Österreich

Aircontact 17 am Flughafen Graz

Talk der Expertenrunde

Der steirische Mobilitätscluster ACStyria veranstaltete Ende November auf dem Flughafen Graz seine traditionelle Luftfahrtveranstaltung AIRCONTACT`17. Thema: Luftfahrt 2050 – Visionen, Innovationen, Märkte. Ein Fotobericht von Franz Zussner für Austrian Wings.

Der Steirische Autocluster ACStyria ist ein Bindeglied zwischen Wirtschaft, Industrie und Forschung sowie öffentlichen Einrichtungen. Er vernetzt Unternehmen und bietet durch Netzwerktreffen stetigen Wissensaustausch unter den Partnerbetrieben. Neben dem Kernbereich Automotive fördert und vernetzt er auch die Wirtschaftsbereiche Rail Systems (Bahnsystemtechnik) und Aerospace (Luft- und Raumfahrttechnik).

Das Synergiepotential zwischen den Branchen zu optimieren ist das Ziel des ACStyria Autoclusters. Das Bundesland Steiermark ist nicht nur ob seiner vielen Wälder, landwirtschaftlich genutzten Flächen und der bekannten Weinanbaugebiete ein Juwel Österreichs, sondern spielt auch als Industrieland in einer top Liga und kann mit zahlreichen kleineren und großen Zulieferbetrieben für die Luftfahrtindustrie aufwarten.

Diese Zulieferbetriebe – rund achtzig mit 1.500 Mitarbeitern - bekamen am 22. November am Flughafen Graz einen Einblick und Ausblick über die großen Innovationen und Visionen der großen und etwas weniger großen Flugzeughersteller- und Luftfahrtoptimierer präsentiert. Tenor aller Visionen- und Konzepte sind Treibstoffreduktion, Verringerung der CO² Emissionen, Stichwort: CO²-neutrales Fliegen sowie Einstieg in die Elektro-Fliegerei.

Die (mögliche) Zukunft von Passagierflugverkehr mit Elektroantrieb anhand eines konkreten Beispieles

Auftakt der Aircontact`17 am 21. November war eine Führung und Besichtigung bei Böhler Aerospace (Schmiedetechnik und Edelstahl) in Kapfenberg, dem großen Luftfahrtzuliefer-Betrieb Österreichs samt Vortrag von Geschäftsführer Mag.Thomas Kornfeld. Böhler Schmiedetechnik ist ein führender Tier 1 Supplier für alle großen Flugzeughersteller. Böhler Schmiedetechnik liefert der Luft- und Raumfahrtindustrie Stähle, die sie benötigt in der gewünschten Legierung, Abmessung und in höchster Qualität. Nicht umsonst geben sich die Ingenieure und Manager der diversen Flugzeughersteller in Kapfenberg „die Klinken in die Hand“!

Bereits für die nahe Zukunft vorgesehen und daher äußerst interessant gestaltete sich der Vortrag von Dr. Marius Bebesel von Airbus Helicopters Deutschland über das bereits weit voran geschrittene Projekt „City Airbus“ bezüglich der Herausforderungen und Entwicklungen des urbanen Luftverkehrs. Ein  elektrisch angetriebener Multicopter soll in großen urbanen Räumen den Lufttransport übernehmen. Bebesel arbeitet in einem Team von 35 Leuten, die frei von Zwängen das Projekt „City Airbus“ vorantreiben. Nach dem Projektstart 2017, soll bereits 2018 mit einem Demonstrator Testflüge mit Piloten und Passagieren begonnen werden.

City Airbus

Der Multicopter soll vorerst bis zu vier Passagieren transportieren und den Transport in Megastädten als sogenanntes Lufttaxi übernehmen. Der „City-Airbus“ ist viel leiser und auch sicherer als ein herkömmlicher Hubschrauber. Der Ausfall zum Beispiel einer Batterie stellt überhaupt kein Problem dar und zukünftig werden diese Fluggeräte auch autonom fliegen, quasi als „flying smartphone“ so Bebesel.Einblick in neue Antriebssysteme, Kraftstoffe (Wasserstoff, Brennstoffzelle) sowie über elektrischen Fliegen gaben Dr. Jochen Kaiser, Leiter visionäre Flugzeugkonzepte vom „Bauhaus Luftfahrt e.V.“ aus München sowie Dr. Josef Kallo  vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR).

Elektrisches Fliegen ist seit 2008 ein großes Thema, wobei hier das Problem Fortschritte zu erzielen, den Batterien (Größe, Gewicht, Kapazität usw.) zugeschrieben wird. E-Fliegen, so Kaiser ist derzeit nur im Regionalverkehr und  mit Flugzeugen bis zu 70 Sitzen denkbar. Innerhalb von vier Stunden sollten alle Ziele in Europa, vom Check-in bis zum Check-out – Security Check eingeschlossen – erreicht werden. Es muss alles sehr schnell gehen, so Kallo  und deshalb sollten die Flughäfen wieder näher an die Innenstädte rücken um nachhaltiges Fliegen zu ermöglichen. Ein elektrisches Fliegen über den Atlantik sollte man sich so schnell nicht erwarten.

Der heimische Flugzeughersteller Diamond Aircraft aus Wr. Neustadt, vertreten durch Felix Zahradnik, CTO von Austro Engine (AE), ein Schwesterunternehmen von „Diamond Aircraft“, referierte über die Zukunft der General Aviation aus der Sicht von Diamond Aircraft. Diese  befindet sich seit 1989 am Standort Wr. Neustadt und verzeichnet dort ein rasantes Wachstum. Produktionswerke von Diamond befinden sich auch in der Provinz Ontario in Kanada, Provinz Shandong in China und auch in  Russland, Jekaterinburg, wo die DA40 „Tundra-Star“ gefertigt wird.

Mit dem Motorsegler HK36 „Super Dimona“ und der DA20 „Katana“ begann das rasante Wachstum von Diamond Aircraft, dessen Flugzeuge heute fast bei jeder Flugschule zum Einsatz kommen. Zusammen mit Austro Engine (AE) wird die Weiterentwicklung des E-Motors sowie ein zwei Scheiben Wankelmotor vorangetrieben, der mit AVGas und Kerosin betrieben werden kann. Auf Basis der DA40 wird an einen Hybrid Projekt gearbeitet. Das Hubschrauber-Projekt DART-280 ist auf Schiene und soll schon in naher Zukunft fliegen.

Helikopterprojekt Dart 280 von Diamond Aircraft

Diamond Aircraft ist auch führender Hersteller für Composite Flugzeuge.DI (FH)Kurt Pieringer, FACC, präsentierte die „Handwerker aus Oberösterreich“. Vieles bei FACC, dem Tier 1 Zulieferer für Boeing, Airbus, Embraer, Sukhoi, Pratt & Whitney, Rolls Royce, Goodrich usw.  ist neben der computergestützten Hochtechnologie auch noch handwerklich orientiert, so Pieringer, deshalb ist die Resource  „Mensch“ ein sehr wichtiger Faktor. Das Unternehmen ist zu hundertprozent exportorientiert und generiert derzeit ein Wachstum von gut 20 Prozent. Es ist führend in der Entwicklung und Produktion von Komponenten und Systemen aus Composite Materialien für Verkehrs-, Fracht-, Businessflugzeuge und Hubschrauber sowie  konzentriert auf drei Kompetenzbereiche, wie Antriebe (Motoren), Flugzeugzelle und Inneneinrichtung.

Bisherige Prüftechniken, wie das Ultraschallverfahren wird durch das von Boeing zertifizierte und noch genauere „Thermographie“ Verfahren abgelöst. In den kommenden 20 Jahren werden rund 41.000 Verkehrsflugzeuge und 3.000 Businessjets benötigt. Alle 15 Jahre verdoppelt sich das Passagiervolumen und alle fünf bis sechs Jahre ändert sich die Kabinenausstattung, so Pieringer, daher werden auch dringend Fachkräfte bei FACC gesucht.Wie schaut die Flugzeugkabine der Zukunft aus, beleuchtet DI Wolf-Dieter Kuhnla, Vice President Diehl Aerosystems. Die Kabine muss bis zu 50 Jahre halten und diese wird, im Gegensatz zum Triebwerk überhaupt nicht „überwacht“, so Kuhnla. Immer mehr Trends, wie Handyempfang, Laptopanschlüsse, WiFi, Licht-Displays, Klimaanlage, Projektionen u.v.m. werden in einer Kabine verbaut, die einen sehr hohen Energiebedarf aufzuweisen haben. Siehe Verkabelung pro Sitz!  Daher denkt man bei Diehl Aerosystems zukünftig an die Trennung von Transportleistung (Flugzeug) und Kabine (Restaurant). Eine Flugzeugkabine sollte Energieautark ausgestattet werden, meint Kuhnla.

Text & Fotos: Franz Zussner, Austrian Wings