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Buchrezension: "From Props to Jets"

Cover

Boeing und Airbus – Diese zwei Hersteller beherrschen heutzutage große Teile des Marktes für zivile Verkehrsjets und duellieren sich jedes Jahr um Marktanteile und Verkaufszahlen. Sie profitieren dabei vom Wachstum der letzten Jahre und Jahrzehnte im zivilen Luftverkehr. Auch in Zeiten der Krise nutzen immer noch Millionen von Passagieren das schnellste und zuverlässigste Verkehrsmittel, das Flugzeug, für Geschäfts- oder Urlaubsreisen oder einfach als die schnellste, beste Verbindung zweier Punkte.

Wie Alles unterlag aber auch der Luftverkehr einem stetigen Entwicklungsprozess. Wer nun gerne mehr über eine äußerst spannende Epoche in der Geschichte der zivilen Luftfahrt erfahren möchte, dem lege ich das Buch "From Props to Jets", geschrieben von Mike Machat, Jon Proctor und Craig Kodera und erschienen im Verlag Specialty Press ans Herz.

Der Untertitel "Commercial Aviation´s Transition to the Jet Age 1952-1962" steckt auch gleich den zeitlichen, sowie den inhaltlichen Rahmen ab, den das Buch des großartigen Autorenteams behandelt. Alle drei Autoren sind tief in der Geschichte der amerikanischen Zivilluftfahrt verwurzelt und waren entweder selbst als Piloten für namhafte Airlines oder aber in der Flugzeugindustrie tätig, und zwar genau in der Zeitspanne, die das Buch behandelt.

Das merkt man dem Buch auch an, denn es beinhaltet eine Vielzahl an Fakten und Daten, sowie Geschichten und Geschichtchen, die ich in dieser Form noch nirgends gesehen oder gelesen habe.

Wer kennt zum Beispiel Flugzeugtypen wie die Convair XC-99, die zivile Version der C-74 "Globemaster", oder aber die Republic "Rainbow", das schnellste viermotorige Propellerflugzeug, das je gebaut wurde, das aber nie in seiner zivilen Form fertig entwickelt wurde?

Republic_Rainbow

Natürlich finden sich dann aber auch alle bekannten großen Namen der Branche, wie Juan Trippe von Pan Am oder Cyrus Smith von American Airlines als Protagonisten im Text, ebenso wie die klingenden Namen der Flugzeugindustrie wie Douglas, Lockheed und Boeing . Liebhaber alter Propliner wie der DC-4/6/7, der Lockheed "Constellation"/"Starliner" oder der Boeing "Stratocruiser" kommen also voll auf ihre Rechnung.

Aber auch die DC-3, sowie ihre angedachten Nachfolger (wahre Enthusiasten wissen, dass man die DC-3 nie ganz ersetzen wird können!), die Convair 240/340, oder aber die Martin 2-0-2 und 4-0-4 werden vorgestellt und ihre Rolle im stark wachsenden amerikanischen Luftverkehrsnetz der unmittelbaren Nachkriegszeit beschrieben.

Die ganze Zeit über wartet das Buch mit interessanten Fakten und Geschichten auf. Wußten Sie zum Beispiel, daß TWA bis in die Siebziger-Jahre eine konvertierte Fairchild C-82 (der heimliche Star des Films "Der Flug des Phönix" mit James Stewart) mit dem Spitznamen "Ontos" – "Das Ding" - unterhielt, um in kürzester Zeit Ersatzteile zu gestrandeten TWA Flugzeugen nahezu weltweit transportieren zu können? Dieser Dienst wurde sogar noch für die neu eingeführten Düsenjets aufrecht erhalten. ("Das Ding" hatte sogar selbst ein zusätzliches Triebwerk auf dem Rumpfrücken erhalten, um die Flugleistungen zu verbessern!)

Deren Einführung in den Luftverkehr nimmt natürlich einen großen Teil des Buches ein. Die Geschichte der Boeing 707 und der Douglas DC-8 sind sehr gut beschrieben, der "Seven-O-Seven" ist sogar ein letztes Kapitel im Buch gewidmet, eine Art Liebeserklärung an den Typ, der die Vormachtstellung, die Boeing heute innehat, mitbegründet hat.

Es bleibt aber auch genug Platz, um die anderen Typen zu behandeln, die ebenfalls im Passagierverkehr zum Einsatz kamen, sei es um die neuen Jets zu ergänzen oder aber in Konkurrenz zu ihnen. Hier sind es dann auch grosse Namen aus Europa wie die "Viscount" und "Vanguard" von Vickers, oder die "Britannia" von Bristol, die der englischen Luftfahrtindustrie ein letztes Mal gute Absatzzahlen auf dem amerikanischen Markt verschafft hatten, den technologischen Vorsprung, den sich Boeing und Douglas mit ihren Jets erarbeitet hatten aber nicht mehr wettmachen konnten. Auch der einzige amerikanische Vertreter mit Turboprop-Antrieb, die Lockheed "Electra" zeigt die letzte Entwicklungsstufe, die die großen Propellerverkehrsflugzeuge erreicht hatten, auch wenn die Einführung des Turboprop-Triebwerks letztendlich den Siegeszug der Jets weltweit nicht aufhalten konnte.

Samplepage_Electra_DC8

Auch die Geschichte der Passagierjets wird mit interessanten Anekdoten angereichert. So wollte zum Beispiel Howard Hughes ein Werk in Kanada finanzieren, das die ebenfalls in Kanada entwickelte Avro Canada CL-102 "JetLiner" für seine TWA bauen sollte, ein Projekt das letztendlich an der amerikanischen Bürokratie scheiterte und eines der ersten zivilen Düsenflugzeuge letztendlich zum Scheitern verurteilte. Erfolgreicher war die Tupolev TU-104. Sie läutet im September 1956 das Düsenzeitalter für die Aeroflot ein und erlaubte der russischen Fluglinie einen regelmäßigen Passagierservice mit einem Düsenjet, noch bevor die Boeing 707 oder die Douglas DC-8 überhaupt geflogen waren. Bedenkt man die tragische Geschichte der DeHavilland "Comet 1" im Dienste der BOAC, so war die Tupolev sogar der erste Jet, der einen wirklich regulären Passagierverkehr ermöglichte. Wie zuverlässig das Flugzeug war, zeigt sich an der Tatsache, dass die TU-104 bis 1981 im Dienst stand, lange nachdem modernere Typen verfügbar waren.

Die Entwicklung europäischer Düsenverkehrsflugzeuge blieb aber nicht auf England und Russland beschränkt.

Auch Frankreich war bestrebt, seiner Luftfahrtindustrie nach dem Krieg wieder zu altem Glanz zu verhelfen, konnte jedoch in der Zeit vor Airbus nur mit zwei Modellen am zivilen Markt wirklich punkten, der Caravelle und der Concorde.

Erstere findet natürlich ebenfalls im Buch Erwähnung, war sie doch nicht nur eines der schönsten jemals gebauten Zivilflugzeuge, sondern auch das Erste, das die Triebwerke am Rumpfheck angebracht hatte, ein Konstruktionsmerkmal, das später sowohl bei Boeing, als auch bei Douglas und Lockheed Verwendung fand und heute noch bei fast allen Businessjets eingesetzt wird.

Caravelle

Interessant ist auch die Geschichte der Convair CV-880/990 Baureihen. Mit der Entwicklung dieser Modelle setzte Convair auf Geschwindigkeit, im Gegensatz zu Boeing und Douglas, die ihre Modelle mit Hinblick auf Wirtschaftlichkeit entwickelt hatten. So konnte sich Convair zwar Ende der Fünfziger Jahre rühmen, das schnellste Jagdflugzeug der Welt (die F-106A), den schnellsten Bomber ( die B-58 "Hustler"), und das schnellste Verkehrsflugzeug (die CV-880) im Programm zu haben, zu einem kommerziellen Erfolg reichte es jedoch bei allen drei Modellen nicht.

Nichtsdestotrotz stellt die CV-880/990 Serie einen technischen Höhepunkt in der frühen Geschichte der Passagierjets dar, war doch nun sogar die Schallmauer kein Hindernis mehr für Passagierflugzeuge.

Überhaupt - wie rasant die Entwicklung in den zehn Jahren war, die das Buch beschreibt, lässt sich allein an der Flugzeit ablesen, die ein Transkontinentalflug über die Vereinigten Staaten dauerte. Waren es 1952 noch etwa 8 Stunden, so benötigte man zehn Jahre später nur mehr etwas mehr als die Hälfte, knappe fünf Stunden, um von New York nach Los Angeles zu gelangen. Man war wirklich an der Schwelle des globalen Flugverkehrs angelangt.

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Die weitere Entwicklung des Flugverkehrs ab 1962 wird dann nur mehr im Überblick abgehandelt, sie ist jedoch auch nicht das Thema des Buches.

Auch wer sich eine genau Abhandlung der Geschichte einzelner Fluggesellschaften oder aber des europäischen zivilen Luftverkehrs in dieser Zeitspanne erwartet, ist hier falsch am Platz.

Das Buch liefert einfach einen äußerst spannend und interessant geschriebenen Einblick in eine aufregende Zeit. Die vielen tollen Fotos und viele Werbeplakate der Hersteller, die ihre Produkte ins rechte Licht rücken sollten, untermalen den ausgezeichneten Gesamteindruck, den das Buch macht.
Wer sich also für die Zeit und/oder die Flugzeugtypen interessiert, kann bedenkenlos zugreifen, wie bei allen andern Büchern aus dem Hause Specialty Press auch.

Erhältlich ist das Buch unter anderem via Amazon.

(red PW)