schubumkehr des linken Triebwerks der Boeing 767-300ER, OE-LAV, was zum Absturz der Maschine führte.

Niki Lauda, auch im Umgang mit Medien und der Öffentlichkeit ein Vollprofi, verstand es glänzend, (flug-)technisch nicht versierten Journalisten und der ihn für seine sportlichen Erfolge als Rennfahrer bewundernden Öffentlichkeit weiszumachen, seine Fluggesellschaft sei völlig unschuldig am Absturz – und er, Niki Lauda selbst, habe überhaupt erst zur Aufklärung der Tragödie beigetragen. Doch das ist, selbst bei wohlwollender Betrachtung, bestenfalls die halbe Wahrheit. Die tatsächlichen Umstände des Unglücks gestalten sich weitaus komplexer und werfen ein überaus fragwürdiges Licht auf die damaligen Wartungsabläufe bei Lauda Air.

Denn bereits vor dem Absturz hatte ein führender Wartungstechniker der Lauda Air seinen Job hingeschmissen und im Rahmen der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wien nach dem Crash angegeben, dass er aufgrund des Wartungszustandes der Lauda Air Flugzeuge nicht mehr ruhig schlafen konnte. Er habe seinen Freunden und seiner Familie sogar Flugverbot erteilt, aus Sorge, es könnte etwas passieren. Auf die Frage des Staatsanwaltes, warum er denn nicht die zuständigen Behörden von diesen horrenden Zuständen unterrichtet habe, antwortete der Mann, dass die zuständigen Stellen ohnedies ganz genau über die Vorgänge bei Lauda Air im Klaren gewesen seien.

"Jeder wusste über die Zustände bei Lauda Air Bescheid, auch die zuständigen Stellen, nur es war ja noch nichts passiert und so war der allgemeine Tenor, dass man der jungen Airline eine Chance geben müsse - noch dazu unter dem Aushängeschild Niki Lauda."
Ein früherer ranghoher Lauda Air Techniker gegenüber der Staatsanwaltschaft

Und dann war da noch das von der Staatsanwaltschaft Wien selbst beauftragte Gutachten des Experten DDipl. Ing. Dr. Ernst Zeibig, in dem dieser zahlreiche mangelhafte Wartungsmaßnahmen der Lauda Air Techniker ebenso dokumentierte, wie den Umstand, dass es bei der Unglücksmaschine zwischen 27. April 1991 und dem 26. Mai 1991 nicht weniger als 61 Fehlermeldungen betreffend die Schubumkehr des linken Triebwerks gegeben hatte und das Problem niemals nachhaltig behoben worden war. Zeibig konstatierte betreffend die Arbeiten der Lauda Air Techniker an der "Mozart" unter anderem wörtlich "einen Verstoß gegen Wartungsvorschriften und Dokumentationsvorschriften".

In dem Austrian Wings seit vielen Jahren vorliegenden Gutachten schreibt der renommierte Experte, dass die "Mozart" am Unglückstag deshalb überhaupt nicht mehr flugtauglich war und folglich nicht hätte starten dürfen. Zudem beklagte der Fachmann, bei seiner Arbeit am Gutachten behindert worden zu sein.

Professor Zeibig beklagt in seinem Gutachten unter anderem, dass ihm wichtige Dokumente "trotz wiederholter Urgenz nicht zur Verfügung gestellt wurden" - Foto: Austrian Wings, keinerlei Verwendung ohne ausdrückliche Genehmigung durch die Austrian Wings Redaktion

Und last, but not least, "verschwanden" nach dem Absturz unter bis heute nicht geklärten Umständen 25 Seiten aus dem technischen Logbuch der Unglücksmaschine, auf das ausschließlich Mitarbeiter der Lauda Air Zugriff hatten.

Ein weiterer Auszug aus dem Gutachten von Professor Zeibig, in dem dieser von "unverantwortlichen" Vorgängen bei der Wartung durch Lauda Air schreibt. Dem Experten zufolge war die Unglücksmaschine nämlich aufgrund nicht behobener Probleme mit der Schubumkehr des linken Triebwerks nicht mehr in einem "flugklaren Zustand" - Foto: Austrian Wings, keinerlei Verwendung ohne ausdrückliche Genehmigung durch die Austrian Wings Redaktion

Zwar ist es korrekt, dass Boeing nach dem Unglück den Schubumkehrmechanismus an allen Boeing 767 umkonstruieren musste, doch dies entlastete Lauda Air keinesfalls von den dokumentierten Wartungsmängeln an der "Mozart". Vielmehr hatte Boeing bei der Zulassung der 767 einen schwerwiegenden Fehler begangen. Damals hatte man berechnet, dass eine im Flug durch einen Fehler aktivierte Schubumkehr durch die Piloten beherrschbar sei. Tatsächlich war sie das allerdings nicht. Und somit blieb auch die juristisch-finanzielle Verantwortung an Boeing hängen und kaum jemand in der Öffentlichkeit interessierte sich noch dafür, weshalb es auf Flug NG 004 zur Aktivierung der Schubumkehr kommen konnte. Das verkaufte die Fluggesellschaft als vermeintlichen "Beweis" dafür, dass sie selbst Opfer war und keinerlei Verantwortung für das Unglück zu tragen habe – obwohl das angesichts des brisanten Gutachtens des Experten Zeibig natürlich keinesfalls zutreffend ist.

"Das Management der Lauda Air hat sich nach dem Absturz einen Dreck um uns gekümmert. Ich bin überzeugt, dass mein Sohn noch leben könnte, wenn Lauda Air bei der Wartung korrekt gearbeitet und die Aufsichtsbehörde gründlicher kontrolliert hätte."
Iris Jacobs (†) verlor ihren Sohn Oliver (24) an Bord der "Mozart"

223 gute Gründe gegen einen "Niki Lauda Airport"
Nein, vor diesem mehr als aufklärungsbedürftigen Hintergrund kann und darf definitiv kein österreichischer Flughafen nach Niki Lauda benannt werden. Ein solcher Schritt wäre ein Schlag ins Gesicht aller Hinterbliebenen der 223 Insassen der "Mozart", welche augenscheinlich auch deshalb sterben mussten, weil bei Lauda Air in der Wartung geschlampt wurde und womöglich die Sicherheit wirtschaftlichen Interessen untergeordnet wurde.

Denn schon der deutsche Buchautor, Flugsicherheitsexperte, Gutachter und Dokumentarfilmer Tim van Beveren (ihm liegt übrigens das gesamte Gutachten von Professor Zeibig schon seit über 20 Jahren vor) schrieb in den 1990er Jahren in einem seiner Bücher unter Berufung auf einen Techniker der Lauda Air: "Überall mischt der Niki sich ein. Meist war das Ergebnis: Im Zweifel fliegt eine Maschine, weil Stehzeiten, Flugausfälle oder Ersatzflüge einer kleinen Fluggesellschaft besonders wehtun."

Verantwortungsbewusstsein sieht wohl anders aus.

Der Name "Niki Lauda" kann mit Fug und Recht in Erinnerung seiner Leistung etwa eine Formel 1 Rennstrecke zieren. Denn Ehre, wem Ehre gebührt – aber bitte auch dort, wo sie gebührt.

Text: E. Szeles

Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.