Reportagen

Fotoreportage: Liebevolle Restaurierung der alten Caravelle in Schweden

Die Caravelle "SE-DAI" soll einen funktionsfähigen Rollzustand erhalten, im Hintergrund die zweite in Stockholm abgestellte Caravelle mit dem Kennzeichen "SE-DAF"

"Sie war so elegant wie es nur eine Französin sein kann", schrieb der 1994 verstorbene Flugkapitän, Journalist und 70-fache Buchautor Rudolf Braunburg einmal über die Caravelle des französischen Herstellers Sud Aviation, nach mehreren Fusionen heute Teil der Airbus-Gruppe. Weltweit fliegt heutzutage kein Exemplar mehr dieses Zweistrahlers, der den Kurzstreckenflugverkehr in einer gewissen Art und Weise revolutionierte. Und trotzdem können Interessierte in diese längst vergangene Zeit eintauchen.

Denn in der Nähe von München betreibt Nils Alegren einen perfekten Flugsimulator dieses eleganten Flugzeugs. Unsere Autorin Dr. Ingrid Muhr besuchte für Austrian Wings ein noch vorhandenes "echtes" Exemplar auf dem Flughafen Arlanda in Schweden und konnte vieles über die Geschichte dieses eleganten Flugzeugs erfahren. Der Flughafen Stockholm Arlanda ist wohl der einzige europäische Airport, auf dem heute noch zwei Caravellen zu bestaunen sind ...

Der Verein "Le Caravelle Club" organisierte ein dichtes Tagesprogramm an einem schönen Sommertag in Schweden. Persönlich wurde ich vom Präsidenten Roland Karlsson und dem Vorstandsmitglied Ulf Nyström einen ganzen Tag lang in Arlanda begleitet.

Roland Karlsson - Doktor der Astrophysik - flog unter anderem mit der Fokker F-28 bei der schwedischen Fluggesellschaft Linjeflyg (übersetzt Linienflug), und diente als Kapitän bei SAS auf Boeing 737 und  Airbus A321. Er besitzt umfangreiche Kenntnisse von der Technik alter Flugzeuge, nicht zuletzt aufgrund seiner fliegerischen Erfahrungen mit der nicht minder legendären Douglas DC-3.

Ulf Nyström wiederum begann seine berufliche Laufbahn als Flugzeugtechniker ebenso bei Linjeflyg. Er hat seine Karriere bei SAS fortgesetzt, wo er auch einige Jahre als technischer Manager tätig war, und war bei der Organisation der Fluggesellschaften Air Baltic und Air Botnia (Blue 1) beteiligt. In den letzten Jahren war Ulf Nyström für die Einführung neuer Flugzeuge wie der Boeing 737 und des Airbus A330 in der SAS-Flotte verantwortlich.

Flygsamlingar Arlanda

Am Vormittag besuchten wir das Flugsimulator-Museum in Arlanda (FLYGSAMLINGAR ARLANDA - die Homepage ist ausschließlich in Schwedisch verfügbar). Die Führung (ca. 120 Minuten) stand unter der Leitung des Sekretärs Jan Forsgren - ein wahrer Kenner der Geschichte der Luftfahrt und Autor mehrerer Bücher.

Das Führungsteam (v.l.n.r.): Jan Forsgren, Ulf Nyström, Roland Karlsson

In dem Museum gibt es interessante Teile von der Caravelle: Präsentation der Uniform der Flugbegleiterinnen und ein Mock-Up eines Cockpits der SE-DAF "Finn Viking", der für das Training der Piloten von SAS in der Flugschule am Flughafen Bromma (in der Nähe von Stockholm) verwendet wurde.  Die echte "Finn Viking" war der erste Jet bei SAS und erreichte von der Auslieferung im Jahr 1959 bis zur Ausflottung im Jahr 1974 insgesamt 31.822 Flugstunden.

Mock-Up Caravelle "Finn Viking"
"Panoramablick"
"Uhrenladen"
Historische Informationen

Nur während der Mittagspause in einer nahe gelegenen Kantine gab es einen kurzen Regenschauer. Wir hatten eine interesssante Diskussion über Schweden und Österreich. Am Ende der Mittagspause verabschiedete sich Jan Forsgren.

Danach fuhren wir zur technischen Basis von SAS. Diese konnten wir nur mit Ausweiskontrolle und den üblichen Sicherheitschecks wie als Flugpassagiere betreten. Der Caravelle-Club besitzt dort ein kleines Büro. Dieser Raum ist voll mit Schätzen wie etwa der kompletten technischen Dokumentation der Sud Aviation Caravelle. Auch in den Gängen gibt interessante Fotos zur skandinavischen Fluggesellschaft SAS.

Technische Dokumentation
Historische Fotos

Von dort gingen wir 15 - 20 Minuten bis zur Parkposition K. Im Hangar der SAS gab es leider keine Möglichkeit zum Fotografieren - so bleibt mir nur der Blick zum neuen Airbus A320neo und zum Airbus A330 der SAS für immer in Erinnerung - es war sehr beeindruckend, so nahe bei diesen beiden Fliegern sein zu können.

Der Weg führte in etwa parallel zur Runway 08/26 durch einen Straßentunnel unter einem Taxiway vorbei an den Gebäuden des schwedischen Militärs (auch hier musste ich die Foto-Kamera verstecken) zum Parkplatz K, wo jetzt die alte Caravelle mit der Registierung "SE-DAI" steht. Dort stehen auch noch andere ausrangierte Flugzeuge sowie eine zweite Caravelle mit der Kennung "SE-DAF", die innen jedoch komplett leer ist.

Die "SE-DAF" (Taufname "Sven Viking") wurde am 17. Februar 1962 an SAS ausgeliefert und flog über zwölf Jahre unfallfrei auf den Europa-Strecken des Unternehmens. Das Flugzeug flog das letzte Mal am 23. September 1974 und wurde dann im Dezember 1974 an Arlanda Air Transport Collections übergeben; seitdem steht es auf der Kilo Rampe in Erwartung einer Restaurierung, die jedoch vorerst nicht geplant ist.

Die Caravelle "SE-DAF" ist innen komplett leer


Die Stromversorgung für die Maschine des Le Caravelle Club wurde aktiviert, die Zählerstände werden genau dokumentiert, wenngleich der Vermieter der Stellfläche (Flughafengesellschaft Airport Arlanda) dem Caravelle Club bislang finanzielle Forderungen noch nie geltend machte.

Die Stromversorgung wird für die Besichtigung der Caravelle "SE-DAI" beim Zählerkasten aktiviert
Das Leitwerk trägt noch die finnische Flagge auf der rechten Seite, nachdem die Maschine für eine Filmproduktion Finnair-Farben erhalten hatte.

SAS's letzter Flug mit Caravelle Typ SE-210 war am 25. September 1974 mit dem Flugzeug OY-KRC "Fast Viking" auf der Route Stockholm - Kopenhagen. Insgesamt hatten die Caravellen für SAS 13,5 Millionen Passagiere mit etwa 480.000 Flügen über 15 Jahre befördert.

Das Typenschild befindet sich in der Nähe des Ausstiegs im Heck

Im Jahr 1971 kaufte die schwedische Luftwaffe zwei Caravelle von SAS mit den Registrierungsnummern 85.210 ("SE-DAI") und 85.172 (die Registrierungsnummer setzt sich aus der Typenbezeichnung "TP 85" und der Seriennummer MSN zusammen). Diese beiden flogen bei Air Force Service bis zum 30. September 1998. Die "85.172" wurde im Air Force Museum in Malmslätt aufbewahrt, jedoch hat die "85.210" ihre zivile Anmeldung "SE-DAI" wiedergewonnen, welche bei „Le Caravelle Club“ am Flughafen hinterlegt ist. Das usprüngliche Ziel war es, das Flugzeug in flugfähigem Zustand zu erhalten.

An der Oberseite der Röhre befinden sich noch Antennen vom Militär
Die elegante Radarnase wurde bereits wieder original hergestellt (war während der Militärverwendung für Signalaufklärungsflüge unschön gestreckt)
Fahrwerk
Tragfläche Unterseite
Rechte vordere Türe

Beschreibung des Lebens der Caravelle "SE-DAI", später Schwedische Luftwaffe Tp 85, registriert als 852:

01.02.1966    Erstflug

10.02.1966    Auslieferung an SAS als "SE-DAI" Alrik Viking

11.02.1966    Ankunft in Bromma

1966 - 1970    Bemalt in SAS-Drachendekorationen irgendwann zwischen 1966 und 1970

30.11.1970    Verkauf an die schwedische Luftwaffe (Datum der Entscheidung)
 
September 1971    Ausflottung aus dem SAS-Linienverkehr
 
20.09.1971    Übertragen an FMV Defense Material Works

27.09.1971    Geliefert an FMV als "21" bei F8 Barkarby. (TT 12607, TL 12711)

1971        Umstellung auf Tp 85 Standard

Februar 1974    Eingetragen als "82" von F13M Malmslätt

Mai 1980    Eingetragen als "852" von F13M Malmslätt

1994        Übertragung auf F16M Malmslätt
 
30.10.1994    (TT 20573, TL 16683)

19.1.1998    "Suspendiert" in Malmslätt (TT 22367, TL 17345)
 
28.01.1999    Geliefert an Le Caravelle Club, Malmslätt - Arlanda (TT 22367: 58, TL 17346)

17.06.1999     Die ursprüngliche Kennung "SE-DAI" wurde auf der linken Seite angebebracht, die militärische Markierung gestrichen außer "852" auf der Seitenflosse

Weihnachten 1999 bis heute    Motorläufe, Systemtests und laufende Wartung
 
24.10.2001     "SE-DAI" wird das erste Flugzeug sein, das auf der neuen Start- und Landebahn von Arlanda (01R/19L) rollen wird.
 
21.02.2003    Das Flugzeug wurde in einer Werbefotografie für das Stockholm Water Festival verwendet.
 
21.05.2005    "852" auf der Seitenflosse wird durch das Logo des Vereins ersetzt, die Titel auf der rechten Seite wurden vor dem 50. Jahrestag der Caravelle modifiziert.

27.05.2005     Das Flugzeug wurde zu einem Gate außerhalb von SkyCity in Arlanda gebracht, und insbesondere nahmen eingeladene Gäste an der Feier des Erstfluges des Prototyps vor 50 Jahren teil.

Die SAS-Kennung "SE-DAI"
Die Bezeichnung aus der Zeit beim Militär auf der linken Seite des Leitwerks

Das Cockpit ist wahrlich mit Instrumenten "überladen".

Klassisch-analoges Cockpitlayout der 1950er und 1960er Jahre

Die Kabine bietet viel Komfort in allen Reihen. Von der großen Beinfreiheit kann man heute bei den Kurz-/Mittelstrecken-Jets wohl nur mehr träumen. Die großen Fenster bieten eine extrem gute Aussicht

Notausgang

Zum Abschluss der Besichtigung wurden die Lichter für verschiedene Funktionen in der Kabine und im Cockpit demonstriert.



Wir verließen das Flugzeug über die im Heck integrierte Treppe. Der Treppenausgang wird von außen mit einer Kurbel geschlossen.

Die Vision ist, das Flugzeug und sein Inneres so weit wie möglich auf den Stand zu bringen, den es bei der Auslieferung an SAS im Jahr 1966 hatte.  Das Luftfahrzeug und die Systeme müssen wiederhergestellt und funktionsfähig sein, die Triebwerke müssen starten können und das Luftfahrzeug muss rollen können. Der Innenraum, die Sitze, Galeeren usw. sind so weit wie möglich in der SAS-Konfiguration zum Zeitpunkt der Auslieferung wiederherzustellen. Das Äußere soll der damaligen SAS-Lackierung entsprechen.

Das Luftfahrzeug muss während und nach der Restaurierungszeit für die Öffentlichkeit zugänglich sein, da es einen einzigartigen Flugzeugtyp in der Geschichte der Fluggesellschaft darstellt. Der Zeitrahmen für den Restaurierungsprozess ist schwer zu bestimmen, da die Arbeiten von Enthusiasten ohne finanzielle Entschädigung ausgeführt werden; das Projektziel wird für 2019 angetrebt. Vom ursprünglichen Ziel, die Maschine wieder in einen flugfähigen Zustand zu versetzen, musste aufgrund des hohen finanziellen Aufwandes mittlerweile allerdings Abstand genommen werden, da Airbus, der letzte Musterbetreuer, zwischenzeitlich das Lufttüchtigkeitszeugnis für diesen Typ zurückgezogen hat. Somit könnte die Caravelle nur noch mit einer Einzelzulassung wieder abheben. Eine solche ist allerdings für ein strahlgetriebenes Verkehrsflugzeug ausgesprochen schwierig zu erhalten und - wie bereits erwähnt - mit erheblichen Kosten verbunden.

Das markante Höhenleitwerk

Mehr als eine Stunde hielten wir uns beim und im Flugzeug auf. Danach wanderten wir wieder zurück über denselben Weg mit einem letzten Blick zu den neuen Flugzeugen der SAS im Hangar. Im Büro bekam ich einige Souvenirs.

Ein letzter Blick zur Caravelle beim Abflug über Rwy08 am nächsten Tag

Text & Fotos: Ingrid Muhr

Austrian Wings bedankt sich beim Le Caravelle Club für die freundliche Unterstützung bei der Erstellung dieser Reportage.