Reportagen

Vor 55 Jahren: Das Weihnachtswunder von Schwechat

Am 24. Dezember 1958 stürzte eine Lockheed Constellation L-749A der Air France während des Landeanfluges auf die Piste 29 des Flughafens Wien Schwechat kurz vor der Landebahn ab. Alle 34 Insassen überlebten den Crash, der als das "Weihnachtswunder von Schwechat" in die Annalen der österreichischen Luftfahrtgeschichte eingegangen ist. Austrian Wings beleuchtet am heutigen Weihnachtstag die dramatischen Ereignisse, die sich vor mehr als einem halben Jahrhundert abspielten.

Am Nachmittag des 24. Dezember 1958, einem Mittwoch, startete die Constellation L-749A der Air France in Paris Orly. Die viermotorige Maschine (Baujahr 1947, 30.000 Flugstunden) mit dem Kennzeichen F-BAZX flog zunächst vollbesetzt mit 65 Passagieren nach Stuttgart und anschließend weiter nach München Riem. Die letzte Etappe des Fluges sollte das Flugzeug nach Wien-Schwechat führen. Auf diesem Teilstück befanden sich 6 Besatzungsmitglieder und nur noch 28 Passagiere, darunter der bekannte 1999 verstorbene Schauspieler Walther Reyer, an Bord. Kapitän des Fluges war der 39-jährige Pierre Candau, ein erfahrener Pilot, denn die Constellation galt als anspruchsvoll zu fliegen. Der Start in München erfolgte mit rund 30 Minuten Verspätung, sodass die um 21:20 Uhr geplante Landung in Wien nicht zu schaffen war.

Das Wetter auf diesem letzten "Leg", wie es in der Fachsprache heißt, war verhältnismäßig schlecht, die Wolken hingen tief und es regnete. Doch die Wetterminima waren nicht erreicht, eine sichere Landung schien durchaus problemlos möglich.

Die Flugsicherung wies Kapitän Candau an, auf der Piste 12 (so wurde die heutige 11 damals bezeichnet) zu landen, da nur diese zum damaligen Zeitpunkt über ein Instrumentenlandesystem verfügte. Doch durch einen heftigen Rückenwind war die Maschine zu schnell, woraufhin der Lotse am Boden ein Durchstartmanöver befahl. Die "Conny" sollte nun von der anderen Seite gegen den Wind anfliegen und nach Sicht auf Piste 30 (heute als Piste 29 bezeichnet) landen. Es war etwa 22 Uhr Ortszeit.

Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Flugzeug bereits unterhalb der Wolkendecke, die Crew hatte nach eigenen Angaben Bodensicht, sodass dieses Manöver trotz des schlechten Wetters durchführbar erschien, zumal glücklicherweise kein Bodennebel herrschte.

Während einer Linkskurve in rund 100 Metern Höhe sackte die Maschine nach Angaben der Piloten plötzlich um 50 Meter ab - sie vermuteten eine "Fallbö". Die Männer zogen sofort am Höhenruder, doch dieses reagierte nicht, wie die "Arbeiter Zeitung" in ihrer Ausgabe vom 28. Dezember 1958 schrieb.

Den Flugzeugführern gelang es noch, das Flugzeug wieder in den Horizontalflug zu bringen, doch da streifte es bei Kleinneusiedl einen Schuppen sowie eine Telefonleitung und schlug anschließend auf dem morastigen Boden auf, schlitterte noch einige hundert Meter und kam dann schwer beschädigt zum Stillstand. Der Unglücksort lag rund 2,2 Kilometer vor der Piste 29 und rund drei Kilometer vom Flughafengebäude entfernt.

Die Menschen in der Kabine wussten nicht, wie ihnen geschehen war, doch glücklicherweise war keiner der Passagiere ernsthaft verletzt. Eine der vorderen Türen war durch den Aufprall aufgesprungen, einem Flugbegleiter gelang es, den blockierten hinteren Notausstieg zu öffnen. So konnten alle 28 Passagiere das abgestürzte Flugzeug zügig verlassen.

Schlimmer hatte es dagegen die Männer im Cockpit erwischt - Flugkapitän Candau war aus der Maschine geschleudert und schwer verletzt worden, Bordingenieur George Chasseigne war eingeklemmt und musste vom Flugbegleiter befreit werden. Der Erste Offizier konnte sich selbst in Sicherheit bringen.

Geistesgegenwärtig schrie jemand, dass man so weit wie möglich von der Maschine weglaufen müsse, da diese jederzeit explodieren könne, und so entfernten sich alle Insassen rasch von der Maschine, die rund 10 Minuten nach dem Aufprall tatsächlich in einem riesigen Feuerball aufging. Das bemerkten auch die Lotsen im Tower und lösten Großalarm aus, während in der Ankunftshalle am Flughafen Abholer von Passagieren des Fluges 703 auf ihre Lieben warteten und aufgrund der Verspätung zunehmend unruhig wurden.

Nun standen die verletzten und geschockten Überlebenden am Weihnachtsabend bei Regen in der Kälte und warteten auf ihre Rettung, die zunächst aber nicht kam, da Feuerwehr- und Rotkreuz-Fahrzeuge im schlammigen Morast nicht zur Unfallstelle vordringen konnten.

Und so waren es vom Gendarmerieposten Schwadorf organisierte Privatfahrzeuge, welche zunächst die beiden schwerverletzten Besatzungsmitglieder abtransportieren, später gelang es auch dem Roten Kreuz zum Einsatzort vorzudringen und alle Verletzten in die Spitäler einzuliefern.

Das ausgebrannte Wrack der Unglücksmaschine - Foto: Archiv Austrian Wings Media Crew
Das ausgebrannte Wrack der Unglücksmaschine - Foto: Archiv Austrian Wings Media Crew

Die meisten Passagiere konnten die Krankenhäuser nach kurzer Zeit verlassen, nur der Kapitän und der Flugingenieur mussten 14 Tage lang das Krankenbett hüten.

Die genaue Absturzursache wurde niemals vollständig geklärt, es wird jedoch angenommen, dass nicht allein eine Windbö dafür verantwortlich war. Vielmehr habe der Kommandant beim Durchstartmanöver das Fahrwerk und die Landeklappen nicht eingefahren und sei die Linkskurve außerdem vermutlich zu tief geflogen. Dort sei die Maschine dann möglicherweise von einem Windstoß erfasst und zu Boden gedrückt worden. Aufgrund der geringen Flughöhe konnten die Piloten dies nicht mehr verhindern. Ein von ihnen angegebenes Versagen des Höhenruders konnten die Unfallermittler jedenfalls nicht verifizieren.

(red CvD / Titelbild: Eine Lockheed Constellation von Air France, ähnlich der Unglücksmaschine, Symbolbild - Foto: RuthAS / Wiki Commons)