Österreich

AUA-Betriebsrat: Sachlich-kritische Hintergrundinformationen zu Eurowings

Anlässlich der Markteinführung von Eurowings durch Lufthansa mit einem österreichischen AOC, hat der Bordbetriebsrat der österreichischen Lufthansa-Tochter Austrian Airlines einige Hintergrundinformationen zusammengestellt, die wir unseren Lesern nachfolgend vorstellen. Gleichzeitig warnt der Betriebsrat Bord auch davor, dass wirtschaftlicher Druck auf Piloten (Stichwort Pay to Fly) die Flugsicherheit gefährden könnte.

Was ist Eurowings?

Eurowings ist zunächst einmal ein Markenname für eine Airline. Eine Airline mit diesem Namen gibt es in Deutschland bereits. Eurowings Austria wurde gegründet, um diesen und andere Flugbetriebe aufzunehmen und zur drittgrößten Billigfluglinie in Europa mit über 200 Flugzeugen zu wachsen (nach Ryan und Easy Jet).

Wann wird Eurowings in Österreich zum ersten Mal starten?

Eurowings (Deutschland) fliegt bereits Wien von Deutschland aus an (von Düsseldorf und Hamburg). Allerdings sind sowohl Flugzeuge als auch Crews in Deutschland stationiert. Ab 9. November soll das erste Flugzeug mit Basis in Wien und österreichischer Zulassung abheben.

Warum gerade in Österreich?

Dabei geht es ausschließlich um die Zulassung der Fluglinie, das sogenannte AOC (Aircraft Operators Certificate). Die Flugzeuge selbst sollen künftig überall in Europa fliegen. Derzeit sind von den über 200 Flugzeugen nur zwei für Wien geplant.

Warum bekommt man gerade in Österreich so leicht eine Zulassung?

Das ist historisch bedingt: Nach dem Zerfall der Sowjetunion gab es eine große Nachfrage nach Executive Jets, die reiche Oligarchen durch Russland fliegen. Die traditionell guten Beziehungen in den Osten haben den österreichischen Firmen geholfen. Ebenso war dies ein gutes Geschäft für die Behörde und damit den Staat. Doch diese Jets landeten selten oder nie in Österreich. Dennoch benötigten sie eine Zulassung. Derzeit gibt es über 100 Zulassungen für Bedarfsfluglinien in Österreich.

Entspricht dies einem „Freibrief“ zum Fliegen?

Nicht ganz. Die ACG hat als Behörde weiterhin die Aufsichtspflicht für alle diese Airlines und nimmt diese auch wahr. Es lässt sich aber auch ein Wettbewerb unter den Behörden in Europa erkennen. So ist Irland ein beliebtes Land für Billigfluglinien wie Ryan oder Norwegian.

Das bedeutet, eine Airline kann sich das Land aussuchen, von dessen Behörde sie kontrolliert wird?

Genauso ist es. Allerdings verlangen die meisten Behörden, dass zumindest ein Flugzeug in diesem Land stationiert wird. Die österreichische Behörde verlangt das nicht.

Welche Bedeutung besitzt dann Eurowings Austria in Österreich?

Eurowings Österreich hat für unser Land eine sehr geringe Bedeutung. Tatsächlich besteht die künftige Nummer 3 im Europäischen Low Cost Bereich in Österreich aus einem kleinen Büro im Lufthansa Trainingsbereich mit Internetanschluss und Briefkasten. Der überwiegende Anteil der Arbeitsplätze soll nicht in Österreich entstehen.

Wo soll dann Eurowings überhaupt fliegen?

Anfang November soll das erste Flugzeug von Eurowings Austria in Wien abheben. Ab März 2016 soll dann jeden Monat ein weiteres Flugzeug dazukommen. Allerdings sollen nach derzeitigem Stand nicht mehr als zwei Flugzeuge in Wien stationiert werden.

Wo sollen dann alle diese Flugzeuge stationiert werden?

Als erste Basen sind derzeitig Düsseldorf, Hamburg und Basel im Gespräch. Strategisch gesehen soll Eurowings im direkten Konkurrenzkampf gegen Easy Jet aufgestellt werden, welche eine Basis in Basel hat. In Düsseldorf und Hamburg hingegen gibt es bereits Germanwings Basen, die damit abgelöst werden sollen.

A320 von Eurowings in Wien, Symbolbild - Foto: Austrian Wings Media Crew
A320 von Eurowings in Wien, Symbolbild - Foto: Austrian Wings Media Crew

Warum benötigt der Lufthansa Konzern dann eine Eurowings Austria, wenn sie eh schon Germanwings und Eurowings Deutschland betreibt?

Die Vereinigung Cockpit (deutsche Pilotengewerkschaft) der Lufthansa war bereit zu Zugeständnissen, um die Germanwings mit eigenen Piloten zu bereedern. Nun waren diese Zugeständnisse der Konzernführung noch zu wenig, und so hat sie die Produktion teilweise an Eurowings Deutschland verschoben, deren Gehaltsniveau etwa ein Drittel unter dem der Lufthansa Piloten liegt. Jetzt will sie mit Eurowings Austria weitere Kosten sparen.

Liegen die Lohnkosten bei Eurowings Austria so weit unter jenen von Eurowings Deutschland?

Das Gehaltsniveau ist bei beiden Firmen ähnlich. Bei Eurowings Austria soll es aber weniger Gehaltssprünge geben. Vor allem gibt es aber bei Eurowings Austria keinen Tarifvertrag (Kollektivvertrag). Damit muss die Geschäftsleitung ausschließlich auf die gesetzlichen Beschränkungen der Arbeitszeiten achten.

Nächstes Jahr treten für alle Europäischen Fluglinien die gleichen Arbeitszeitregeln in Kraft. Haben dann nicht alle Fluglinien die gleichen Voraussetzungen?

Die neue EASA Ops wurden als Reaktion auf Unfälle erlassen, die wegen Übermüdung der Piloten passiert sind. Die EASA (European Aviation Safety Agency) hat Richtlinien festgelegt, die sicherstellen sollen, dass Flugbegleiter und Piloten nicht bei der Landung einschlafen. Diese regeln aber keinerlei soziale Aspekte. Die EASA Ops erlaubt untertags 14 Stunden Arbeitszeit, in der Nacht sind es 11. In der Woche darf ein Pilot maximal 60 Stunden arbeiten. Im Monat müssen ihm 7 Tage zur Erholung freigegeben werden. Soziale Aspekte wie Urlaub, Freizeit oder Pension werden einzelvertraglich oder aber im Kollektivvertrag geregelt. Letzteres wollen alle Europäischen Airlines derzeit umgehen.

Wie machen es andere Europäische Billigfluglinien, dass sie einen solchen Kostenvorteil haben?

Ryan Air, Easy Jet, Norwegian und andere Billigfluglinien verwenden andere Anstellungsmodelle: Norwegian stellt die Piloten in Thailand mittels einer Personalleasingfirma in Singapur an. Damit sparen sie sich Steuern in Europa. Ryan Air verwendet ein Anstellungsmodell, bei dem Piloten eigene Ich-AGs gründen, um über Personalleasing-Firmen ihre Arbeitsleistung an die Airline zu verkaufen (Scheinselbstständigkeit). Auch dies spart Steuern. Bei Germania in Deutschland zahlen junge Piloten dafür, dass sie für die Fluglinie arbeiten dürfen.

Warum sollten Piloten das machen?

Ein junger Pilot ohne Erfahrung hat keine Chance, sich am freien Markt bei einer Airline zu bewerben. Das nützt unter anderen Easy Jet aus. Die jungen Piloten zahlen also dafür, dass sie Erfahrung sammeln, um sich dann woanders bewerben zu können.

Wer sollte dann also bei Eurowings Austria zu so schlechten Bedingungen arbeiten wollen?

Flugbegleiter sind leicht und schnell zu rekrutieren. Dann gibt es sehr viele Kapitäne, die um ihren Arbeitsplatz bangen – wie bei Air France oder Air Berlin. Außerdem gibt es viele europäische Piloten, die derzeit bei Fluglinien in China, in den Golf Staaten oder bei Turkish arbeiten, die gerne wieder nach Europa zurückkehren wollen – selbst zu einem niedrigeren Gehalt. Die Masse der Copiloten soll aus der Lufthansa NFF (Nachwuchs Flugzeug Führer) Pipeline geschöpft werden.

Was ist die NFF Pipeline?

Die Lufthansa Pilotenschule hat in den letzten Jahren rund 900 junge Piloten ausgebildet, die derzeit auf einen Platz im Cockpit warten. Die NFF Pipeline enthält also den Nachschub an Piloten; derzeit sprechen wir eher von einem „Tank“ als einer Pipeline. Traditionell wurde jenen eine Karriere bei Lufthansa mit Lufthansa Tarifvertrag in Aussicht gestellt. Nun hat der Konzernvorstand allerdings öffentlich bekanntgegeben, dass kein junger Pilot mehr in den alten Tarifvertrag aufgenommen wird. Die jungen Nachwuchspiloten haben daher nur mehr die Möglichkeit, bei einem Tochterunternehmen wie Brussels Airlines, Austrian oder eben Eurowings Austria zu arbeiten oder aber ihren Traum vom Fliegen aufzugeben.

Warum bewerben sich diese jungen Piloten nicht einfach bei einer anderen Fluglinie?

Die NFF sind vertraglich an die Lufthansa gebunden. Wenn sie woanders eine Anstellung annehmen, müssen sie ihre Ausbildungskosten von bis zu 70.000 Euro an die Lufthansa zurückzahlen. Außerdem besitzen sie eine Pilotenlizenz (Multi-Crew Pilots Licence (MPL)), die einzig auf die Lufthansa zugeschnitten ist. Der letzte Teil der Ausbildung muss auf der Linie bei Lufthansa erfolgen. Mit dieser Lizenz dürfen sie sonst nirgendwo fliegen. Die jungen Piloten sind damit in einem Abhängigkeitsverhältnis von Lufthansa, das der Konzernvorstand beinhart ausnützt.

Die Konzernführung hat also Lufthansa Arbeitsplätze an Germanwings, dann an Eurowings Deutschland und in weiterer Folge an Eurowings Austria ausgelagert. Wie geht das weiter? Und sind auch andere Firmen wie z.B. Austrian gefährdet?

Eurowings wurde als Plattform gegründet, um eine bessere Kostenstruktur zu schaffen. Für Arbeitnehmer bedeutet eine niedrigere Kostenstruktur nichts anderes als mehr Arbeit für weniger Lohn. Eurowings Austria soll pan-Europäisch agieren. Das bedeutet, dass damit in ganz Europa das Lohnniveau gedrückt werden soll, in Deutschland genauso wie anderswo. Derzeit ist Austrian nicht gefährdet. Letztes Jahr wurde ein Kollektivvertrag abgeschlossen, dessen Lohnniveau ähnlich dem von Eurowings Austria ist. Zurzeit gibt es bei Austrian andere Probleme. Aber mittel- bis langfristig ist auch Austrian durch eine Auslagerung gefährdet.

Aber warum werden dann die Eurowings-Flieger in Wien nicht wie angekündigt von Austrian betrieben?

Das ist tatsächlich eine weitere Auslagerung, denn es werden einfach Strecken von Austrian zu Eurowings verschoben (z.B. Barcelona, Rom, Mallorca). Das hat aber noch andere Gründe. Eurowings Austria besteht derzeit aus nicht viel mehr als einem Briefkasten und einer Zulassung für eine Fluglinie. Wenn nun eine solche österreichische Briefkastenfirma in Deutschland Produktion von einer gleichnamigen Schwesterfirma übernimmt, dann wirft das massive arbeitsrechtliche Fragen auf, die das gesamte Projekt Eurowings gefährden können. Somit wurde entschieden, dass Eurowings Austria in Österreich tatsächlich von eigenen Piloten geflogen werden soll, um ihr damit eine rechtliche Legitimation zu geben.

Stattdessen soll Austrian ab nächstem Jahr im gleichen Umfang eine stärkere Rolle im Nachbarschaftsverkehr zwischen Österreich und Deutschland mit zusätzlichen Flugzeugen übernehmen?

Es gibt einen Vertrag zwischen Lufthansa und Austrian, der die Bereederung der Eurowings Flugzeuge in Wien regelt. Diesen kann die Lufthansa Führung nun nicht einhalten. Daher wurde Austrian stattdessen in gleichem Umfang Produktion im Nachbarschaftsverkehr zugesagt. Doch auch dieses Versprechen kann die Lufthansa Führung unmöglich einhalten, ohne einen weiteren Vertrag zu brechen. Die deutsche Pilotenvereinigung hat im Gegenzug zu Zugeständnissen bei Germanwings
eine Mindestquote beim Nachbarschaftsverkehr ausgehandelt. Damit sollte genau die Auslagerung von Lufthansa Strecken an Austrian oder Swiss verhindert werden. Eine Verschiebung ist also gar nicht möglich.

Beeinflusst diese Abwärtsspirale der Lohnkosten auch die Flugsicherheit?

Ja und nein. Statistisch ist das Flugzeug immer noch das sicherste Transportmittel, auch bei Billigfluglinien. Bei traditionellen Fluglinien gibt es einen Kollektivvertrag und eine Senioritätsregelung, die sicherstellen, dass der einzelne Pilot nicht der Willkür des Managements ausgesetzt ist – sowohl bei Beförderung als auch bei Entlassung. Billigfluglinien lehnen beides ab. Ein Pilot muss bei jedem Flug hunderte Entscheidungen treffen, bei denen Sicherheit auf der einen Seite gegen Wirtschaftlichkeit auf der anderen Seite abgewogen werden: Wie viel tankt er, wie weiträumig umfliegt er Gewitter, oder weicht er zu einem Ausweichflughafen aus, wenn das Wetter schlecht wird? Ein Pilot, der ohne Schutz in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einer Airline steht, wird sich eher für die wirtschaftlichere, aber eventuell etwas unsicherere Variante entscheiden. Das von Airlines angestrebte Sicherheitsniveau ist so hoch (1 Unfall auf 10 Mrd. Flüge), dass der dadurch entstehende Sicherheitsnachteil - obwohl mit Sicherheit existent - nicht seriös messbar oder gefühlsmäßig fassbar ist. Für dieses Sicherheitsniveau ist es aber nötig, in jedem Einzelaspekt des Betriebs auf höchste Sicherheit zu achten, da die Sicherheitskette nur so stark ist wie ihr schwächstes Glied. In diesem Sinne ist auch wirtschaftlicher Druck auf Piloten bedenklich.

(red / Betriebsrat Bord Austrian Airlines / Titelbild: Piloten haben einen verantwortungsvollen und anstrengenden Beruf; wirtschaftlicher Druck kann die Flugsicherheit gefährden, Symbolbild - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew)