Reportagen

Prosperierendes Riga, boomende Air Baltic

Blick auf Riga

Die Stadt Riga, der lettische Staatscarrier Air Baltic sowie seine aufstrebende Homebase Riga (RIX), so der IATA-Code des Flughafens Riga, werden immer mehr zum Ausgangs- und Zielpunkt von Rundreisen durch die drei baltischen Staaten. Ein Beitrag von Franz Zussner für Austrian Wings.

Lettland, aber auch die anderen beiden baltischen Staaten (Estland und Litauen), scheinen den Reiseboom der vergangenen Jahre gepachtet zu haben. Anstatt Sommer, Sonne, Meer und Strand, erfreuen sich die Rundreisen durch die drei baltischen Staaten großer Beliebtheit. Vor allem die lettische Metropole Riga, größte Stadt des Baltikums, wird von den Touristen sehr gerne als das Tor zum Baltikum benutzt. Im Jahre 1201 unter Bischof Albert Buxhoevden als Stadt gegründet war Riga über Jahrhunderte eine sehr umkämpfte, aber auch sehr beliebte Handelsstadt.

Ihre ideale Lage an der Ostsee machte sie zum Knotenpunkt des Ostseehandels und damit ab Ende des 13. Jahrhunderts auch zur freien Hansestadt. Viele Kaufleute schlossen sich in Gilden zusammen, wobei die damals massive Bevorteilung deutscher Kaufleute durch diverse Reglementierungen aber auch Neid unter den Bürgern auslöste. Riga wurde immer wieder in Kriegshandlungen zwischen Deutschen, Russen und auch Schweden verwickelt. Im großen "Nordischen Krieg" ab 1700, wird um Riga hart gekämpft. Belagert von russischen Truppen kam zur Hungersnot und zur Pest. Im Friedensvertrag von Nystad 1721 wird Riga ins "Russische Reich" eingegliedert und systematisch zu einem der wichtigsten Häfen Russlands ausgebaut. Der 1. Und der 2. Weltkrieg ging auch an Riga nicht spurlos vorüber. Deutsche und russische Truppen wechselten sich als Besatzungsmacht ab und im Jahre 1944 wurde Riga endgültig Hauptstadt der Lettischen Sozialistischen Sowjetrepublik. Zufrieden mit der russischen "Besatzungsmacht" war man in Lettland eigentlich nie doch durch die vom Sowjetchef Boris Jelzin eingeleitete "Perestroika", die M. Gorbatschow weiterführte, nutzte man in Riga die "Gunst der Stunde" und erklärte am 21. August 1991 seine Unabhängigkeit von der Sowjetunion und wurde ein freier, demokratischer Staat. Damals wusste man noch nicht ganz genau, wo denn die "Reise" Lettlands hinführen wird, aber nach 26 Jahren der Freiheit ist Lettland heute Mitglied der EU und der NATO und eine stabile Demokratie. Doch so ganz ohne Sorgen, was den russischen Nachbar betrifft, ist man in Lettland nicht - siehe Ukraine und Krim - deshalb ist man sehr froh, ein Teil der NATO zu sein.

Links Reste der ehemaligen Befestigungsanlage, das Gebäude rechts war eine Kaserne, heute sind hier Restaurants untergebracht

Hauptstadt des Jugendstils
Die lettische Hauptstadt ist aber auch als Stadt des "Jugendstils" berühmt. Viele Touristen kommen daher wegen der Häuser in Jugendstilbauweise, vor allem wegen der eindrucksvollen Fassaden nach Riga. Erfinder dieses revolutionären Baustils ist der in St. Petersburg geborene Mikhail Eisenstein, der sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als ausgebildeter Zivilingenieur, der damals in dieser Region vorherrschenden neoklassizistischen Bauweise widersetzte und seinen eigenen Baustil, eben den Jugendstil, entwarf. Eisenstein legte sehr viel Wert auf eine reich verzierte Fassade seiner Häuser von denen mehr als fünfzig in der sogenannten "Neustadt von Riga" errichtete.

Das Schwarzhäupterhaus in Riga wird gerade restauriert

Sein Stil fand auch bei lettischen Architekten, wie Konstantin Peksens großen Anklang, der u.a. das "Rigaer Jugendstilzentrum, heute ein Museum in der Alberta Straße 12 sowie über 200 Wohngebäude entwarf. Heute findet man in im historischen Zentrum von Riga mehr als 800 Jugendstilbauten, die zusammen mit der mittelalterlichen Holzbauweise zum UNESCO Weltkulturerbe zählen. Sehr viele sakrale Bauten, vor allem Kirchen befinden sich in der Altstadt von Riga, dessen Bevölkerung seit der Reformation ab 1521 vorwiegend protestantisch geprägt ist. Übrigens auch der Name und die erste Produktionsstätte der bekannten Gipskartonplatten mit dem Namen "Rigips" - Ri(ga)Gips - fand 1938 in Riga ihren Ursprung. Mit der im Jahre 1995 gegründeten "Air Baltic Corporation" besitzt Lettland die wichtigste Airline des Baltikums und ihre Manager setzen alles dran, dass es auch weiterhin so bleibt.

Im Winter nach Abu Dhabi
Anfang August 2017 hat seine siebte Bomardier CS 300 (YL-CSG) frisch ab Werk aus Montreal erhalten. Eine achte kommt noch dieses Jahr. Bis Ende 2019 sollen dann zwanzig Bombardier CS 300 bei fliegen.

CS300 - Foto: Air Baltic
Im CS300 steht den Piloten ein hochmoderner Arbeitsplatz zur Verfügung

war launching customer der CS 300 Serie und erhielt die erste (YL-CSA) am 01. Dezember 2016 ausgeliefert. Dazu fand eine große Feier (Austrian Wings berichtete) in einem Hangar des Flughafens Riga statt, zu der mehr als 2000 Gäste geladen waren. Die CS 300 werden nach und nach die betagten Boeing B737-300/500 ersetzen. Martin GAUSS, seit 01. November 2011 CEO der war sichtlich stolz, nach fünf Jahren harter "Restrukturierungs-Arbeit" die Airline auf die Erfolgsschiene gebracht zu haben. Im Geschäftsjahr 2016 konnte, dank steigender Passagierzahlen auf nahezu drei Millionen, ein operativer Nettogewinn von 1,2 Mio. Euro erzielt werden. Die Mehrheit an der Air Baltic Corporation hält der lettische Staat mit 80 Prozent, die restlichen 20 Prozent besitzt der dänische Unternehmer und Eigentümer der "Jet Time" Airlines, Herr Lars Thuesen über sein Unternehmen "Aircraft Leasing 1, SIA".

Die Tage der 737 Classic bei Air Baltic sind gezählt - bis 2019 werden die Modelle der Baureihen -300 und -500 durch den CS300 abgelöst sein - Foto: GF / Austrian Wings Media Crew
Blick ins Cockpit einer 737-300 von Air Baltic; der Wechsel vom auf der Technik der 1960er Jahre basierenden "Uhrenladen" der "Bobby" auf das Glascockpit der CS300 ist herausfordernd - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew

Bei Engpässen und höheren Passagieraufkommen kommen somit auch B737 der "Jet Time" zum Einsatz. Ab Riga werden rund 60 Destinationen in Europa, CIS und Mittleren Osten angeboten. Ab Winterflugplan 2017/18 wird mit der neuen CS300 erstmalig von Riga nach Abu Dhabi jetten. Das Passagieraufkommen schreit förmlich danach - vor allem im kalten baltischen Winter - und hofft, diese Destination, vorerst nur im Winterflugplan, gewinnbringend fliegen zu können. Durch die enorme Expansion als Nr. 1 Carrier im Baltikum - eine B737 ist fix in Tallinn stationiert - werden für die kommenden zwei Jahre rund 200 neue Mitarbeiter, vor allem für den operativen Verkehr, aufgenommen.

Das Air Baltic Trainingszentrum in Riga
Crew Briefing Raum im neuen Air Baltic Hauptquartier am Flughafen Riga
Im Trainingszentrum werden auch Szenarien wie "Feuer an Bord" realitätsnah geübt
Blick ins Innere des 737-Simulators von Air Baltic
Der Simulator von außen
Rauch in der Kabine - zum Glück nur im Trainings-mock-up
Der Autor im 737-Simulator - Foto: Air Baltic

CSeries-Einflottung bis 2019 abgeschlossen
Ende 2019 werden 20 CS300 im Einsatz sein und die alte B737 Generation abgelöst haben. Mit einem durchschnittlichen Alter der Jetflotte von rund zwei Jahren, wird ab 2020 die jüngste Flotte aller europäischen Airlines betreiben. Die pünktlichste Airline Europas, worauf man sehr stolz ist, versteht sich auch als sogenannte "Hybrid Airline", die von beiden Systemen - full service und low cost - das Beste für ihre Passagiere generiert. Bezüglich der Aus- und Weiterbildung des fliegenden Personals befindet sich direkt am Flughafen Riga ein vorbildliches Trainingszentrum, mit B737-300 FFS, ein mock up der B737 und Q400 Kabine, um alle Eventualitäten, die in der Luftfahrt vorkommen können, zu trainieren.

Nicht nur die eigenen Crews, sondern auch fliegendes Personal von vielen anderen Airlines weltweit, kommen nach Riga zum Training. Mit Ende der B737 Ära bei wird auch der B737 FFS seine Funktion sukzessive verlieren, wird aber trotzdem noch weitere Jahre im Trainingszentrum für andere Airlines als Simulator zur Verfügung stehen.

Die betagten B737-300/500 werden so gut es geht verkauft beziehungsweise. auch an "besonderen Plätzen" außer Dienst gestellt. Bei meinem Besuch Mitte August bei in Riga, konnte ich mit Network-Manager, Herrn Wolfgang REUSS ein ausführliches Interview führen. Der 45 Jahre alte Österreicher, ist ein erfahrener Aviatiker und war vor seiner Berufung nach Riga, ab Spätsommer 1997 bei der Lauda Air - damals wurde gerade die B777 eingeflottet - in weiterer Folge war Reuss unter anderem auch bei der Deutschen BA, Brussels Airways und bei Etihad in Abu Dhabi tätig.

Autor Franz Zussner mit seinem Interviewpartner Wolfgang Reuss - Foto: E. Pötler

Interview
AW: Herr Reuss, wie sind Sie zu Air Baltic gekommen?

Reuss: Durch meine große Erfahrung in der Zivilluftfahrt, meine vielen Tätigkeiten im Aviation-Management und nicht zuletzt auch durch meine Bekanntschaft mit CEO Martin Gauss.

Air Baltic CEO Martin Gauss

AW: Wie zufrieden sind Sie mit der CS300? Sieben sind es nun, wie geht es weiter?

Reuss: Wir sind sehr zufrieden mit dem neuen Muster, doch durch die teilweise verspätete Auslieferung weiterer Jets aus Montreal, mussten wir als Übergang auch Flugzeuge von Jet Time, Carpartair, Freebird anmieten, um nur einige Beispiele zu nennen. Dies hat Kosten verursacht, aber darüber sprechen wir nicht öffentlich. Die achte CS300 (YL-CSH) wird noch 2017 zur Flotte stoßen. Bis Ende 2019 sollten dann alle 20 CS300 für im Einsatz sein.

AW: Was geschieht mit den alten B737? Werden die Q400 in der Flotte bleiben oder auch sukzessive durch mögliche CS100 ersetzt? Gibt es mit SWISS, ebenfalls CS100/300 Betreiber ein Zusammenarbeit auf diesem Gebiet?

Das Headoffice von Air Baltic

Reuss: Die 737 werden verkauft, jene die keinen Käufer finden, werden an "geeigneten Standorten" auf Dauer abgestellt. Die Q400 leisten beste Dienste und bleiben sicher noch sehr lange in der Flotte. Die Frage betreffend CS100 stellt sich derzeit nicht, aber wir sind mit Bombardier in Kanada im guten Einvernehmen und was die Zukunft bringt ist noch Kaffeesudleserei. Direkte Zusammenarbeit mit SWISS in Sachen CS-Series gibt es meines Wissens nicht, aber einen Erfahrungsaustausch natürlich schon.

AW: Welche Destinationen sind die wichtigsten im Streckennetz und warum gerade Abu Dhabi? Denkt man über einen Beitritt zu einer Luftfahrtallianz nach?

Reuss: Alle Destinationen sind wichtig. Amsterdam zu unserem Partner Air France/KLM ist natürlich eine ganz wichtige, aber nochmals, alle Destinationen, die wir derzeit anfliegen sind für uns wertvoll. Wien ist mit zwei Flüge täglich sehr gut ausgelastet, im Sommer natürlich etwas besser als im Winter. Auch die Skicharter-Flüge im Winter entwickeln sich hervorragend. Vor allem Genf, wo wir einen absolut supergünstigen frühen Slot erhalten haben, freut uns ganz besonders. Unserer Passagiere kommen sozusagen vor der ersten Welle in Genf an und haben daher kaum Wartezeiten an den Ausgängen und im landseitigen Verkehr. In Deutschland entwickelt sich Hamburg außerordentlich gut. Die boomenden Schiffsreisen und der allgemeine Geschäftsverkehr wegen des Hamburger Hafens, lässt die Passagierzahlen dorthin kräftig wachsen. Mit der CS300 wollten wir unbedingt nach Abu Dhabi fliegen, die Nachfrage dorthin, vor allem im Winter, ist ausgezeichnet und mit den B737 ist es bis dato nonstop nicht möglich gewesen. Wir starten im Winter 2017/18 und werden danach sehen, wie sich diese "Warmwasser-Destination" entwickelt hat. Wir haben jede Menge Codeshare-Partner und daher ist der Beitritt zu einer Luftfahrt-Allianz derzeit absolut kein Thema.

AW: ist die Nr.1 im Baltikum, könnte man somit die Airline (home-carrier) für alle drei baltischen Staaten werden oder ist das zu hoch gegriffen. Könnte man sich eine Beteiligung eines weiteren privaten Partners bei vorstellen?

Reuss: (grinst) Nun ja, das ist ein schöner Gedanke, den Sie da anstellen, doch da werden die anderen beiden baltischen Staaten nicht mitspielen. In Estland gibt es "Estonian Air" und Litauen hat mit "Nordica" und "Small Planet" eigene Airlines auf die Beine gestellt. Sehr wohl haben wir eine B737 in Vilnius fix stationiert und fliegen damit fünf tägliche Verbindungen nach Riga. Von Vilnius nach Tallinn geht es elfmal wöchentlich. Der lettische Staat kann sich sehr wohl eine weitere Privatisierung der vorstellen und man ist auf der Suche nach neuen Investoren. Wer das aber sein wird, kann noch nicht gesagt werden, jedenfalls die Mehrheit der lettischen Airline wird beim Staat bleiben.

AW: Wie gut ist die Zusammenarbeit mit dem Heimatflughafen Riga und wie hoch ist der Anteil des jährlichen Passagieraufkommens in Riga durch?

Reuss: RIX hat im Vorjahr rund 5,4 Millionen Passagiere abgefertigt. Das ist Spitze im Baltikum. Davon trägt Air Baltic mit rund 54 Prozent den Löwenanteil bei. Das Verhältnis des home-carriers zum Airport ist ausgezeichnet und die Gebühren am Airport sind angemessen, aber natürlich kann man über Kosten immer verhandeln.

AW: Noch kurz ein paar Worte zur Personalsituation, Stichworte: Pilotinnen und Auslastung des Trainingszentrums?

Der Flughafen Riga aus der Luft gesehen

Reuss: Aufgrund der neuen und größeren Flugzeuge benötigen wir bis 2019/2020 rund 200 neue Mitarbeiter. Air Baltic ist einer der attraktivsten Arbeitgeber in Lettland somit werden wir genügend Bewerbungen aufzuweisen haben. Unser Trainingszentrum ist gut ausgelastet, verschiedenste Airlines trainieren ihre Crews bei uns. Der ab 2020 dann für uns nicht mehr benötigte B737-300 FFS wird aber so rasch nicht entfernt werden, sondern für diverse Airlines, die nach wie vor die Modelle der 737 Classic-Reihe fliegen, als Simulator dienen. Vorstellbar und nur allzu logisch ist, dass dann danach oder eventuell schon früher, ein CS300/100 FFS in unser Trainingszentrum Eingang finden wird. Derzeit müssen unsere CS300 Crews nach Frankfurt/Main zum Simulator Training.

AW: Werter Herr Reuss, vielen herzlichen Dank für das Gespräch.

Text & Fotos (sofern nicht anders angegeben): Franz Zussner