Österreich

József Váradi: "Airline-Rettungspakete sind nicht der richtige Weg!"

Pressegespräch hinter Plexiglas - Wizz Air CEO József Váradi zieht Bilanz hinsichtlich der Covid-19-Pandemie - Foto: Aigner / Austrian Wings Media Crew

Der CEO des ungarischen Billigfliegers Wizz Air lud zum Hintergrundgespräch in Wien.

"Es war höchste Zeit für ein Update", begrüßte Wizz Air Geschäftsführer József Váradi am Montag die Pressevertreter in Wien, mit Bezug auf die Restriktionen der Covid-19-Pandemie, um gleich hinzuzufügen: "Wir fliegen in 45 Länder, und überall gibt es unterschiedliche Regelungen und Einschränkungen". Dies mache Reisen derzeit nahezu unberechenbar für die Bevölkerung.

Generell sei speziell der aviatische Markt aktuell ein problematischer. Daran habe aber nicht per se Covid-19 Schuld, sondern eine Vielzahl an willkürlich erscheinenden Faktoren, meint Váradi. So gäbe es Ausnahmeregelungen von Slot-Zuteilungen auf Flughäfen, die nun auch noch in die Wintersaison ausgedehnt werden. Airlines würden, "ganz ohne Aktivität", auf diesen Slots sitzen, was anderen wiederum zum Nachteil gereiche. Wizz Air sei bespielsweise bereit, in London-Gatwick eine "signifikante Investition" zu tätigen, welche viele Jobs schaffen könnte, doch die "Slot Waiver Regelungen" zeigten sich diesbezüglich als Hemmschuh.

Zudem würden sich etablierte Airlines über sogenanntes "Greenwashing" eine vermeintlich ökologisch weißere Weste zulegen - indem die gesamte, oft größtenteils gar nicht fliegende, Flotte in die Umweltbilanz mit eingerechnet würde. Dass gegroundete Flugzeuge natürlich keinerlei Schadstoffe ausstoßen und in einer Gesamtbetrachtung ein verfälschtes Bild lieferten, sei Faktenverzerrung, ärgert sich der Wizz Air Boss.

Die meisten Airlines würden angesichts der Lage, welche dem Markt nun bereits seit über einem halben Jahr merklich zusetzt, in einem ineffizienten Status Quo verharren, und dazu insgesamt 33 Milliarden Euro an europäischen Staatshilfen kassieren. Váradi geht hier auch mit Österreich und der AUA nicht zimperlich ins Gericht. Die rot-weiß-rote Lufthansa-Tochter habe eine alternde Flotte, zeige sich wenig innovativ beziehungsweise kaum wettbewerbsfähig. "Sind Staatshilfen angesichts dessen der beste Weg, um Steuergelder zu investieren?", fragt der Billigflieger-Boss, und liefert seine Antwort darauf gleichsam im selben Atemzug: "Keine der so unterstützten Gesellschaften wird jemals in der Lage sein, diese Gelder zurückzuzahlen. Das ist verschwendetes Staatsbudget, und bei diesen Fluglinien ändert sich auch in Zukunft nichts", ortet er eine wiederholte Protektion aus seiner Sicht wenig innovativer Wettbewerber.

Wizz Air selbst habe ein Ansuchen um Staatshilfen niemals ins Auge gefasst. "Das ist nicht unsere Auffassung von Geschäftspraktiken. Wir wollen nicht dem Steuerzahler auf der Tasche liegen, sondern möchten unser Unternehmen nach den Regeln des Marktes führen," bekräftigt Váradi. Und eine staatliche Beteiligung am Unternehmen sei generell kein Thema für den Low-Coster.

Angesichts des Markteinbruchs erhole sich Wizz Air jedenfalls deutlich rascher als der restliche europäische Flugverkehr, heißt es seitens der ungarischen Airline. So stand Wizz Air kürzlich bei etwa 70,9 Prozent Load Factor. Zwischen April und August wurden, bei einem Auslastungsfaktor von 63 %, zudem zehn neue Maschinen eingeflottet, zahlreiche neue Routen aufgenommen und 4,78 Millionen Passagiere befördert. Auch 11 neue Basen eröffnete das Unternehmen und unterhält somit 36 Stationen in 19 Ländern.

An der Flottenerweiterung werde auch weiterhin konsequent festgehalten. "Wenn der Flottenpark zu alt wird, machen sich viele negative wirtschaftliche und technische Aspekte bemerkbar", sagt Váradi. Mit diesem Argument kontert er auch der Kritik, wonach billige Ticketpreise zu mehr Fluggastaufkommen und damit einer schlechten Auswirkung auf die Umwelt führten: "Natürlich wird auf besonders kurzen Strecken die Bahn in manchen Fällen eine attraktive Alternative sein. Aber es gibt Orte, wo der Zug oder das Auto keine Option sind. Und wenn Sie dann in einem Wizz Air Flugzeug sitzen, ist die Schadstoffbilanz um ein Vielfaches geringer als etwa in einer AUA-Maschine", hebt der Low-Coster-Chef die Vorzüge seiner jungen Flotte hervor, die ein Durchschnittsalter von 5,43 Jahren aufweise. Jenes der AUA-Maschinen liege hingegen bei 15,5 Jahren.

"Wenn die Welt Covid-19 hinter sich gelassen hat, wird Nachhaltigkeit wieder ein wesentlicher Faktor", erinnert Váradi. Wizz Air investiere daher vor allem in die Ausbildung junger Menschen im "Cabin Crew to Captain"-Programm. Personal, Umwelt und Wirtschaft stellen die drei Säulen des Airlineprogramms in puncto Nachhaltigkeit dar. Man sei bereits jetzt "die grünste Fluglinie in Österreich und Europa", ist der CEO stolz. Zusätzlich verfügt die Gesellschaft als erste europäische Airline mittlerweile nicht nur über ein länderspezifisches AOC, sondern eines seitens der EASA, was "deutlich größere Flexibilität" bringen werde.

Vorerst bleibe Covid-19 aber weiterhin das bestimmende Thema. "Doch es gab bis dato weltweit keinen einzigen nachgewiesenen Ansteckungsfall, der sich auf den Aufenthalt an Bord eines Flugzeuges zurückführen ließ", sagt József Váradi, und erinnert an das Luftfilterungssystem in Flugzeugkabinen. Seiner Ansicht nach sei damit das Fliegen "deutlich sicherer als ein Besuch im Supermarkt oder bei Verwandten", und alle Carrier hätten bewiesen, "wie risikolos eine Flugreise auch aus dem Blickwinkel gesundheitlicher Betrachtung" sei, da die Luft an Bord von Verkehrsmaschinen "qualitativ mit jener auf Krankenhaus-Intensivstationen" gleichgesetzt werden könne. Hygieneinnovationen habe man zudem von Anfang an umgesetzt und vorangetrieben.

Wirtschaftlich habe sich Wizz Air in Österreich zu einem wesentlichen Anbieter entwickelt, erläutert Váradi. Rangierte seine ungarische Airline Anfang Jänner noch bei 8 % Marktanteil in der Alpenrepublik, habe sich dieser Faktor per August bereits auf 15 % erhöht. "Der Markt wurde durch Covid-19 schwierig, hat sich verändert und konsolidiert", so der Low-Coster-Chef. Wien sei zu einem "3-Airline-Markt" geworden - satte 74 % der Sitzkapazitäten würden hier durch durch Austrian Airlines, Ryanair und Wizz Air abgedeckt. Er zeigt sich überzeugt davon, dass der Trend in diese Richtung auch weiterhin anhalten werde. Wobei an ein profitables Jahresergebnis natürlich nicht zu denken sei. "Alle Airlines verlieren heuer Geld. Die Frage ist nur, wie viel."

Blieben sämtliche Wizz Air Maschinen für ein Monat auf dem Boden, entstünde ein Verlust von 70 Millionen Euro. Doch das Unternehmen habe mit 1,5 Milliarden Budgetreserven ausreichend Kapital, um im Worst Case selbst einen zweijährigen Stillstand verkraften zu können. Und apropos Kapital: bei der Erstattung von Tickets sei bei Wizz Air keinerlei Chaos entstanden, denn die Refundierungsprozesse funktionieren laut Váradi völlig automatisiert. Von den zu Beginn der Covid-Krise schlagartig fällig gewordenen 80 Millionen Euro an Ticketpreisen, die an Passagiere zu refundieren waren, seien nun lediglich noch 8 Millionen Euro aushaftend. "Flugreisen, die über Veranstalter gebucht wurden, müssen teils händisch abgearbeitet werden, alles andere läuft automatisiert", erklärt der Airlineboss.

Spurlos geht die Covid-19-Pandemie, trotz allem unternehmerischen Optimismus, freilich auch an der ungarischen Low-Cost-Airline nicht vorüber. 20 Prozent der Belegschaft verloren ihren Arbeitsplatz. Ein Kurzarbeitsmodell sei keine Option gewesen, sagt Váradi. Er halte dies für die bloße "Verschleierung tatsächlicher Arbeitslosigkeit", und zudem sei es "das Geld der Steuerzahler, welches hierfür aufgewendet werden müsse". Die permanente Schließung von Basen oder Einstellung von Routen sei jedoch kein Thema, und er hoffe auch, sämtliche nun gekündigten Beschäftigten mit Stabilisierung der Situation wieder zurück ins Unternehmen holen zu können. Zuvor müsse man aber noch zumindest einen "sehr harten Winter" überstehen.

(red Aig)