Reportagen

Spins and More - das Interview

Bei Spins and More trainieren Piloten das Beherrschen und Ausleiten ungewöhnlicher Flugzustände - Foto: PR / Austrian Wings Media Crew
Bei Spins and More trainieren Piloten das Beherrschen und Ausleiten ungewöhnlicher Flugzustände - Foto: PR / Austrian Wings Media Crew

Im Jahr 2010 wurden laut Statistik Austria 110 Flugunfälle in Österreich verzeichnet. Das ist eine Zunahme von 19,6 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres. Im Bereich der so genannten "Allgemeinen Luftfahrt“ waren 64 Unfälle zu verzeichnen, womit die Steigerung mit 23,1 Prozent sogar deutlich über dem Durchschnitt lag. Zahlreiche Unfälle von Segel- und Motorflugzeugen sind auf Pilotenfehler zurückzuführen, nicht zuletzt auch auf Kontrollverlust durch den Piloten, nachdem das Luftfahrzeug in eine außergewöhnliche Fluglage geraten ist. Derartige "unusual Attitudes“ zu beherrschen, kann dem daher Piloten im Ernstfall das Leben retten. Mit Spins and More gibt es seit 2009 in Österreich ein Unternehmen, das sich darauf spezialisiert hat, Piloten das nötige Rüstzeug zu vermitteln, auch solche Situationen sicher zu meistern. Austrian Wings sprach mit Dr. Iris Melcher, der Geschäfsführerin über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Projekts.

Austrian Wings: Wer kam eigentlich wann und weshalb auf die Idee, ein Konzept wie es Spins and More anbietet, es in Österreich zu etablieren?

Iris Melcher: Die Idee stammt von Norbert Hundsberger, einem unserer Instruktoren. Er fliegt viele verschiedene Typen und macht selbst seit längerem Kunstflug. Dabei hat er sich - u.a. bei Trainings in den USA - mit den Themen Flugsicherheit, Upset Recovery Trainings und vielem mehr aktiv auseinander gesetzt und schließlich seine Freunde damit regelrecht infiziert (lacht). Wir drei, Norbert, Martin und ich (am Boden) waren dann bei "Spin Doctor" Rich Stowell, USA, auf Trainingskurs. Bei Stowell haben die beiden das komplette EMT-Programm erlernt. Wir sind die erste Flugschule, die das Emergency Maneuver Training nach der Methode von Rich Stowell in Europa anbietet, etwas worauf wir durchaus stolz sind.

Austrian Wings: Das klingt recht aufwändig. Wie muss man sich die Umsetzung eines solchen Projektes vorstellen, und wie lange dauerten die Vorbereitungen?

Iris Melcher: Das Projekt Spins and More entstand eigentlich recht flott. Zwar gab es seit 2006 immer wieder mal das Thema "Fliegen/Weiterbildung" bei uns, aber "ernst" wurde es dann erst 2009, in dem Jahr, in dem auch "Spins and More“ gegründet wurde. Nachdem endgültig feststand, dass wir selbst Flugsicherheitstraining mit einer Super Decathlon anbieten wollen, haben wir eine neue Maschine in den USA bestellt. Im Herbst 2009 waren wir auf Trainingscamp bei Rich Stowell, und dann kam auch schon unsere OE-AIM. Der Flieger wurde via Schiff nach Großbritannien befördert, von wo aus er fliegend nach Salzburg überstellt wurde. Mehr Arbeit war natürlich der von der ACG abgenommene EMT-Syllabus, der von Norbert und Martin sowie Dr. Dieter Reisinger, der auch am Institut für Flugsicherheit in Wien tätig ist, entwickelt wurde. Die Kurzform davon, ein 80-Seiten-Broschüre, erhalten alle Schüler, die das EMT absolvieren. Im August 2010 hatten wir schon die ersten sechs Kunstflieger "zur Prüfung", wobei wir Wert darauf legen, dass der Weg, sprich Upset Recoveries aus allen Lagen, dann erst die Kunstflugfiguren das Ziel ist.

Auf der voll kunstflugtauglichen OE-AIM findet der praktische Teil der EMT-Kurse statt - Foto: ON / Austrian Wings Media Crew
Auf der voll kunstflugtauglichen OE-AIM findet der praktische Teil der EMT-Kurse statt - Foto: ON / Austrian Wings Media Crew

Austrian Wings: Nach welchen Kriterien wurden Fluggerät und Standort/Homebase von Spins and More ausgewählt?

Iris Melcher: Das sind eigentlich zwei Fragen in einer. Ich möchte zuerst auf das Fluggerät, unsere Super Decathlon, eingehen. Norbert und Martin haben viel recherchiert und selbst natürlich einiges geflogen. Sie fanden, dass die Super Decathlon mit 180 PS und ihren Leistungsdaten ein ideales Trainingsgerät vor allem für Anfänger darstellt, denn sie ist gutmütig und doch für alles Kunstfliegerische zu haben, zumal sie sogar rückenflugtauglich ist. Und wie sich bei unserem Aerobatics-Trainingscamp in Vrsar gezeigt hat, lassen sich mit der Super Dec auch viele negative Figuren fliegen. Unser Chef-Coach Steff Hau aus Deutschland meint, selbst in der Intermediate-Klasse können wir damit künftig antreten. Bisher ist das Team von Spins and More bei der Staatsmeisterschaft (Ö 2011) in der Sportsman-Kategorie geflogen.

Austrian Wings: Und die Sache mit der Homebase, weshalb gerade Salzburg?

Iris Melcher: Wir schulen primär in Salzburg und Vilshofen, das sind unsere Haupt-Standorte. Salzburg ist Firmensitz, hier steht auch unsere gecharterte DA40, die wir für PPL-Schulungen und IFR-Unterricht verwenden und verchartern. Vilshofen ist die zweite Homebase, u.a. weil wir dort optimale Trainingsbedingungen vorfinden. Es gibt dort einige Waldgebiete mit Straßen, ideal für Orientierung im Kunstflug/EMT. Von Salzburg aus ist man hier zum einen durch die Alpen etwas begrenzt,zum anderen, weil ein kontrollierter Flugplatz /Kontrollzone natürlich nicht als Trainingsarea in Frage kommt. Wir müssten dann immer von LOWS aus etwa 20 Minuten in eine Kunstflugbox in den Kobernaußerwald fliegen, was nicht sehr ökonomisch wäre. Vilshofen ist zudem ein gut erreichbarer Standort, nur 180 Km von München entfernt und 30 Minuten Flugzeit von Salzburg.

Austrian Wings: Wo findet die Wartung der Maschine statt?

Iris Melcher: Auf unserer zweiten Homebase in Vilshofen. Hier haben wir neben einem komfortablen Hangarplatz auch eine sehr verlässliche Werft. Alll das gab/gibt es in Salzburg nicht für die Allgemeine Luftfahrt, leider!

Austrian Wings: Das bedeutet aber, dass ein Wiener Pilot erst nach Salzburg oder Bayern reisen muss, um die Trainings absolvieren zu können …

Iris Melcher: Mitnichten! Selbstverständlich bieten wie unsere Trainings in ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz an, eben überall dort, wo Interesse besteht! Wir fliegen mit der Super Dec zum Trainingsort und halten dann die EMT-Kurse ab. Ab sofort gibt es übrigens bei uns nicht nur Friendship-Tickets, sondern auch Gruppentarife. Damit wollen wir die Vereine oder auch Flugschulen motivieren, unsere Kurse zu absolvieren.

Austrian Wings: Das klingt alles sehr ambitioniert. Was ist für die Zukunft geplant?

Iris Melcher: In Planung ist auch ein Winter-Trainingscamp (WS 2013/14)in Spanien, ähnlich wie es die Golfer machen. Wenn das Wetter hier nicht mitspielt, fliegen wir eben der Sonne nach. Eines unserer Ziele ist es, dass es auch in der Business Aviation zum guten Ton gehört, neben regelmäßigen Simulatortrainings auch Upset Recovery in den Trainingsschedule aufzunehmen. Wir arbeiten dazu an neuen Produkten. Wir wollen im Bereich Upset Recovery Training der Anbieter in Europa werden.

Austrian Wings: Wenn ich richtig informiert bin, bietet Spins and More neben EMT-Kursen auch Spornradeinweisungen, Kunstflugtrainings und PPL-Kurse an. Es handelt sich also quasi um eine klassische Flugschule, mit Schwerpunkt Sicherheitstraining. Lässt sich das so umschreiben?

Iris Melcher: Die Aufzählung ist soweit richtig, aber unvollständig. Auf der DA-40 offerieren wir auch PPL-Ausbildungen mit individueller Betreuung und Einzelunterricht. IFR-Training machen wir gemeinsam mit der FTO Punitz. Dann gibt es noch Checkrides und spezielle EMT-Angebote für Fluglehrer.

Austrian Wings: Wie teilen sich derzeit die Teilnehmerzahlen prozentual auf die einzelnen Sparten auf? Wie viele Teilnehmer gab es seit Gründung von Spins and More in den jeweiligen Bereichen und wie ist das allgemeine Teilnehmerfeedback?

Iris Melcher: Wir hatten bisher etwa 80 EMT-Schüler, Damen wie Herren. Derzeit sind wir auf 10 Kunstflug-Absolventen mit EMT-Background stolz, darunter zwei Pilotinnen. Zwei weitere Schüler sind in der Endphase der Ausbildung, machen bestimmt heuer noch die Kunstflugprüfung. Schwerpunkt ist EMT-Kompakt, aber in jüngster Zeit merke ich eine Tendenz, dass sich "frühere Kunstflieger" wieder neu einschulen lassen wollen. Das Feedback der Teilnehmer ist durchwegs positiv, anbei zwei Beispiele:

"Du musst deine Sinne trainieren. Man kann nicht einfach umschalten, wenn es ernst wird. Ich nehme viel mit vom heutigen Training. Der Flieger ist super. Ich bin sicher, dass ich jetzt besser weiß, wie man reagieren muss, wenn man bei einem 'normalen Flug' - etwa in den Bergen - in Turbulenzen gerät.“ (Thomas)

"Durch das Kennenlernen dieser Ausnahmezustände habe ich bestimmt in ähnlicher Situation den Vorteil gegenüber anderen Piloten, dass ich die berühmte 'SCHRECKSEKUNDE' damit bereits gehabt habe und nicht in stoische Starrheit verfalle. Ich hoffe auch, dass dieses Thema eigentlich in die Flugausbildung stärker eingebaut wird.“ (Toni)

Austrian Wings: Welchen Background hast Du, das Du als Geschäftsführerin von Spins and More gelandet bist, wo doch die Luftfahrt nach wie vor stark männlich dominiert ist?

Iris Melcher: Tja, das kommt davon, wenn man "mitten im Leben" einen Tapetenwechsel braucht. Ich komme aus der Wissenschaft und Verlagsbranche. Daher ist meine Aufgabe bei Spins and More auch die Kommunikation und Organisation. Ich wurde, um meine fliegerische Mini-Laufbahn zusammenzufassen, von Norberts und Martins Begeisterung für Kunstflug, Sicherheitstraining und die Super Dec mitgerissen. Und fand - als Investorin der ganzen Sache - die Idee einfach gut, ja sogar längst überfällig. Wieso muss man als Fahranfänger im Auto Schleuderkurse machen, als junger Pilot/Pilotin aber nichts dergleichen?

Austrian Wings: Wir danken für das Gespräch und wünschen Euch weiterhin viel Erfolg!

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Foto- und Videoreportage “Emergency Manouver Training – EMT”

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Spins and More

(red)