Reportagen

Vor 50 Jahren: Schwerstes Flugzeugunglück auf heimischem Boden

Wer an das schwerste Unglück der österreichischen Luftfahrt denkt, dem fällt sofort der Absturz der Lauda Air Boeing Mozart ein, über den Austrian Wings anlässlich des 20. Jahrestages der Katastrophe als einziges österreichisches Medium ausführlich berichtet hatte. Gemessen an der Anzahl der Todesopfer (223) ist das auch korrekt, doch nur wenige wissen, dass sich das schlimmste Flugzeugunglück auf österreichischem Boden vor fast genau 50 Jahren ereignete. Beim Absturz einer Bristol Britannia in Tirol starben 83 Menschen. Austrian Wings blickt zurück.

Am 29. Februar 1964 hob die Bristol Britannia 312 mit der Registrierung G-AOVO (cn 13423) als Flug British Eagle 802 um 13:04 Uhr (Ortszeit Tirol) in London Heathrow mit Ziel Innsbruck ab. Die 1958 gebaute Maschine stand unter dem Kommando des 40-jährigen Ellis Wyn Williams, der zuvor bereits neun Mal auf dem als anspruchsvoll geltenden Airport Innsbruck inmitten der Alpen gelandet war.

Die vier Turboprop-Triebwerke der Maschine leisteten mehr als 4.000 PS, die Spannweite betrug rund 43 Meter, die Länge 38 Meter. Neben Kapitän Williams gehörten noch der Erste Offizier Metcalfe Davison (41) sowie der in Polen geborene 33-jährige Bordingenieur Andrzej Rusin und fünf Flugbegleiterinnen, damals noch Stewardessen genannt, zur Besatzung. Zusammen mit den 75 Passagieren befanden sich somit 83 Menschen an Bord des nur 6 Jahre alten Flugzeuges. Der Flug verlief zunächst völlig ereignislos.

Über dem deutschen Ramstein (das 1988 durch ein schweres Unglück auf einer Flugshow traurige Berühmtheit erlangte) nahm die Besatzung erstmals Kontakt mit der Flugsicherung Innsbruck auf und erhielt die aktuellen Wetterberichte für Innsbruck, Kufstein, Seefeld und Schreiben.

Gegen 14:45 meldete Kommandant Williams, dass sich die Maschine über Kempten befand und er jetzt von IFR auf VFR wechselte. Zu diesem Zeitpunkt herrschte über dem Innsbrucker Flughafen eine 5/8 Stratocumulus Bedeckung in 4.700 Fuß und eine 7/8 Altostratus Bedeckung in 10.000 Fuß Höhe. Der Wind kam mit sieben Knoten aus 120 Grad. Eine Wetteränderung war in den kommenden drei Stunden nicht zu erwarten.

Eine Viertelstunde später gab die Besatzung über Funk durch, dass sie kein Loch in der Wolkendecke finden könne, deshalb zum Funkfeuer Patscherkofel weiterfliegen und dort Warteschleifen drehen werde. Kurz nach 15:05 Uhr meldete der Pilot diese Position und eine Flughöhe von 11.000 Fuß. Auf seine Frage, ob die Fluglotsen in Innsbruck ein Loch in der Wolkendecke sehen können, erhielt er eine negative Antwort.

Zu diesem Zeitpunkt startete eine Maschine der Swissair in Innsbruck und eine Vickers Viscount der AUA meldete aus dem Raum Kufstein Sichtweiten von 10 bis 15 Kilometer. Die Besatzung im Cockpit der British Eagle Britannia hörte diesen Funkspruch ebenfalls.

Die AUA-Besatzung äußerte gegenüber dem Innsbrucker Tower die Meinung, dass es für die Britannia möglich sein müsste, zwischen den Wolken auf einer Höhe von 6.000 bis 7.000 Fuß durch das Inntal den Flughafen anzufliegen.

Die Fluglotsen fragten daraufhin mehrmals bei der British Eagle Crew nach, ob diese das Gespräch mitgehört habe, erhielten jedoch keine Antwort mehr.

Zwischenzeitlich setzte die Viscount der AUA sicher in Innsbruck auf, und die Nachforschungen nach dem Verbleib des britischen Flugzeuges liefen auf Hochtouren. Es gelang den Lotsen nicht, Verbindung mit der Crew aufzunehmen und auch eine Anfrage beim Flughafen München, ob die Maschine eventuell dorthin ausgewichen sei, wurde negativ beschieden. Denn laut den Vorschriften von British Eagle hätte München bei schlechtem Wetter als Ausweichflughafen angeflogen werden müssen. Daher stellte man sich jetzt auf das Schlimmste ein und begann mit einer großangelegten Suchaktion.

Weil man jedoch keine genaue Position der vermissten Maschine wusste, gestaltete sich der Einsatz als schwierig, auch das Wetter war noch immer sehr schlecht.

Das abgerissene Höhenleitwerk der Maschine an der Unglücksstelle - Foto: Archiv Austrian Wings
Das abgerissene Höhenleitwerk der Maschine an der Unglücksstelle - Foto: Archiv Austrian Wings

Erst eine in Schottland gestartete US-Aufklärungsmaschine entdeckte 22 Stunden nach dem Unglück das Wrack der Britannia im Glungezergebiet. Parallel dazu starteten Edi Bodem und Hans Neumayr vom Innenministerium mit zwei Piper Supercub und flogen in Richtung der Unglücksstelle. Die Vermutung wurde zur tragischen Gewissheit. "Wir entdecken keinerlei Lebenszeichen", funkte Pilot Neumayr an die Bodenstelle und sein Kollege Bodem ergänzte: "Die Maschine ist zerschellt, Leichen liegen im Geröll, der Schnee ist von Kerosin getränkt."

So rasch es das Wetter (es herrsche noch immer Lawinengefahr) zuließ, wurde mit der Bergung des Wracks und der Leichen begonnen. Bei der Unfalluntersuchung stellte sich heraus, dass das Flugzeug beim Aufprall in 2.600 Meter Höhe eine Lawine ausgelöst hatte, die das Wrack und die Insassen unter sich begraben und mehrere hundert Meter mitgerissen hatte.

Verbogene Teile des Instrumentenpanels aus dem Cockpit - Foto: Archiv Austrian Wings
Verbogene Teile des Instrumentenpanels aus dem Cockpit - Foto: Archiv Austrian Wings

Als Auslöser für das Unglück stellten die Ermittler einen Pilotenfehler fest. Die Besatzung habe beim Versuch, durch die Wolken zu fliegen, die sichere Mindestflughöhe unterschritten und sei deshalb mit dem Berg kollidiert.

In dem Unfallbericht heißt es unter anderem:

„Das Ergebnis aller technischen Einzeluntersuchungen, über die ganze Bände geschrieben wurden, war eindeutig: Das Flugzeug hatte keinen Defekt. Die Untersuchung des Elektro-Panels ergab, dass ein Versagen der elektrischen Bordanlagen auszuschließen ist. Auch eine Explosion an Bord war auszuschließen. Aus technischer und medizinischer Sicht war der Unfall nicht zu erklären. Die Obduktion der Piloten brachte keine Hinweise auf gesundheitliche Probleme. Es musste also andere Ursachen geben.“

Besonders tragisch war der Umstand, dass die Besatzung zum Zeitpunkt der Kollision bereits wieder ein einen Steigflug übergangen war und nur 79 Meter zum sicheren Passieren des Berggipfels gefehlt hatten.

Der Glungezer, welcher der Britannia in dichtem Schneetreiben zum Verhängnis wurde - Foto: Haneburger via Wiki Commons
Der Glungezer, welcher der Britannia in dichtem Schneetreiben zum Verhängnis wurde - Foto: Haneburger via Wiki Commons

Unter den 83 Opfern befand sich nur eine Österreicherin, die 20-jährige Rotraut Lackner - sie hatte die vergangenen fünf Monate in Großbritannien verbracht und befand sich nun auf der Heimreise. Die übrigen Insassen waren britische Staatsbürger. Fast alle Passagiere waren auf dem Weg in den Skiurlaub nach Tirol. Vier Jahre nach dem Unglück stellte die Fluggesellschaft British Eagle den Betrieb ein.

Heute erinnert ein Gedenkstein an der Absturzstelle an das schwerste Flugzeugunglück auf österreichischem Boden.

Eine in Deutsch und Englisch gehaltene Inschrift erinnert an die Opfer des Unglücks - Foto: Hejkal via Wiki Commons
Eine in Deutsch und Englisch gehaltene Inschrift erinnert an die Opfer des Unglücks - Foto: Hejkal via Wiki Commons

(red CvD / Titelbild: Eine Bristol Britannia von British Eagle, ähnlich der Unglücksmaschine - Foto: Wiki Commons)