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Flugverkehr: Piloten warnen vor Gefahren einer weiteren Liberalisierung

Ein kleine Gruppe Länder drängt hastig und ohne die dadurch entstehenden Konsequenzen zu beachten auf eine vollständige Liberalisierung des globalen Luftverkehrs. Der Vorschlag liegt zurzeit auf dem Tisch der zuständigen Kommission der ICAO und besitzt das Potential die Errungenschaften im Bereich der Flugsicherheit, Wirtschaftlichkeit und der Arbeitnehmerrechte zu beschädigen, ist die Pilotengewerkschaft "Vereinigung Cockpit" besorgt.

„Dies ist wie TTIP für den Luftverkehr, aber auf einem globalen Level – vollständige, sofortige, weltweite Liberalisierung, durch die sich über Nacht die Luftverkehrsindustrie verändert”, sagt Dirk Polloczek, Präsident der European Cockpit Association (ECA). „Das man zu diesen tiefgreifenden Änderungen keine Diskussion hört liegt nicht daran, dass ein Konsens herrsche, sondern daran, dass aktiv versucht wird, diese Diskussion aus der Öffentlichkeit herauszuhalten. Wir halten die Art und Weise wie diese Vereinbarung entstanden ist sowie deren Inhalt für skandalös”.

Der der ICAO vorliegende Vorschlag hat laut Angaben der Pilotenvertreter zwei Ziele. Die vollständige Liberalisierung des Zugangs zum internationalen Luftverkehrsmarkt und die Aufweichung der aktuellen Regularien zum Mehrheitsbesitz und der Unternehmenskontrolle (Ownership & Control, O&C). Weiterhin zielt der Vorschlag darauf ab, die „Last“ von Gesetzen und Regeln sowie staatlicher Mitsprache zu beenden. Themen wie Arbeitnehmerrechte, Umwelt und fairer Wettbewerb, die von nicht minderer Relevanz sind, werden gar nicht erst angesprochen.

Das Fehlen diese Punkte zeigt nach Meinung der Vereinigung Cockpit deutlich, wie die ursprünglichen Vorgaben, die dem jetzt vorliegenden Vorschlag eigentlich zu Grunde liegen, nämlich „die Sicherstellung der Berücksichtigung des höchstmöglichen Levels der Flugsicherheit und das Prinzip eines fairen und gleichberechtigten Wettbewerbs unter allen Staaten und deren Stakeholder“ weiterhin vollständig ignoriert werden. Diese Themen können nicht einfach abgetrennt werden um sie zu einem späteren Zeitpunkt zu bearbeiten.

Schon die unbeabsichtigten Konsequenzen der bereits stattgefundenen Liberalisierung sind schwer zu beherrschen, ist man besorgt. Nun sollen bestehende O&C-Regeln zugunsten einer Regelung basierend auf dem „Ort der Hauptgeschäftstätigkeit“ (principle place of business) weichen, obwohl das Beispiel „Norwegian“ in der jüngsten Vergangenheit bereits die Schwächen eines solchen Systems aufgezeigt hat. Damit wird Unternehmen die Möglichkeit geschaffen weltweit „Briefkastenfirmen“ zu eröffnen um nicht nur der Sozialgesetzgebung, sondern auch bei uns geltenden Sicherheitsbestimmungen zu entgehen.

„Wir haben erst kürzlich von zwei Airline-CEOs gehört, dass ILO-Konventionen und fundamentale Rechte sie nicht im geringsten Interessieren. Dies bedeutet, dass zur Umsetzung von Arbeitnehmerrechten und dem Schutz der Umwelt auf den guten Willen kein Verlass sein wird“, so Jon Horne, Vizepräsident der ECA. „Ein gerechtes und ausgeglichenes multilaterale Luftverkehrsabkommen sollte folgende Mindestvorgaben erfüllen: Eine durchsetzbare Sozialklausel, Vorgaben für fairen Wettbewerb, Bestimmungen zu und eine klare Definition des „principle place of business“ und zu O&C sowie Maßnahmen zu Umweltschutz und Nachhaltigkeit.“

Sollte der vorliegende Entwurf in seiner jetzigen Form unterzeichnet und ratifiziert werden, würden durch ihn hunderte bereits bestehende und gut durchdachte bilaterale Abkommen abgelöst werden und Regelungen zur Flugsicherheit den Staaten überlassen werden, die aufgrund einer vagen und undefinierten Beschreibung eines „principle place of business“ von einer Fluggesellschaft dazu ausgewählt wurden. Eine derartige radikale Abkehr von bisherigen Prinzipien sollte gut überlegt sein und nicht übers Knie gebrochen werden, warnen die Pilotenvertreter.

(red / VC / Titelbild: Piloten bei der Arbeit im Cockpit, Symbolbild - Foto: Austrian Wings Media Crew)