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Lion Air Crash: Computerfehler trimmte Jet kopflastig

Die Unglücksmaschine - Foto: Wiki Commons

Im Fall der am 29. Oktober abgestürzten Boeing 737 MAX 8 der Lion Air gibt es wichtige Erkenntnisse.

Die Boeing 737 MAX 8, PK-LQP, der Lion Air war - wie berichtet - kurz nach dem Start in Jakarta mit hoher Geschwindigkeit im steilen Winkel ins Meer gestürzt. Alle 189 Insassen an Bord kamen dabei ums Leben. Nun wurden auf Basis der ersten Auswertung des Flugschreibers wichtige Erkenntnisse zur Unglücksursache gewonnen.

Offenbar führte ein fehlerhafter Sensor für den Anstellwinkel (Angel of Attack, kurz AoA) dazu, dass sich ein automatisches Sicherheitssystem aktivierte, das so genannte Maneouvering Characteristics Augmentation System (MCAS). Diese Einrichtung führt dazu, dass die Bordcomputer, basierend auf den Daten des AoA-Sensors, das Flugzeug automatisch kopflastig (nose down) trimmen, wenn ein Strömungsabriss (Stall) bevorsteht, um einen solchen zu verhindern. Im konkreten Fall waren die Messdaten, die dem System einen Strömungsabriss signalisierten und zur Aktivierung des MCAS führten, allerdings falsch. Während die Trimmräder sich immer schneller "nose down" drehten, versuchten die Piloten mit "nose up"-Trimmeingaben über die elektrischen Trimmschalter am Steuerhorn gegenzusteuern, verloren jedoch die Kontrolle und der Jet stürzte ins Meer.

Kritiker bemängeln, dass Boeing die Betreiber der 737 MAX über das Vorhandensein von MCAS nicht in ausreichendem Maße informiert habe. Boeing hält dem entgegen, dass es ein Standardverfahren im Falle eines "Stabilizer Trim Runaway" gibt, das unabhängig von dessen Ursache zu befolgen ist. "Trim Runaways" treten nämlich nicht erst seit Einführung der 737 MAX auf, sondern existieren schon seit den Tagen der Boeing 707, weshalb die korrekte Reaktion der Piloten darauf bei Qualitätsfluglinien mit hoher Sicherheitskultur regelmäßig im Simulator trainiert wird. Ob dies auch bei Lion Air der Fall war, ist noch unklar. Indonesische Fluglinien hatten in der Vergangenheit eine ausgesprochen negative Sicherheitsbilanz, standen sogar auf der Schwarzen Liste der EU. Auch Lion Air hat zahlreiche Un- und Zwischenfälle innerhalb der vergangenen Jahre zu verzeichnen gehabt.

Die erste Maßnahme im Falle einer falschen automatischen Trimmung bei einer Boeing 737, ungeachtet von deren Ursache, ist das Betätigen der "Cutout"-Schalter durch die Piloten, wie in diesem Video (Boeing 737 Classic-Simulator) ab Minute 2:56 dargestellt wird. Lässt sich der "Stabilizer Trim Runaway" dadurch nicht stoppen, müssen die Piloten durch einen beherzten Griff zu den Trimmrädern deren Bewegung und damit das weitere Vertrimmen der Maschine aufhalten. Beide Maßnahmen unterblieben aber offenbar durch die Piloten der abgestürzten Lion Air Maschine.

Trotzdem wird das MCAS der Boeing 737 MAX weltweit in Pilotenkreisen kontrovers diskutiert. Die Mehrzahl der Flugzeugführer kritisiert Boeing für die mangelnde Dokumentation. Andere stehen dagegen auf dem Standpunkt, dass es heutzutage unmöglich sei, alle im Hintergrund automatisch arbeitenden Systeme zu kennen und es ohnedies - wie erwähnt - Standardverfahren für eine Fehlfunktion der Trimmung gebe, die unabhängig von deren Ursache anzuwenden seien. Die Piloten müssten deshalb initial überhaupt nicht wissen, weshalb es zu einem "Trim Runaway" kommt, sondern lediglich entsprechend darauf reagieren.

(red HP)