Punktlandung

Bordservice adé - wer Air Berlin fliegt, zahlt drauf!

Wie viel Komfort braucht der Fluggast von heute, und was ist preislich attraktiv? Eine "Billigflug"-Beleuchtung angesichts aktueller Einschnitte im Bordservice bei Air Berlin.

Was ist schlecht am "Billigfliegen"? So lange die Sicherheits- und technische Qualität drumherum passen, und die Mitarbeiter faire Arbeitsbedingungen vorfinden, absolut nichts. Im Grunde hören wir von zahlreichen - vorrangig jungen - Passagieren, dass sie vieles an jahrelang etabliertem Schnickschnack an Bord eines Flugzeuges gar nicht zwingend brauchen, oft auch tadellos mit Handgepäck das Auslangen finden, und ein dafür günstiger Flugpreis kaufentscheidend ist.

Markus, 27, sagt etwa: "Wenn ich für einen Wochenendtrip nach London fliege, brauche ich auf meiner Reise kein Gratisgetränk, keine kostenlose Zeitung, keinen reservierten Sitzplatz und kein Bordentertainment. Typischerweise reicht auch Handgepäck. Und nötigenfalls könnte ich mir ja relevante Bausteine, wie etwa extra Gepäck, optional hinzukaufen."

Keine Frage, das Konzept der Billigflieger geht auf. Ryanair, EasyJet & Co. machen es vor: Mit Basiskomfort um wenig Geld von A nach B zu fliegen, liegt im Trend. Dass es dabei um die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter nicht immer hervorragend bestellt ist, dürfte zwar mittlerweile auch den meisten klar sein. Andererseits ist das bei den oft so hochgelobten Fünf-Sterne-Fluglinien aus dem Mittleren Osten auch nicht anders.

Vice President Corporate Sales Airberlin Stefan Magiera bei Präsentation
Stefan Magiera, 2014 in Wien: "Air Berlin ist und war nie eine Billigfluggesellschaft!" - Foto: M. Klein / Austrian Wings Media Crew

Doch wer sich als Komfort-Airline anpreisen möchte, sollte auch zumindest einen gewissen Mindeststandard an selbigem erfüllen. Die schwer angeschlagene Air Berlin samt Österreich-Tochtermarke NIKI bemüht sich seit Jahren händeringend, ihr "Billigflieger-Image" loszuwerden. Das versuchte auch Stefan Magiera, Vice President Corporate Sales der Airline, vor den Austrian Wings Kameras auszudrücken, als er anlässlich des 2014 in Wien-Schwechat neu eröffneten Wartebereichs zu Protokoll gab: "Wir sind keine Low-Cost-Fluggesellschaft im Sinne von niedrigem Service. Das waren wir auch nie. Wir sind eine Full-Service-Fluggesellschaft. Wir bieten unseren Gästen vollen Service an, sowohl an Bord als auch am Boden."

Nun stellt die von vielen Brancheninsidern bereits angezählte Airline ihr Gratis-Getränkeservice an Bord ein. Künftig wird es Erfrischungen nur noch gegen Bares geben, heißt es. Noch heuer soll das "neue Konzept" schlagend werden; wann genau, ist noch nicht bekannt. Auch Condor kassiert ab November 2016 neuerdings für Getränke oder Snacks.

Getränke oder Snacks wird es bei Air Berlin in Kürze nur noch gegen Zuzahlung geben - Symbolfoto: M. Dichler
Getränke oder Snacks wird es bei Air Berlin in Kürze nur noch gegen Zuzahlung geben - Symbolfoto: M. Dichler

Kühlen Rechnern, die sich am Flugpreis orientieren, und ein billiges Ticket dem gewohnten "Bordkomfort" vorziehen, mag die fehlende Limonade kaum sauer aufstoßen. Doch gibt die finanziell ächzende Air Berlin den Preisvorteil aus ihrer Servicereduktion auch wirklich an ihre Kunden weiter? - Die Stichprobe zeigt: Für einen Wochenendtrip vom 3. bis zum 4. Dezember von Wien nach London werden für das umsteigefreie Return-Ticket bei der deutschen Gesellschaft aktuell € 388,30 fällig. Bei Ryanair gibt es den vergleichbaren Trip, Abflug aus dem slowakischen Bratislava nach London-Stansted und retour, um € 65,98. Per EasyJet ist man im ausgewählten Reisezeitraum nach London-Luton ab € 78,27 dabei. (Ganz nebenbei: Beim via Air Berlin angefragten London-Flug sitze ich übrigens, codesharekonform, in einem British Airways-Flieger. Buche ich den Trip direkt über den englischen Carrier, kostet er nur noch € 147,30. Bordverpflegung inkludiert.)

Warum aber nicht gleich nach Berlin, Namensträger der deutschen Airline? Für meinen Ausflug zum Junggesellenabschied eines Freundes am 29. Oktober mit Rückflug am Folgetag müsste ich aktuell bei Air Berlin - wohl "bordservicefreie" - € 169,19 löhnen. Ryanair fliegt mich um € 50,98.

Billige Tickets, dafür kostenpflichtiger Bordservice: bei Ryanair war dies seit jeher Standard. Air Berlin zieht beim "Körberlgeld an Bord" jetzt nach, bleibt ähnlich günstige Tickets wie Ryanair jedoch schuldig. - Foto: G. Aigner / Austrian Wings Med
Billige Tickets, dafür kostenpflichtiger Bordservice: bei Ryanair war dies seit jeher Standard. Air Berlin zieht beim "Körberlgeld an Bord" jetzt nach, bleibt ähnlich günstige Tickets wie Ryanair jedoch schuldig. - Foto: G. Aigner / Austrian Wings Media Crew

Es stimmt schon. Viele Fluggäste können auf "inkludierten Bordkomfort" im Sinne von Getränken oder anderen Goodies tadellos verzichten, wenn sie im Gegenzug preislich attraktive Tickets erhalten. Doch zum Vergleich: Mit Austrian Airlines könnte ich - Getränke an Bord inklusive - meinen fiktiven London-Trip mit attraktiven Tagesrandflügen um € 139,70 buchen, das sind 64 % Preisvorteil gegenüber Air Berlin. Den Hauptstadt-Partytrip nach Deutschland trete ich mit der rot-weiß-roten Lufthansa-Tochter um € 170,19 an - quasi derselbe Preis wie bei Air Berlin, Bordsnack aber - wenn mir selbiger tatsächlich wichtig wäre - inkludiert.

Wer als Qualitätscarrier wahrgenommen werden möchte, muss dafür wohl auch ein Mindestmaß an Servicequalität bieten. Wer hingegen die preisbewusste Zielgruppe ansprechen möchte, sollte dafür auch attraktive Tarife bereithalten, wenn der Zusatzkomfort drumherum schon drastisch reduziert wird.

Mit ihrer aktuellen Rotstift-Offensive beim Bordservice darf Air Berlin sich jedoch nicht wundern, wenn viele Fluggäste das Unternehmen zwar wunschgemäß nicht als "Low Coster", dennoch aber "Billigflieger" wahrnehmen.

Text: AG
Titelbild, Symbolfoto: CZ / Austrian Wings Media Crew

Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.