Reportagen

Nachruf: Josef Starkbaum - Österreichs Rekord-Himmelstürmer aus Südmähren

Josef Starkbaum war menschlich und fliegerisch ein Ausnahmetalent. Jetzt hat er seinen letzten Flug angetreten - Foto: OEAC

Er war ein Ausnahmetalent: Der (Alt-)Österreicher Josef "Joschi" Starkbaum. Der spätere Flieger und Weltrekordhalter wurde am 22. März 1934 in der südmährischen Stadt Brünn (Sudetenland, Tschechoslowakei) geboren. Später absolvierte Josef Starkbaum eine Ausbildung zum Verkehrspiloten und war viele Jahre als Kapitän bei der AUA tätig. Zudem stellte er zahlreiche (Welt-)Rekorde im Ballonfahren auf. Starkbaum war außerdem Mitglied der Hochbegabtenvereinigung Mensa Österreich und des Österreichischen Aero-Clubs. Am 12. Jänner 2023 verstarb dieser außergewöhnliche Mann im 89. Lebensjahr. Ein Nachruf.

15.000 Meter Höhe, ganz deutlich lässt sich die Erdkrümmung erkennen und auch die Sterne sind am helllichten Tag erahnen. Doch für diesen Ausblick ist keine Zeit. Es gilt den Brenner in der offenen Kabine wieder in Gang zu setzen. Es herrschen zwar Temperaturen von 60 Grad Celsius unter Null und trotzdem gehört es nicht zu den Aufgaben dieses Brenners inmitten dieses Korbes dessen Wände aus Alluminium längst dickes Eis tragen, Wärme zu senden. Nein der Brenner hat wichtigeres zu tun, als den Mann, der diese ungewöhnliche Konstruktion versucht wieder zu zünden, zu wärmen. Dabei herrscht fast völlige Ruhe, kein Windgeräusch. Nur das Zischen des Atems durch eine Sauerstoffmaske ist zu vernehmen. Dabei will selbst jeder dieser Atemzüge überlegt werden, denn es kostet Kraft gegen den starken Sauerstoffdruck auszuatmen. Diese niedrigen Temperaturen haben nämlich ein Ventil in der Maske vereisen lassen und damit im offenen Zustand verklemmt. Blind müssen jetzt alle Griffe sitzen, die Brille des Mannes ist ebenfalls völlig vereist. Und es muss rasch gehen, denn dieser Brenner hat nur einen Zweck, nämlich die Luft in dem Ballon darüber, einem Heißluftballon zu beheizen. Gelingt das Zünden nicht, so wird der Ballon seinem Zweck nicht gerecht und er sinkt mit seiner abgekühlten Luft im Inneren hinunter und zwar schnell, sehr schnell. Die Physik lässt sich aber nicht beugen, der Brenner einmal erloschen, kann in diesen Höhen nicht wieder gezündet werden. Der Ballon sinkt, nein er fällt. Die Ruhe im Korb weicht und wird durch ein Geräusch des Fahrtwindes ersetzt. Wobei die Fahrt nach unten geht, 15000 Meter fast doppelt so hoch wie der Mount Everest geht es nun nach unten, immer schneller. Die große Hülle lässt die Form eines Ballons nur mehr erahnen. Nicht mehr stolz aufgebläht, sondern nur mehr ein wild flatterndes Tuch, das den Korb nur mäßig davon abhält in wenigen Minuten auf der harten Erde aufzuschlagen. Dennoch der Mann im Korb bleibt ruhig und gelassen und trifft in pragmatisch einfacher Weise Vorbereitungen. Mit kaum veränderter Atemfrequenz wird der persönliche Fallschirm gesichert und zugleich das Eis vom Glas des Höhenmessers gekratzt. 10000 Meter freier Fall, nur mäßig gebremst, dann würde der Mann eine Chance haben, in geringeren Höhen den Brenner wieder zu zünden. Gelingt das nicht innerhalb der nächsten 3000 Meter bleibt nur mehr dieser Fallschirm für die eigne Rettung. Aber all das scheint den Ballonfahrer nicht im Mindesten aus der Ruhe zu bringen, denn wir sprechen hier über Josef „Joschi“ Starkbaum, dem wahrscheinlich weltweit besten Ballonfahrer aller Zeiten.

Joschi, der im Zivilberuf Pilot bei Austrian Airlines war, hat schon öfter eine dieser Rekordfahrten durchgeführt und zwar erfolgreich. Im Jahr 1983 stellte er einen Höhenrekord mit 13.670 Meter - auf ohne Druckanzug und ohne Druckkabine. 

Starkbaum nahm zudem erfolgreich an zahlreichen Wettfahrten teil. Er hält den Rekord, sieben Mal den Gordon-Bennett-Cup gewonnen zu haben (1985–1990 und 1993). Beim diesem Rennen geht es dabei nur um eines, wer kommt mit einem Gasballon am weitesten. Egal wie und somit eine der härtesten Wettbewerbe, die jemals erdacht wurden. Und so ergab es sich beispielsweise bei einem dieser Rennen, während alle Mitbewerber ihre Ballone bereits wieder eingepackt haben und längst beim Abendessen saßen, Joschi gerade die Küste der Adria erreichte und mal Kurs aufs offene Meer nahm, in einem Ballon, nachts. Joschis Vorsprung wurde dann auch mal in Tagen gemessen.

 In den Jahren 1988 und 1990 gewann Josef Starkbaum zudem die Ballonweltmeisterschaft.

Sollte das Wetter mal nicht so geeignet für Ballonfahrten sein, so bestritt Joschi, der nachweislich über einen ungewöhnlich hohen Intelligenzquotienten verfügte, Motorrad- oder Autorennen.

Ausgestattet mit diesen Insignien war es Joschi Starkbaum auch auf der geschilderten Rekord-Ballonfahrt gelungen rechtzeitig, wenn auch spät den Brenner zu zünden und den Ballon sanft abzubremsen. Der Rekord bei dieser Fahrt 1988 15.360 Meter.

Joschi Starkbaum prahlte nicht mit seinen Erfolgen, wer aber das Glück hatte, die Geschichten seiner Abenteuer von ihm direkt erzählt bekommen zu haben, der war begeistert, beeindruckt und durfte staunen. Wer noch mehr Glück hatte und mit ihm vielleicht sogar ein Abenteuer selbst miterlebte, der wird den bestechend einfachen Zugang zu komplexen Dingen und den Humor, wie man damit letztendlich umgehen kann, ebenso vergessen wie manch treffendes Statement.

So gesehen muss man davon ausgehen dass, während wir hier unten gemütlich sitzen, alles bereits zusammengepackt haben und unsere Komfortzone genau abstecken, nun auch jenseits von 15000 Meter und Firmament Rekorde aufgestellt werden, nämlich von Josef „Joschi“ Starkbaum.

Starkbaum war Träger folgender Auszeichnungen

  • 1976 – Wieland Preis (Österreichischer Luftfahrtverband)
  • 1982 – Sportmedaille in Gold (ÖAeC)
  • 1982 – „DistinguishedAeronaut“ PilotAchievementAward fromBalloon Federation of America in recognition of demonstrated accomplishment in the sport ofHotAir Ballooning
  • 1983 – Montgolfier BallooningDiploma (performance in hot air, FAI/CIA)
  • 1985 – Silbernes Ehrenzeichen (ÖAeC)
  • 1987 – Goldenes Ehrenzeichen (ÖAeC)
  • 1990 – Sportehrenzeichen in Gold der niederösterreichischen Landesregierung
  • 1995 – Weltweit erstes Sporting Badge in Gold mit drei Diamanten (FAI/CIA)
  • 1998 – Montgolfier Ballooning Diploma (contribution to the sports, FAI/CIA)
  • 2003 – Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich
  • 2008 – Verdienstzeichen für besondere Leistungen um die Sportluftfahrt (ÖAeC)

Von der FAI, der Internationalen Aeronautische Vereinigung, wurde Starkbaum im Jahr 2008 in die „Hall of Fame“ der FAI/CIA aufgenommen.

Hintergrund zu sudetendeutschen Altösterreichern
Die Geschichte des heutigen Österreich ist mit jener der gegenwärtigen Tschechischen Republik eng verwoben. Ab dem 12. Jahrhundert besiedelten Deutsche in mehreren Wellen Teile Böhmens, Mährens und Schlesiens. Es waren dies in erster Linie die heutigen Randgebiete Tschechiens (als Sudetenland bekannt), die von den deutschen Zuwanderern überhaupt erst urbar gemacht wurden. Böhmen, Mähren und Schlesien gehörten über Jahrhunderte zum Heiligen Römischen Reich deutscher Nation, seit 1804 dann zum Kaisertum Österreich. Als dieses durch den österreichisch-ungarischen Ausgleich von 1867 zu Österreich-Ungarn transformiert wurde, waren Böhmen, Mähren und Österreichisch-Schlesien fortan Teil der westlichen Reichshälfte. Mit Ende des Ersten Weltkrieges im November des Jahres 1918 zerfiel auch der Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn. In den als Sudetenland bezeichneten Randgebieten von Böhmen, Mähren und Österreichisch-Schlesien sowie in den deutschen Sprachinseln (etwa Brünn, Olmütz, Iglau, Wischau oder Budweis) lebten zu diesem Zeitpunkt etwas mehr als drei Millionen Menschen deutscher Muttersprache. Gegen den Willen der Mehrheit dieser Menschen wurde das Sudetenland von den Siegermächten des Ersten Weltkrieges der neu entstandenen Ersten Tschechoslowakischen Republik zugeschlagen. Von Anbeginn an waren die deutschsprachigen (Alt-)Österreicher Diskriminierungen durch die nationalistische tschechisch dominierte Regierung in Prag ausgesetzt, was allein im Zeitraum 1920 bis 1930 zu 20.000 Selbstmorden führte. Laut Hugo Theisinger, Autor des Buches "Die Sudetendeutschen", war das "im Verhältnis gesehen die höchste Selbstmordziffer Europas." Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurden dann rund 3 Millionen sudetendeutsche (Alt-)Österreicher vom tschechoslowakischen Staat entschädigungslos enteignet und brutal aus der Heimat vertrieben. Die "Rechtsgrundlage" dafür bildeten die bis heute gültigen Benes-Dekrete/Benesch-Dekrete. Rund 241.000 (offizielle von der SLÖ genannte Zahl) Vertriebene wurden von Tschechen ermordet, starben an ihnen zugefügten Misshandlungen oder an Krankheiten. In Österreich ist vor allem der Brünner Todesmarsch bekannt, bei dem im Mai 1945 rund 27.000 Frauen, Alte und Kinder von Brünn in Richtung Österreich getrieben wurde. Mehrere Tausend von ihnen starben dabei. Viele der Opfer liegen bis heute namenlos verscharrt im Straßengraben auf tschechischer Seite.

(red)