Reportagen

Der "Fast Food" Flieger von Schwechat

Autofahrer, die vom Flughafen Wien kommend in die Ortschaft Schwechat fahren, oder durch Schwechat Richtung Flughafen unterwegs sind, kannten den "Fast Food Flieger", wie jene zweimotorige Propellermaschine, die seit dem Jahr 1999 neben dem Schwechater McDonalds aufgestellt war, auch liebevoll genannt wird. Das seltsam anmutende Flugzeug trägt ein etwas ältere Bemalung der Austrian Airlines, und die meisten Menschen nehmen an, es würde sich um eine alte, ausgemusterte Maschine der AUA handeln - doch mitnichten! Austrian Wings beleuchtet die bewegte Geschichte dieser "Vickers Viking", die bis vor kurzem für Kindergeburtstagsfeiern gemietet werden konnte.

Schon von weitem war die Vickers Viking deutlich zu erkennen - Foto: P. Radosta / Austrian Wings (für eine größere Darstellung klicken Sie bitte auf das Bild)

Die Vickers VC 1 „Viking“ war eine Weiterentwicklung des zweimotorigen Wellington Bombers aus dem Zweiten Weltkrieg und flog am 22. Januar 1945 zum ersten Mal, und bereits am 24. April 1946 wurde das Lufttüchtigkeitszeugnis erteilt. Die Viking bot Platz für 20 bis 21 Passagiere und hatte eine Reisegeschwindigkeit von etwa 340 Stundenkilometern.

Von der ersten Version, der Viking IA, wurden nur 19 Exemplare produziert, davon gingen elf an die British European Airways, darunter auch das Flugzeug mit dem Kennzeichen G-AGRW, von dessen Geschichte dieser Artikel erzählt.

Bereits kurz nach der Auslieferung, nämlich 1947 verkaufte BAE das Flugzeug an die ebenfalls britische Airwork Services Limited, die 1928 von Sir Nigel Norman and Alan Muntz gegründet wurde und bis zu fünf Vickers Viking einsetzte, ehe sie 1960 den Flugbetrieb einstellte. Im Jahr 1951 wechselte die G-AGRW abermals den Besitzer und flog fortan für eine Fluglinie namens Hunting Air Travel Limited, ein Luftfahrtunternehmen, das von Bovingdon aus Charter- und Liniendienste anbot.

Acht Jahre später übernahm Autair als letzter Betreiber das Flugzeug und setzte es sowohl im Fracht- als auch im Passagierverkehr ein.

Deutlich ist die große Frachtluke, die das Be- und Entladen erleichterte, zu erkennen; dieses Bild wurde in Amsterdam Schiphol aufgenommen - Foto:  J. van der Wees / VC10.net

Die G-AGRW im Anflug auf den mittlerweile geschlossenen Flughafen Berlin Tempelhof - Foto: Ralf Manteufel (für eine größere Darstellung klicken Sie bitte auf das Bild)

In seinen letzten Jahren flog es häufig frische Blumen zwischen Berlin Tempelhof und Amsterdam Schiphol.

Die G-AGRW (im Hintergrund) und eine ihrer Schwestermaschinen, die G-AGHB in Berlin Tempelhof, aufgenommen an einem Wintertag 1966 - Foto: Ralf Manteufel (für eine größere Darstellung klicken Sie bitte auf das Bild)


Der Zusatz Freighter nach dem Autair Schriftzug weist auf die Verwendung der Maschine als Frachtflugzeug gegen Ende ihrer Karriere, hier aufgenommen am 28. Oktober 1967 auf der Piste 27L in Berlin Tempelhof,  hin - Foto: Peter Seemann (für eine größere Darstellung klicken Sie bitte auf das Bild)

Rund dreieinhalb Monate nach dieser Aufnahme in Berlin Tempelhof trat die Maschine ihre letzte Flugreise ins niederländische Soesterberg an - Foto: Peter Seemann (für eine größere Darstellung klicken Sie bitte auf das Bild)

Nach 22 Jahren Flugeinsatzeinsatz – mittlerweile flogen modernere und wirtschaftlichere Turbopropflugzeuge und auch die ersten Jets wie die Boeing 727 und 737 – führte die letzte in ihrem angestammten Element zurückgelegte Reise der G-AGRW am 15. Februar 1968 ins niederländische Soesterberg, wo sie gemeinsam mit zwei Schwestermaschinen (G-AGRU und G-AHPB) unter der Leitung von John H. Bouvy (sein Stiefvater war der niederländische Luftfahrtpionier F. A. van Heyst) als „Avio Resto“ über 10 Jahre lang diente.

Die G-AGRW als Avio Resto im niederländischen Soesterberg, aufgenommen am 27. April 1976; der Fotograf erinnert sich noch sehr gut an jenen Tag: "Es war verdammt kalt!" - Foto: Mick Bajcar (für eine größere Darstellung klicken Sie bitte auf das Bild)


Gemeinsam mit zwei weiteren Vickers Viking wurde die G-AGRW als Restaurant genutzt - Foto: VC10.net / Cockpit Magazine

Nach dem Tod des Besitzers wurden die drei Maschinen Ende 1979 / Anfang 1980 an das Cosford Aerospace Museum verkauft, jedoch gelangte schlussendlich lediglich eine der drei Vikings auch tatsächlich nach England.

Eine weitere kam über Deutschland in die Schweiz, wo sie schließlich verschrottet wurde, die G-AGRW hingegen wurde nach einem kurzen Aufenthalt in Deutschland nach Österreich verbracht, wo sie lange Jahre auf dem Besucherdeck des Wiener Flughafens und anschließend, nach der Schließung der Zuschauerterrasse, auf dem Dach des neu errichteten Postgebäudes. ausgestellt war, und sich der Zustand der Zelle zunehmend verschlechterte. Auch ein Teil des Seitenleitwerks fehlte bereits.

Bis 1999 stand die G-AGRW am Flughafen Wien, zunächst am Besucherdeck, danach auf dem Dach des Postgebäudes - Foto: Erik Frikke (für eine größere Darstellung klicken Sie bitte auf das Bild)


Die "Bristol Hercules" Sternmotoren mit ihren 14 Zylindern werden die Viking bedauerlicherweise nie mehr abheben lassen können - Foto: P. Radosta / Austrian Wings (für eine größere Darstellung klicken Sie bitte auf das Bild)

Im Jahr 1999 wurde das Flugzeug, das sich im Besitz des Flughafens Wien befand,  schließlich an den Betreiber der McDonalds Filiale in Schwechat, einem Ort, etwa 10 Minuten vom Flughafen entfernt gelegen, verpachtet. Das  heruntergekommene Flugzeug wurde mit Hilfe mit Hilfe zahlreicher Sponsoren soweit restaurierte, dass es für die „Kindergeburtstagspartys“ von McDonalds genutzt werden konnte. Die Maschine ist in den Farben des Hauptsponsors Austrian Airlines bemalt.

Unter den Tragflächen der ehemaligen G-AGRW parkten nun Autos - Foto: P. Radosta / Austrian Wings (für eine größere Darstellung klicken Sie bitte auf das Bild)

Das fehlende Seitenleitwerk wurde in mühevoller Kleinarbeit von Mitarbeitern der AUA Technik wieder montiert - Foto: P. Radosta / Austrian Wings

Hier wurden Geburtstagspartys gefeiert ...

... und strahlten (flugbegeisterte) Kinderaugen

Luftfahrtenthusiasten und Oldtimerfreunden blutet beim Anblick des ehemaligen Cockpits allerdings das Herz - Fotos: P. Radosta / Austrian Wings

Für Kindern ein aufregender, spannender Ort zum Feiern ihres Geburtstages; Luftfahrtenthusiasten und Oldtimerfreunden blutet beim Anblick des ehemaligen Cockpits allerdings das Herz - Fotos: P. Radosta / Austrian Wings

Wenngleich die Viking innen kaum noch an ein Flugzeug erinnert und in dieser Bemalung auch niemals Passagiere befördert hat, so ist es für Freunde der Luftfahrt dennoch jedes Mal eine Freude, ein historisches Flugzeug aus der Nähe bestaunen und mitunter sogar betreten zu können, das vor der Verschrotttung bewahrt wurde, und sei es auch – wie in diesem Fall – durch eine unorthodoxe Nutzung.

Über eine Treppe gelangte man in das Innere des Flugzeuges - 10 Jahre Wind und Wetter haben jedoch auch an der restaurierten Maschine deutlich ihre Spuren hinterlassen - Foto: P. Radosta / Austrian Wings (für eine größere Darstellung klicken Sie bitte auf das Bild)

Flugfähig wird die Vickers Viking IA, G-AGRW wohl niemals wieder werden, dafür brachte sie zahlreiche Kinderaugen zum Strahlen.

Von ihrer allerletzten Parkposition wird sich die G-AGRW wohl niemals mehr fortbewegen, das dachten wohl die meisten, doch es kam anders - Foto: P. Radosta / Austrian Wings (für eine größere Darstellung klicken Sie bitte auf das Bild)

Zu einem allerletzten "Flug" setzte die historische Maschine dann am 19. Juni 2011 an - ein Kran hob die Viking von ihrer vorerst letzten Parkposition und brachte sie zurück auf den Boden. Vor dem Hintergrund des ausgelaufenen Pachtvertrages, wurde das Flugzeug nämlich vom Flughafen Wien dem Austrian Aviation Museum geschenkt. Die ehrenamtlichen Profis dieser Einrichtung demontieren das Flugzeug nun und überstellten es zum Flugplatz Bad Vöslau. Dort wird die Viking standesgemäß ihre letzte Parkposition finden.

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Text: P. R.