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Piloten trainieren Ärzte

Im Cockpit wird nach Checklisten und vorgegebenen Prozeduren gearbeitet - das soll auch in der Medizin für noch höhere Standards sorgen, Symbolbild - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew

In der Airlinebranche ist das Human Factors Training längst selbstverständlich. Jetzt hilft Lufthansa Aviation Training auch in Krankenhäusern, die menschlichen Fehler zu reduzieren, wie die AUA-Konzernmutter in einer Aussendung mitteilte.

Jeder dritte Todesfall in einer Klinik ist auf menschliche Fehler zurückzuführen. Zu diesem erschreckenden Ergebnis kommt eine US-amerikanische Studie. Nur Herz- und Atemwegserkrankungen sind häufiger für das Patientensterben verantwortlich. Die Berufsgenossenschaftlichen (BG) Unfallkliniken haben das Problem erkannt und starteten jetzt gemeinsam mit Lufthansa Aviation Training (LAT) eine Zusammenarbeit. 1000 medizinische Mitarbeiter sollen in den nächsten drei Jahren soziale Kompetenzen von Piloten lernen. In zweitägigen Kursen werden Ärzte und Pfleger mit Beispielvideos, Rollenspielen und in Diskussionen üben, wie sie durch schlechte Kommunikation verursachte Fehler vermeiden können.

Aber warum übernehmen gerade Piloten das Training für die Mediziner? Beide Berufsgruppen arbeiten in Hierarchien und müssen in hochkomplexen Situationen Entscheidungen treffen. „Der Unterschied ist“, sagt LAT Projektleiter Martin Egerth, „dass der Pilot auf den einen Tag vorbereitet wird, der hoffentlich nicht eintreten wird und der Mediziner diesen Tag täglich erlebt.“ Und trotzdem ist die Airline Branche hier weiter: "In der Luftfahrt haben wir bereits in den 90iger Jahren erkannt, dass wir auch soziale Fähigkeiten benötigen und, dass diese einen gleich hohen Stellenwert haben wie technische und prozedurale Fähigkeiten", weiß Martin Egerth. So habe es mehrere Fälle gegeben, in denen zwischenmenschliche Fehler zu Katastrophen geführt hätten. Zum Beispiel 1989, als im kanadischen Dryden ein Flugzeug mit vereisten Tragflächen startete und kurz darauf abstürzte. 24 Menschen starben damals. Eine Flugbegleiterin hatte das Eis vor dem Start bemerkt, es den Piloten aber nicht gemeldet.

Ähnliche Beispiele gäbe es auch in der Medizin, sagt Reinhard Hoffmann, Ärztlicher Direktor der Frankfurter Unfallklinik und Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie. Die Gesellschaft hat zusammen mit LAT die Schulungen entwickelt. Hoffmann sagt, er habe in seiner Zeit als Assistenzarzt eines renommierten Mediziners einmal bemerkt, wie dieser die falsche Beckenseite eines Patienten operierte. „Ich traute mich aber nicht, etwas dagegen zu sagen.“ So wie die Flugbegleiterin 1989 in Kanada.

Aber es geht nicht nur um Todesfälle in der Medizin: 25 Prozent der Patienten in Krankenhäusern sind in vermeidbare Zwischenfälle involviert. Die zivile Luftfahrt war 2016 dagegen so sicher wie nie zuvor. Zeitdruck, mangelnde Kommunikation oder falsches Hierarchiedenken gelten als Ursachen für menschliche Fehler. Während in der Luftfahrt interpersonelle Trainings gesetzlich vorgeschrieben sind, steht die Medizin hier noch am Anfang einer Entwicklung zu mehr Patientensicherheit. Und ganz nebenbei erschließt sich LAT eine neue Kundengruppe. Die BG Kliniken investieren in das Projekt einen sechsstelligen Betrag.

(red / LH)