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Toter Flugbegleiter bei SWISS: Ermittler decken schwere Mängel bei Atemschutzmasken und SWISS auf

Das betroffene Flugzeug - Foto: GF / Austrian Wings Media Crew (keine Verwendung des Fotos ohne Erlaubnis!)

Einen Tag vor Weihnachten 2024 musste ein A220-300 der SWISS wegen starker toxischer Rauchentwicklung in Cockpit und Kabine in Graz notlanden. Ein junger Flugbegleiter starb. Nun deckten die Schweizer Ermittler Defizite bei der Ausbildung der SWISS-Flugbegleiter im Umgang mit den Atemschutzmasken auf, die selbst nicht unproblematisch sind.

Leser von Austrian Wings sind über den Vorfall informiert. Am 23. Dezember 2024 befand sich der A220-300 HB-JCD der SWISS auf dem Weg von Bukarest nach Zürich. An Bord waren 2 Piloten, 3 Flugbegleiter und 74 Passagiere. Wegen eines massiven Triebwerksproblems samt anschließender Rauchentwicklung in Cockpit und Kabine entschieden sich die Piloten zur Notlandung in Graz. Während für die Piloten im Cockpit für solche Falle Full Face Sauerstoffmasken zur Verfügung stehen, schützen sich die Flugbegleiter (FA) mit sogenannten Smokehoods (für Passagiere gibt es unglücklicherweise keine Schutzausrüstung im Fall von Rauch). Trotzdem kam ein junger Flugbegleiter, gerade einmal 23 Jahre alt, bei dem Zwischenfall infolge der Inhalation toxischer Rauchgase ums Leben. Bereits Ende Dezember rückte deshalb die Schutzausrüstung der Kabinenbesatzung - die Smokehoods - ins Visier der Ermittler, wie ich am 31. Dezember in diesem Beitrag beleuchtet habe. Diese Smokehoods, auf Deutsch Rauchschutzhauben, werden in der (flieger-)englischen Fachterminologie auch als PBE, als Personal Breathing Equipment, bezeichnet.

Schweizer Ermittler finden schwere Mängel
Die ersten Verdachtsmomente scheinen sich nun zu bestätigen. Experten der Schweizer Untersuchungsstelle für Flugunfälle - kurz SUST - deckten nämlich auf, dass es im Sommer 2023 auf einem A330 der SWISS bereits einmal erhebliche Probleme mit den Smokehoods der Crew gegeben habe. Gleich mehrere Besatzungsmitglieder hätten Probleme damit gehabt, die Rauchschutzhauben, auszupacken, korrekt zu entfalten, aufzusetzen und sie anzuwenden. Außerdem sei das Atmen damit sehr schwer gefallen. Bis zu 3 Minuten habe es gedauert, ehe es den Besatzungsmitgliedern gelungen sei, die Masken in Betrieb zu nehmen. Eine solche Zeitspanne kann bei Rauch an Bord mitunter tödlich sein. Laut SUST waren zusätzlich noch mehrere Masken "defekt" und sprach von einem "Sicherheitsrisiko", wie aus dem veröffentlichten Abschlussbericht zum Vorfall mit dem A330 vom Sommer 2023 hervorgeht.

Zitate aus dem Abschlussbericht:

"Das Öffnen der Verpackung der PBE bereitete mehreren FA Schwierigkeiten. Zwei FA benötigten eine Schere resp. ein Messer, um die PBE aus der Verpackung entnehmen zu können."

"Einige FA gaben an, dass sich das Atmen mit aufgesetzter PBE, insbesondere das Ausatmen, als sehr schwierig erwiesen habe."

"Ein FA benötigte 3 Minuten, um die PBE in Betrieb zu nehmen. Der Druck auf die Nase mit aufgesetzter Brille sei immens und die PBE sehr unbequem gewesen. Die Temperatur in der PBE sei sehr hoch gewesen und habe zu starkem Schwitzen geführt."

"Einige FA gaben an, dass sich das Atmen mit aufgesetzter PBE, insbesondere das Ausatmen, als sehr schwierig erwiesen habe."

"Das Training der Besatzungsmitglieder erfolgte ausschließlich mit für Übungszwecke bereitgestellten PBE-Attrappen, die sich erheblich von den in einem Notfall eingesetzten, echten PBE unterscheiden. Dadurch waren den Besatzungsmitgliedern diverse Schwierigkeiten bei der Verwendung der PBE unbekannt."

Die technische Ausgestaltung der PBE war derart, dass geschulte Kabinenbesatzungsmitglieder die PBE nicht in angemessener Zeit in Betrieb nehmen konnten. Die Zeit betrug dabei ein Mehrfaches der gemäß Zulassungskriterien vorgegebenen Zeit. Zudem war die Kommunikation mit aufgesetzter PBE stark beeinträchtigt."

SWISS wusste von diesem Problemen davon und hatte 2023 damit begonnen, das betroffene Modell durch andere Rauchschutzhauben zu ersetzen.Doch der Austausch ging offenbar nur sehr schleppend voran, denn er war bis zum Unfallflug am 23. Dezember 2024 noch immer nicht abgeschlossen.

Denn auf dem Unfallflug des 23. Dezember 2024 war genau das problematische Maskenmodell an Bord, was möglicherweise dem 23-jährigen Flugbegleiter zum tödlichen Verhängnis wurde. Außerdem konstatierte die SUST, dass dass Training der Besatzungen womöglich unzureichend gewesen sei. Es sei lediglich mit Attrappen gearbeitet worden, die sich erheblich von den tatsächlich eingesetzten Modellen unterschieden hätten.

Mittlerweile habe SWISS - so schreiben mehrere Schweizer Medien - die betroffenen Rauchschutzhauben durch andere Modelle ersetzt.

Hintergrund: Feuer und Rauch gelten als besonders kritisch
Generell muss man wissen, dass Feuer und Rauch sowie schon der Verdacht darauf zu den gefährlichsten Zwischenfällen an Bord von Verkehrsflugzeugen zählen und deshalb grundsätzlich als “High level emergency” behandelt werden. Eine sofortige Landung ist in einem solchen Fall das international bei allen Fluglinien übliche Standardverfahren, sofern die Quelle des (vermuteten) Rauches nicht umgehend lokalisiert und ausgeschaltet werden kann. Im Jahr 1987 verunglückte eine Boeing 747-244B Combi von South African Airways, nachdem an Bord aus bis heute ungeklärter Ursache ein Brand ausgebrochen war, alle 159 Insassen starben. Hierzu verweise ich auf mein Buch Buch "Tödliche Flammen im Frachtraum - der mysteriöse Absturz der ,Helderberg'", das dieses Unglück und die möglichen dramatischen Auswirkungen von Feuer und Rauch an Bord von Verkehrsflugzeugen ausführlich beleuchtet. Häufig liegt dem Rauch auch kein Feuer, sondern ein Fume Event zugrunde, bei dem hochtoxische Triebwerksöldämpfe über die Zapfluft in die Kabine gelangen. Genau das dürfte im Fall der in Graz notgelandeten SWISS-Maschine geschehen sein.

Text: Patrick Huber