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Pilot berichtet von seinem letzten MALÉV-Flug

Boeing 737-600 der Malev beim Start - Foto: Austrian Wings Media Crew
Boeing 737-600 der Malev beim Start; ein Bild, das nun offenbar der Vergangenheit angehört - Foto: Austrian Wings Media Crew

First Officer Csaba Demeter war einer jener MALÉV-Piloten, die mit der Flotte nach Irland flogen, um die geleasten Maschinen an die Leasinggeber zu retournieren. Auf Facebook veröffentlicht er diesen herzzerreißenden Bericht von seinem letzten Flug mit einer MALÉV-Maschine. Austrian Wings Redakteur Christian Pischlöger hat diesen emotionalen Bericht für unsere Leser übersetzt. Die Großschreibung zum Ausdruck der Emphase sowie die Verwendung von Emoticons ließ unser Redakteur dabei unverändert.

"Liebe Freunde, liebe Kollegen, liebe zweite Familie. Ich fühle unermesslichen Schmerz in mir und kann bis zum heutigen Tag nicht glauben, dass das wirklich passiert ist. Es ist passiert und es ist SO passiert. Ich habe sehr lange darauf vertraut und gehofft, dass es eine Lösung gibt, aber Freitag in der Früh weckte mich das Telefon, ich wollte es zuerst nicht glauben. DIE FIRMA HAT DEN BETRIEB EINGESTELLT :-(

Es muss schrecklich gewesen sein, so eine Entscheidung zu treffen und es auszusprechen: ES IST VORBEI. Mit einem Gefühl der Bitterkeit, des Zorns und unter Schock ging ich hinaus und packte meinen Kasten. Dann begannen sie jene Piloten zu suchen, welche die 737er an die Leasinggeber und Eigentümer zurückfliegen sollten. Natürlich war die erste Reaktion eines jeden, dass das nicht gehe, das komme überhaupt nicht in Frage. Warum sollten wir uns den letzten, entscheidenden Stoß selbst versetzen?????

Dann sind irgendwie die Gedanken klarer geworden, Informationen, wichtige Informationen haben uns erreicht, und ich habe beschlossen, wir haben beschlossen, dass ich an diesem letzten Flug teilnehmen möchte.

Aber es war nicht nur das.

Nachmittags um halb fünf herum versammelten wir uns im CREW CENTER. Wir kicherten, freuten uns zusammen und harrten gespannt der Dinge. Dann Richtung VORFELD. Jeder setzte sich in seinen für ihn bestimmten Flieger, in den vielleicht zu diesem Zeitpunkt für jedermann schönsten weißen Vogel mit blauer Nase und mit dem schönsten Logo auf dem Heck, das schönste, das ich je auf dem Heck einer Maschine gesehen habe. Da waren wir schon nicht mehr fröhlich, aber die Konzentration auf die Aufgabe und die Startvorbereitungen ließen uns die Gefühle vergessen. Aber als ich auf die sich nebeneinander aufreihenden Maschinen schaute, fühlte ich, dass das so nicht gut ist. Überhaupt nicht gut. :(

Dann fuhren wir los, schön in einer Reihe hintereinander, wir verabschiedeten uns und betonten das Call Sign vor der Flugnummer: MALÉV. MALÉV. Es war ein gutes Gefühl. :-) Die Anfahrt ging glatt, wir bekamen die Directs, 300-400NM Directs, als ob auch SIE wüssten, dass es nicht sicher ist, ob es noch jemals Gelegenheit zu helfen geben würde. Aber wir hatten Zeit, es gab keine Passagiere, nur wir zwei. Der Captain und der erste Offizier. Und der Vogel, der weiße Vogel mit der blauen Nase, BLUE NOSE.

Etwa um Mitternacht kamen wir in EINN an, in Reih und Glied landeten wir, ließen die Maschinen schön hintereinander rollen, auch damit erwiesen wir der vergangenen Ära Ehrfurcht. In einer Reihe auf den Rollbahnen blieben wir einer nach dem anderen auf den Parkpositionen stehen, stellten die Maschinen ab, packten aus, drehten die Lichter ab, unsere Maschinen wurden von der Dunkelheit umfangen. Es war ein schreckliches Gefühl, WIR MUSSTEN SIE DORT LASSEN. Wir hofften, dass vielleicht noch ein Telefonanruf käme, KOMMT ZURÜCK MIT ALLEN MASCHINEN, aber es war nur ein Traum oder ein schlechter Witz. Es kam kein Anruf. SIE BLIEBEN DORT. Jede einzelne. :(

Wir sollten mit der Retro-Dash HA-LQD nach Hause fliegen. Eine kleine, super-gute Maschine mit einer phantastischen Crew. Wir rissen uns zusammen, stiegen ein, aber unsere Stimmung wurde immer schlechter. Wir wussten, wo wir hinrollen würden. Und wir wussten, dass der Anblick nicht schön sein würde, aber jeder fühlte sich stark. Einige waren schon 24 Stunden wach, aber in diesem Augenblick war die Müdigkeit überhaupt nicht wichtig, überhaupt nicht entscheidend. Ich blickte aus dem Fenster und habe unsere Vögel gesehen. Die Lichter der Gebäude zeichneten mit künstlerischer Schönheit die Silhouetten unserer Boeings. Das Logo konnte man schon nicht mehr erkennen. Als ob es so komponiert geworden wäre.

VERDAMMT. Dicke Tränen begannen zu fließen..... Niemand, ich glaube niemand konnte sich mehr zurückhalten. Es war ein die Kehle zusammendrückendes, würgendes Gefühl wegzurollen und aufzusteigen. Als ob aus unseren Herzen ein Stück herausgerissen wurde. "ICH GLAUBE ES NICHT, DASS ICH SIE HIER LASSEN MUSS", wie ist das?

Na ja, so ist das halt. Wenn ich jetzt davon sprechen müsste, könnte ich es nicht :-(

Als ich 12 Jahre alt war, habe ich entschieden, dass ich gerne diesen Job machen möchte, auf diese Art und HIER und mit diesen Menschen zusammenarbeiten möchte. Es ist mir gelungen, wenn auch nicht sehr lange, aber es ist mir gelungen.

Ich bedanke mich bei Euch für die neun unvergesslichen Jahre und ich freue mich, dass ich ein Teil der Nationalen Ungarischen Fluggesellschaft, der MALÉV, sein durfte. Ich hoffe, dass ich noch mit Euch zusammenarbeiten darf, neben Euch, ZUSAMMEN, in der Luftfahrtindustrie, in einer Nationalen Fluggesellschaft.

Das schwirrt mir jetzt und sicher noch eine Weile durch den Kopf.

Ich bin die 29. Stunde wach, aber ich kann nicht schlafen."

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Links:

Fotos von Malev auf Airliners.net

Originalbericht des Piloten auf Facebook

(red)