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Historisch: Wie ein Flugzeugdieb am Flughafen Wien bis ins Cockpit gelangte

Die OE-DHU am Flughafen Wien; sie wäre fast Opfer eines Flugzeugdiebs geworden; Diese war später über viele Jahre am Spitzerberg stationiert, ehe sie 2019 nach Ungarn verkauft wurde - Foto: Gerhard Grubers Luftfahrtgeschichten

Es kommt ja manchmal vor, dass Autos gestohlen werden. Hin und wieder passiert es, dass auch Flugzeuge gestohlen werden, aber dass ein Flugzeug von wem gestohlen wird, welcher vorher noch nie ein Flugzeug gesteuert hat, ist vermutlich eine ganz besondere Rarität. Der von Cpt. Gerhard Gruber geschilderte Vorfall trug sich im Jahr 1984 zu und ging zum Glück glimpflich aus.

Es war ein Sommertag im Jahr 1984, als ein freundlicher Mann zum General Aviation Center (GAC) am Flughafen Wien kam und selbstbewusst die Schlüssel unserer Piper Warrier mit dem Kennzeichen OE-DHU verlangte. Ohne Bedenken wurden ihm die Schlüssel überreicht und er machte sich auf den Weg über das Vorfeld zum Flugzeug. Die Abläufe im GAC und den Abstellplatz des Flugzeuges kannte er, weil er einige Wochen zuvor bei einen Rundflug als Passagier mitgeflogen ist.

Der Dieb, nennen wir ihn Kurt, hatte offensichtlich alles genau geplant und sogar das Flugzeug in der Wiener Zentrale telefonisch reserviert. Die Sekretärin dachte sich nichts Böses dabei. Der Eigentümer, Walter Haider, hatte einen großen Freundeskreis bei den Piloten und es war kaum möglich, jeden Anrufer genau zu kennen.

Frei nach unserem Werbeslogan „Do it in the Sky“ setzte er sich in das Flugzeug, hatte jedoch mit dem Motorstart ein Problem. Er startete, ohne den Gemischregler nach vorne zu schieben. Die Startversuche mit dem treibstofflosen Motor fanden daher bald mit einer leeren Batterie ihr Ende. Kurioserweise hatten die Hangarwarte Erbarmen mit ihm und halfen mit einem Batteriewagen aus. Sie gaben ihm auch noch von außen Tipps für den Gemischregler, so dass der Motor letztlich ansprang.

Erfreut, dass der Motor lief, schaltete Kurt das Funkgerät ein und ersuchte den Tower um Rollgenehmigung zur Startbahn. Die Towerleute suchten verzweifelt einen Flugplan, und als sie den nicht fanden, teilten sie mit, dass vor dem Rollen ein Flugplan aufzugeben ist. Er stellte den Motor daher wieder ab und ging in das GAC. Dort füllte er das Flugplanformular aus und legte es unter die Kamera, damit es die Personen in der 2 km entfernten Flugsicherungsstelle lesen können.

Was sie sahen verursachte große Augen. Es fehlten die richtigen Abkürzungen und die Eintragungen waren durchwegs falsch und klarerweise sehr laienhaft. Sie ersuchten Kurt daher, dass er seine Pilotenlizenz in die Kamera zeigt. Als er das nicht konnte, baten sie ihn, zu der personenbesetzten Flugsicherungsstelle zu kommen. Spätestens jetzt wäre jeder geflüchtet, aber unser „Spezialist“ machte sich tatsächlich auf den Weg ins Verderben.

Bei den Beamten angekommen erklärte er, dass er eigentlich gar keinen Flugschein hat, er aber mit Freunden gewettet habe, dass er mit dem Flugzeug nach Klagenfurt fliegen kann. Dies war der Moment, wo sie die Polizei riefen, welche die Personalien aufnahm und Anzeige erstattete. Der verhinderte Abenteurer ließ alles locker über sich ergehen und setzte dem Ganzen noch eines drauf, indem er sagte: „jetzt wo ich schon da bin, könnte ich doch gleich den Flugschein machen.“

Um derartige Vorfälle künftig auszuschließen, wurde ab 3.9.1984 ein striktes Verfahren für die Schlüsselausgabe eingeführt.

Text & Foto: Gerhard Gruber (hier geht's zu Gerhard Grubers Luftfahrtgeschichten)