Reportagen

Ein Flug anno dazumal

Das Flugzeug ist ein Massenverkehrsmittel geworden. Um Beträge, für die es nicht einmal eine Digitalkamera zu kaufen gibt, reisen wir heute quer durch Europa. Das war nicht immer so. Begonnen hat alles mit wagemutigen Pionieren, deren waghalsige Konstruktionen oft nur wenige Meter weit geflogen sind. Viele von Ihnen verloren ihr Leben oder wurden schwer verletzt. Doch wie war das damals in den Anfangstagen der Fliegerei? Austrian Wings blickt zurück in die Vergangenheit.

Das Einsteigen in das Luftfahrzeug erfordert viel Geschick! Jeder Tritt und jeder Griff muss wohl überlegt sein um nicht die filigrane Außenhülle des Flugapparates, die aus Stoff besteht, zu beschädigen.

Der Luftfahrer muss warme Kleidung tragen, Fliegerkombi, Lammfelljacke und Schutzbrille - das sind die klassischen Ausrüstungsgegenstände der Herren Flieger in den frühen Jahren der Luftfahrt, fliegende Damen gab damals kaum.

Hat man dann endlich auf den harten Sitzen in der Pilotenkanzel Platz genommen, wird man fest vergurtet. Zusammen mit der dicken, warmen Kleidung, welche man zum Schutz gegen die eisige Kälte in der Höhe trägt, ist die Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt - dennoch müssen natürlich die Steuerelemente, wie Gashebel, Steuerknüppel und Seitenruderpedale bedient werden.

Als Abschluss wird der Fliegerhelm, meist eine Lederhaube, mit Gehörschutz aufgesetzt. Danach wird der Motor angelassen, es wird laut, windig und kalt in der Kanzel, die Besatzung ist nun dem kalten Luftstrom des Propellers ausgesetzt. Eine Verständigung ist nur noch mittels Handzeichen möglich.

Der Flugzeugführer schiebt den Gashebel gefühlvoll ein Stück nach vorne, und der Flugapparat rollt zur Startbahn, jede Unebenheit spürt die Mannschaft schmerzhaft in Gesäß und Rücken. Dann folgt die Startfreigabe, das Luftfahrzeug beschleunigt, es wird noch lauter und kälter in der offenen Flugzeugführerkanzel und schließlich hört das Rumpeln - nach einem kräftigen Zug am Steuerknüppel - auf. Das Luftfahrzeug hat abgehoben.

Ganz langsam steigt es hinauf in das Blau des Himmels, der Sonne entgegen! Der eisige Fahrtwind schmerzt im Gesicht, die Finger derer, die keine Handschuhe tragen werden rot und taub.

Während des Fluges wird man dafür mit atemberaubenden Impressionen für die Strapazen belohnt. Man ist ein Teil des Himmels, auf Du und Du mit den Elementen der Natur, die Sonne, die Wolken - all das scheint zum Greifen nah! Inmitten dieses gigantischen Naturschauspiels schwebt man erhaben und majestätisch wie ein Adler durch die Luft. Die goldenen Strahlen der Sonne tanzen auf den Flügelspitzen. In der Ferne sieht man die Gipfel der Berge, ganz klein, wie Modelle sehen sie aus! Man ist frei, frei wie ein Vogel und ein Glücksgefühl der besonderen Art stellt sich ein.

So schön das Fliegen auch ist, so angenehm ist es, wenn man wieder heil auf die Erde zurückgekehrt ist.

Der Abstieg in niedrigere Flughöhen bewirkt auch eine Zunahme der Außentemperatur, was als angenehm empfunden wird, denn trotz Schutzkleidung ist man nach längerer Flugzeit durchgefroren und froh, wenn es wieder etwas wärmer wird.

Die Landung selbst ist eine Belastungsprobe für Gesäß und Rücken - Stoßdämpfer gibt es nicht, der Landestoß wird ungefedert an die Körper der Luftfahrer weitergegeben - die Bandscheiben werden's ihnen danken.

Nachdem der Motor abgestellt ist, löst man die Gurte und zwängt sich aus der Kanzel - man kann sich nun kaum noch bewegen, Gesicht und Finger schmerzen vor Kälte, der Hintern und der Rücken tun weh, man ist verspannt - und um eine fantastische Erfahrung und viele, viele Eindrücke aus der Adlerperspektive reicher.

So bzw. so ähnlich lief ein Flug "anno dazumal", in den Anfangsjahren der Luftfahrt, ab, die oben beschriebene Szenerie haben hunderte, ja tausende, Flieger, die von den historischen Flugfeldern Aspern, Fischamend oder Wiener Neustadt zu ihren Luftfahrten aufgebrochen sind, erlebt!

Zurück zur Gegenwart

Wer nun auf den Geschmack gekommen ist und selbst nachempfinden möchte, wie das Fliegen "anno dazumal" war, dem sei ein Flug in einem offenen Ultraleichtflugzeug, wie beispielsweise der C22 Ikarus, empfohlen.

 

Die C 22 "Ikarus", ein modernes Ultraleichtflugzeug, lässt Flieger auch heute noch das Gefühl von "Anno dazumal" erleben

Bei Ihrem nächsten Flug in einem modernen Verkehrsflugzeug werden Sie, während Sie das exzellente Menü in der wohltemperierten Kabine genießen, möglicherweise daran denken, dass es den Pionieren von "anno dazumal", ihrem Mut, ihrer Risikobereitschaft und ihrer Geduld, die oben beschriebenen Strapazen zu ertragen, zu verdanken ist, dass wir heute sicher und komfortabel innerhalb weniger Stunden mit dem Flugzeug in alle Teile der Welt reisen können.

In Memoriam

Dieser Bericht ist all jenen Flugpionieren gewidmet, die den Fortschritt der Luftfahrt mit ihrem Leben bezahlen mussten und viel zu früh ihren allerletzten Flug angetreten haben.

Text & Fotos: CvD