Punktlandung

Kommentar zur Air Berlin-Pleite: Zerstückelung und Konsolidierung startet

Air Berlin (NIKI) ist derzeit in aller Munde, Symbolbild - Foto: GF / Austrian Wings Media Crew

„Alle Flüge der Air Berlin und Niki finden weiterhin statt“, versicherte die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft am Dienstag. Knapp davor hatte die chronisch defizitäre Airline einen Insolvenzantrag gestellt. „Und wie geht‘s weiter bei Air Berlin und Alitalia?“ fragen sich alle, Kunden, Mitarbeiter, Aktionäre und Mitbewerber. Ein Kommentar des Österreichischen Luftfahrtverbandes aus gegebenem Anlass.

„Wir sind bereits mitten in der Konsolidierung des europäischen Luftverkehrs. Große werden profitieren. Kein Investor, keine andere Fluglinie will einen insolventen Carrier gesamtheitlich kaufen. Wenn dann werden es nur Filetstücke sein, die am Markt gut gehandelt werden können“ sagt Luftfahrt-Präsident Mario Rehulka. „Bei Air Berlin sind es die Slots in Berlin und Düsseldorf, bei Alitalia der relativ kleine Interkontinentalverkehr. Bei beiden geht es um Marktanteilszugänge und Kundenpotential. Damit umgeht man die kartellrechtlichen Einschränkungen und vor allem bisher unlösbare Tarifverträge mit den Crews“.

Fachleute beurteilen die Zerstückelung folgendermaßen:

Air Berlin wird in kleineren Ausmaß weiterfliegen, jedoch im Auftrag anderer Fluglinien, die ihnen Slots in Berlin und Düsseldorf abkaufen. In dieser Zerstückelung können Lufthansa und easyJet sein. Alles was Wert zeigt, wird verkauft. Etihad muss für die Schulden gerade stehen.

Niki operiert viel günstiger als Air Berlin. Für Niki ändert sich vorerst nichts. Der vereinbarte und bevorstehende Verkauf an Etihad ist für die Araber noch ein Glücksdeal. Später werden sie versuchen, den 49 Prozent-Anteil höchstmöglich zu verkaufen.

Bei Alitalia ist eine Gesamtübernahme des Unternehmens aus arbeitsrechtlichen Gründen unmöglich geworden. Ryanair beherrscht den inner-italienischen Markt bereits zu 40 Prozent und wird ohne großes Zutun die Präsenz verstärken. An Slots sind sie jedoch interessiert. Im Langstreckenverkehr wird es sicherlich Angebote von Mitbewerbern geben.

Die Insolvenz der Air Berlin hat sich ja schon angedeutet und jetzt werden Branchenschnitte gesetzt. 1,2 Milliarden Schulden, hauptsächlich getragen durch Etihad Airways aus Abu Dhabi sind den Arabern genug. Desgleichen die 3,5 Milliarden Schulden der Alitalia. Beide Fluglinien großer europäischer Länder werden verkauft bzw. zerstückelt.

Air Berlin ist pleite. Ende 2011 kam die arabische staatliche Airline Etihad als Retter und mit 29,2 Prozent Anteilseigner zur schon damals finanziell klammen zweitgrößten deutschen Fluglinie.

Dass es um die Air Berlin nicht gut stand, war in der Branche schon lange bekannt. Schon im April dieses Jahres flossen 250 Millionen Euro an zusätzlichen Mitteln an die Air Berlin, weitere 350 Millionen Euro waren im gleichen Monat noch zugesagt; davon hätten in der Vorwoche 50 Millionen überwiesen werden sollen – doch dazu kam es nicht.

Unter anderem deshalb reiste Lufthansa-Chef Carsten Spohr Anfang Mai mit der Bundeskanzlerin nach Abu Dhabi, um in Gesprächen mit der Regierung nach einer Lösung für Air Berlin zu suchen. Die wurde zunächst zwar nicht gefunden. Allerdings sagten die Scheichs zu, ihren Ableger zumindest bis zum Spätherbst 2018 weiter zu alimentieren. Jetzt kam es anders. Abu Dhabi drehte den Geldhahn zu. Der deutschen Bundesregierung blieb nichts anderes übrig, als schnell zu reagieren. Sie gibt Air Berlin einen Übergangskredit von 150 Millionen Euro, damit der Flugbetrieb für rund drei Monate, also bis November 2017, gesichert sei, so die deutsche Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries.

Bei Alitalia ist ein Rettungsversuch der Fluglinie im April gescheitert. Die Belegschaft des Unternehmens hat sich gegen einen Plan von Management und Gewerkschaft gestellt; im Mai ist ein Insolvenzverfahren eingeleitet worden. Insider sprechen davon, dass der Alitalia die Kontrolle über ihre Finanzen vor der Insolvenz völlig entglitten sei. Allein im ersten Quartal heuer flog die Airline 300 Millionen Euro Verlust ein - die italienische Regierung half mit einem Hilfskredit aus. Die Schulden bewegen sich in der Höhe von 3,5 Milliarden Euro.
Die Beteiligung von Etihad an Alitalia hält noch bis Anfang Oktober. Bis dann werden
die Sonderverwalter der Airline Angebote erhalten.

Neben Ryanair und easyJet sollen darunter auch Lufthansa, British Airways, Alitalia-Großaktionär Etihad, Air Asia und Delta Air Lines sowie auch Fonds sein. Die meisten der Anbieter wollen nur Unternehmensteile der Fluglinie erwerben.

Mehr Details beim Luftfahrt Symposium am 06. September 2017 in der RBI unter dem Titel „Wer mit Wem? Neue Luftfahrtnetzwerke in Europa“.

(ÖLFV)

Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.