Reportagen

Vom Schrotthaufen zum "Silbercondor"

Das Experten-Team, das die Restaurierung durchführt - Foto: Airbus

Die Bergung des viermotorigen Großflugzeuges Focke-Wulf Fw 200 Condo“ durch das Deutsche Technikmuseum jährte sich am 26. Mai 2019 zum 20. Mal. Nachdem das Flugzeug im Verlauf der Hebung vor der norwegischen Küste fast vollständig zerstört wurde, begannen 2002 aufwändige Restaurierungsarbeiten. Diese stehen nun kurz vor dem Ende und im Mai 2020 wird die Maschine auf der Berliner Luftfahrtmesse ILA erstmals wieder zu sehen sein.

Norwegen während des Zweiten Weltkrieges. In dem von deutschen Truppen besetzten Land nähert sich ein Fernaufklärer vom Typ Focke-Wulf 200 dem Küstenflugplatz von Værnes, der sich ganz in der Nähe der Stadt Trondheim befindet. Der Landeanflug am Abend des 22. Februar  1942 verläuft zunächst planmäßig, doch dann kommt es zu einem Defekt an den Landeklappen und der Pilot muss die Maschine notwassern. Das Manöver gelingt und die Besatzung kann sich in die mitgeführten Schlauchbote retten, beobachtet wie das kaum beschädigte Flugzeug mit der Nase voran versinkt und bald darauf gerät der Vorfall weitestgehend in Vergessenheit.

Erst in den 1980er Jahren wird das Flugzeug von Tauchern zufällig wieder entdeckt. Und es dauert noch einige Jahre bis sich Vertreter der norwegischen Regierung und des Berliner Technikmuseums darauf verständigen, dass die Maschine dem Museum geschenkt und von ihm gehoben werden darf.

Bis die Bergung beginnen kann, sind aufwändige Vorarbeiten notwendig. Anfang 1999 ist es dann endlich soweit. Doch die Hebung ist komplizierter als gedacht und sie endet am 26. Mai 1999 dramatisch. Nachdem das Flugzeug aus 60 Metern Tiefe angehoben und in einen Hafen geschleppt wird, soll es auf einer schwimmenden Plattform abgelegt werden. Doch dabei zerbricht das stark korrodierte Wrack und stürzt aus fast zehn Metern ab. Übrig bleibt nur ein riesiger Trümmerhaufen. Der Traum das einzige erhaltene viermotorige deutsche Flugzeug aus der Zeit vor 1945 in Berlin ausstellen zu können scheint vorbei zu sein, bevor er richtig begann.

Nach der Bergung - Foto: Günter Steffen

Doch obwohl, oder gerade weil, die Reste des Flugzeuges so stark zerstört waren, beginnen bald darauf bei Airbus, der Lufthansa Berlin-Stiftung und Rolls-Royce im Rahmen der Traditionspflege einige Ehrenamtliche mit dem Wiederaufbau des Flugzeuges. Es dauert nicht lange und da arbeiten in Bremen, Hamburg, Oberursel und Berlin bereits über 70 Freiwillige an dem Projekt. Anfangs ist nur geplant einige Bauteile, wie Fahrwerk, Motoren oder Tragflächenkomponenten, zu restaurieren. Und schon das ist sehr ambitioniert, da sich zeigt, dass sehr viele Bereiche des Flugzeuges bei der Bergung vollkommen zerstört wurden.

Foto: Günter Steffen

Doch nachdem Norwegen zustimmt, das auch noch Bauteile von drei weiteren Focke-Wulf Condor Wracks - darunter auch jene Maschine, die am 27. Dezember 1942 in einem Schneesturm verunglückt war - von für den Aufbau geborgen werden dürfen, scheint das für unmöglich gehaltene möglich zu werden: Der Aufbau eines kompletten statischen Flugzeuges. Nur auf den Einbau der Ausrüstung, wie Tanks, Funkgeräten und Bewaffnung muss verzichtet werden, da diese Teile kaum zu beschaffen sind und der Einbau noch einmal viele Jahre in Anspruch nehmen würde. Allerdings besteht die Maschine am Ende aus Teilen von vier Flugzeugen. Sie besitzt also keinen eindeutigen „Lebenslauf“ und zudem muss vieles neu gebaut werden. Aus diesen Gründen verständigen sich alle Beteiligten darauf das Flugzeug Aluminiumfarben und ohne Bemalung fertig zu stellen, sozusagen als "Silbercondor".

Der Teil der Tragfläche mit dem Balkenkreuz stammt von einer am 27. Dezember 1942 in Norwegen abgestürzten Condor (siehe auch unsere Reportage "Absturz der Condor im Schneesturm" vom 27. Dezember 2017) - Foto: Airbus

Heute, zwanzig Jahre nach der Bergung, ist der Großteil der Arbeiten abgeschlossen. Tragflächen, Fahrwerk und Motoren sind fertig, die Arbeiten am Rumpf werden im Herbst dieses Jahres beendet sein. Notwendig sind in den nächsten Monaten Probemontagen und kleinere Restarbeiten, bevor die Großbauteile aus vielen Teilen des Bundesgebietes dann voraussichtlich im April 2020 auf die Reise nach Berlin gehen.

Der Rumpf - Foto: Airbus

Offen ist aktuell, wo das Flugzeug nach der ILA gezeigt werden kann. In der Luftfahrtabteilung des Museums ist dafür kein Platz mehr vorhanden. Gegenwärtig bemüht sich das Deutsche Technikmuseum deshalb darum, das ausgesprochen wertvolle und in mühevoller Kleinarbeit restaurierte Flugzeug zukünftig in einem Hangar am ehemaligen Flughafen Tempelhof zu zeigen.

Text: Heiko Triesch, Deutsches Technikmuseum Berlin