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Europas Piloten klagen über Erschöpfung und Sekundenschlaf

Symbolbild - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew

Sekundenschlaf im Cockpit, unzureichende Ruhemöglichkeiten gegen kumulative Ermüdung und die Ausdehnung der Flugdienstzeiten über das gesetzliche Maximum hinaus: Der aktuelle Bericht des europäischen Pilotenverbands ECA zeichnet ein problematisches Bild mit strukturellen Mängeln im Risikomanagement gegen Ermüdung in der europäischen Luftfahrt.

Mitgemacht haben fast 7000 Pilotinnen und Piloten aus 31 Ländern in ganz Europa, die Umfrage lief Anfang Juli kurz vor der hektischen Sommerreise-Saison.

Die Müdigkeit in den Cockpits hat den Ergebnissen zufolge bereits vor der sommerlichen Hochsaison zugenommen. Drei von vier Piloten erlebten in den vier Wochen vor der Umfrage mindestens einen Sekundenschlaf während des Flugbetriebs - ein Viertel berichtet sogar von fünf oder mehr Sekundenschlafsituationen. Darüber hinaus berichten 73 Prozent, dass sie sich zwischen ihren Flugdiensten nicht ausreichend von Müdigkeit erholen konnten.

Der Bericht zeigt auch einen besorgniserregenden Trend bei der Verlängerung von Flugdienstzeiten. In Ausnahmesituationen kann der Kapitän per sogenanntem Kommandantenentscheid die maximal zulässige Dienstzeit der Crew an Bord verlängern, um besonderen Umständen wie zeitraubenden Umwegen aufgrund schlechten Wetters Rechnung zu tragen. Fast jeder fünfte Pilot nutzte den Kommandantenentscheid (in der Fliegersprache: Commander's Discretion, CD) innerhalb der vier Wochen vor der Umfrage zweimal oder öfter. Darüber hinaus äußerten mehr als 60 Prozent der Befragten in unterschiedlichem Maße Bedenken hinsichtlich möglicher negativer Konsequenzen, wenn sie sich weigern würden, einen Flugdienst per Kommandantenentscheid zu verlängern.

Nur 11 Prozent der Piloten gaben an, dass ihre Fluggesellschaft aufgrund von Müdigkeitsberichten betriebliche Änderungen zur Verbesserung der Sicherheit vorgenommen hat. Nur 13 Prozent wählten "das Unternehmen kommuniziert gut mit der Besatzung über Müdigkeitsberichte" und nur 12 Prozent gaben an, dass sie dem Meldesystem ihrer Fluggesellschaft vertrauen.

"Der Bericht hat uns noch einmal klar vor Augen geführt, dass die Belastungen der Pilotinnen und Piloten in Spitzenzeiten oftmals über das sicherheitsverträgliche Maß hinaus gehen", sagt VC-Präsident Stefan Herth. "Sekundenschlaf und totale Erschöpfung darf es im Cockpit nicht geben. Gesetzliche Limits dürfen keine Zielgrößen für die Planungen der Flugbetriebe sein. Das müssen Politik und Behörden mit entsprechender Regulierung sicherstellen."

"Sicherheitsrisiken durch Müdigkeit werden von vielen europäischen Fluggesellschaften nicht ausreichend ernst genommen", sagt Vivianne Rehaag, VC-Vorständin Flight Safety. "Wir sehen ernsthafte Unzulänglichkeiten bei den Airlines für das Risikomanagement gegen Müdigkeit und Lücken bei der Überwachung durch die Aufsichtsbehörden. Deshalb können wir nur eindringlich an alle Kolleginnen und Kollegen appellieren: Nehmt das Thema ernst und nutzt die Reporting-Möglichkeiten, damit Probleme bekannt und angegangen werden können."

Ein Trend, der in den Umfragedaten auffällt, ist, dass Fluggesellschaften aus Malta, Spanien, Irland und dem Vereinigten Königreich durchweg schlechtere Werte beim Müdigkeitsmanagement, beim Reporting, bei den Ruhezeiten und beim Umgang mit Kommandantenentscheiden erzielen. Nationale Behörden und auch die EASA sollten deshalb die Zustände in diesen Ländern genau untersuchen.

Der Bericht, der von dem Beratungsunternehmen Baines-Simmons im Auftrag des europäischen Pilotenverbands ECA erstellt wurde, erscheint nur zwei Monate, nachdem die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) vor dem Risiko einer erhöhten Müdigkeit des Flugpersonals während des Sommers gewarnt hat. Gleichzeitig forderte die EASA die Fluggesellschaften dazu auf, ausreichende Puffer einzuplanen und sich nicht darauf zu verlassen, dass ihre Piloten systematisch die maximale Flugdienstzeit verlängern. Die Ergebnisse des Berichts weisen jedoch auf eine andere Realität hin.

Die Daten wurden vom 1. bis 22. Juli 2023 erhoben. Bei mehreren Fragen wurde ein vierwöchiger Rückblickszeitraum zugrunde gelegt, sodass nicht der Höhepunkt des Sommerbetriebs, sondern das "Hochfahren" vor der Sommerreisewelle seit Anfang Juni erfasst wurde. Die Ergebnisse lassen demnach vermuten, dass sich die Zustände während der Hochsaison seit Mitte Juli eher noch verschlechtert haben.

(red / VC)