Reportagen

Der "Dreamliner-Effekt" von LOT

Für eine Überraschung sorgte im Jahre 2005 die polnische Fluggesellschaft LOT Polish Airlines, als sie eine Bestellung über sieben Boeing 787-8 bekannt gab. Trotz politischer Interventionen aus Brüssel entschied man sich gegen den Kauf von Airbus Flugzeugen und bestellte stattdessen unbeirrt den Dreamliner aus Seattle. LOT wurde mit dieser Bestellung zum europäischen Erstkunden für das neue Flaggschiff aus dem Hause Boeing.

Obwohl im Jahre 2007 bereits erste Gerüchte über Entwicklungsprobleme des neuen Jets auftraten und es absehbar war, dass die Auslieferung sich verzögern würde, erhöhte LOT die ursprüngliche Bestellung von sieben auf acht Flugzeuge. Im November 2012, vier Jahre später als ursprünglich geplant, wird die Fluggesellschaft nun endlich ihren ersten Dreamliner übernehmen. Ab dem 16. Jänner 2013 wird Chicago die erste Langstreckendestination des LOT-Dreamliners - ein neuer Abschnitt in der Unternehmensgeschichte der traditionsreichen europäischen Airline.

Das lange Warten auf den Dreamliner hat sich gelohnt, denn bis März 2013 werden bereits fünf neue Boeing 787-8 an LOT ausgeliefert sein und die bisherigen Boeing 767-300 auf der Langstrecke ersetzen.

Durch die rasche Übernahme der ersten fünf Flugzeuge können alle LOT Langstreckenziele innerhalb kürzester Zeit mit dem neuen Jet bedient werden.

Bereits ab 1. Februar 2013 wird LOT - sofern alles nach Plan verläuft - die Destination Toronto als weiteres Dreamliner Ziel ab dem Drehkreuz in Warschau anbieten. Mit New York und Peking folgen zwei weitere Dreamliner-Verbindungen ab dem 3. Februar beziehungsweise dem 3. März 2013. Nach der Übernahme der drei restlichen offenen Lieferpositionen bis Mitte 2015 erhöht sich die LOT Langstreckenflotte nochmals deutlich, wodurch neue Dreamliner Destinationen schon in Kürze aufgenommen werden könnten.

Eine neue Flugzeuggeneration

Der Einsatz der modernen Boeing 787-8 bedeutet für das polnische Flugunternehmen einen enormen Schritt nach vorne im Bereich des Passagierkomforts. So sollen breitere Gänge, größere Fenster und eine verbesserte Kabinenluft zu einem angenehmeren Fluggefühl führen. Die Beleuchtung des Dreamliners simuliert zusätzlich die jeweiligen Tages- und Nachtzeiten und hilft so den Fluggästen dabei, die Auswirkungen des Jetlags zu minimieren. Auch in der Kabinenaustattung ändert sich einiges: So verfügt die 787 über 18 Flachbett-Sitze in der Business Class, 21 Plätze in einer neuen Premium Economy sowie 213 Sitze in der regulären Economy Class. Moderne Flachbett-Sitze mit einer Länge von 190 Zentimetern und einem geräumigen Sitzabstand von 173 Zentimetern, werten die bisherige Business Class deutlich auf.

Die neue LOT-Business.Class in der Boeing 787 Dreamliner
Die neue LOT-Business.Class in der Boeing 787 Dreamliner

Mit der Übernahme des Dreamliners stattet LOT seine Flugzeuge zum ersten Mal mit einer Premium Economy Class aus. Dieses aufgewertete Economy Class Produkt kostet im Vergleich zum regulären Economy Flex Tarif einen Aufpreis von rund 30 Prozent. Mit einem komfortablen Sitzabstand von 97 Zentimern und einem individuellen TV Bildschirm mit einer Größe von 30 Zentimetern, scheint dieser Aufpreis durchaus gerechtfertigt. Im Star Alliance Verbund setzt LOT mit der Einführung des Premium Economy Class Produktes neue Maßstäbe. Auch die Wirtschaftlichkeit der Langstreckenflotte wird sich mit dem Einsatz der Boeing 787-8 deutlich verbessern.

Ausgestattet mit modernsten Rolls-Royce Trend 1000 Triebwerken reduzieren sich die Treibstoffkosten laut Herstellerangaben im Vergleich zur Boeing 767 um mindestens 20 Prozent Mit der englischen Monarch Aircraft Engineering wurde ein von Boeing lizenziertes Unternehmen mit der Wartung der Dreamliner Flotte beauftragt.

Airbus versus Boeing

Als LOT im Jahre 2005 erstmals die Absicht erklärte neue Langstreckenflugzeuge zu ordern, begann ein Wettlauf unter den beiden Konkurrenten Airbus und Boeing um den begehrten Auftrag. Natürlich wurde dieser Wettkampf um den lukrativen Auftrag aus Polen auch politischer Ebene ausgetragen. Polen wurde erst am 1.Jänner 2004 neues Mitglied der europäischen Union und stand deshalb von Anfang an unter dem Druck, ein europäisches Produkt, den A330-200, als Ablöse für die Boeing 767 zu ordern. Die früheren Premierminister Tony Blair, Jacques Chirac und Gerhard Schröder wurden beim damaligen Präsidenten Aleksander Kwasniewski vorstellig und sollen dem Vernehmen nach für den Kauf des europäischen Airbus interveniert haben, heißt es.

Bereits ein Jahr zuvor hatte ein europäischer Flugzeughersteller einen militärischen Großauftrag an den amerikanischen Lockheed Martin Konzern (F-16) verloren, weshalb man sich nun zumindest auf dem zivilen Sektor besonders um einen Auftrag für Airbus bemühte.

LOT wollte damals jedoch ein Flugzeug der neuesten Generation ordern und überlegte Aufgrund der Interventionen aus Brüssel, kurzfristig sogar den Ankauf einiger A-350 Flugzeuge, wie aus Warschau zu erfahren war. Die Entwicklung der Boeing 787 war zum damaligen Zeitpunkt im Vergleich zum Model A350 aber bereits viel weiter fortgeschritten.

Boeing verfügte zum Zeitpunkt der Bestellung über ein prall gefülltes Auftragsbuch mit 255 Bestellungen, während das Projekt A350 noch in den Kinderschuhen steckte und gerade einmal 10 Bestellungen für den A350 vorlagen.

LOT erinnerte sich trotz massiver Widerstände aus Europa seiner langjährigen Partnerschaft mit Amerika und dem Hause Boeing. Bereits 1988 hatte sich die polnische Fluglinie als erste Fluggesellschaft Osteuropas zum Kauf von Boeing 767 Flugzeugen als Ablöse für die unwirtschaftlichen Illjuschin 62 Jets aus russischer (sowjetischer) Produktion entschieden.

Vier Jahre später wurde auch die veraltete russische Mittelstreckenflotte, schrittweise durch die Boeing 737 abgelöst.

Obwohl die Boeing 787 erst fast vier Jahre später als ursprünglich geplant ausgeliefert werden konnte, dürfte die Wahl doch die richtige für LOT gewesen sein. Der Dreamliner ist das innovativere Produkt und LOT als Erstkunde des Jets wird somit einen mehrjährigen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Mitbewerbern genießen.

Der erste A350-800XWB soll nicht vor dem Jahre 2014 ausgeliefert werden. Nach erfolgter Auslieferung der Dreamliner und der Ausflottung der Boeing 767-Flugzeuge bei LOT, wird die Airline mit einem Durchschnittsalter von nur 3,9 Jahren über die jüngste Flugzeugflotte in Europa verfügen.

Dreamliner im Anflug auf Wien

Am 12.September 2012 startete LOT mit dem Verkauf der neuen Dreamliner Flüge. Sehr schnell wurde klar, dass das Produkt Boeing 787-8 ein Selbstläufer werden könnte. Ähnlich wie bei der Einführung des A380 bei anderen Airlines, buchen auch bei LOT Passagiere vermehrt Flüge, die mit dem neuen Flaggschiff, der Boeing 787 Dreamliner, durchgeführt werden.

Noch im gleichen Monat wurde auch bekannt, dass die Fluggesellschaft im Rahmen ihrer Streckenerprobung, den Dreamliner auf insgesamt neun Flügen auch nach Wien bringen wird.

So wird das neue Flaggschiff der Airline am 17. Dezember (LO223/224), 21./22./23. Dezember (jeweils LO225/226), 24./27. Dezember (jeweils LO223/224), am 29./30. Dezember (jeweils LO225/226) sowie am 13. Januar (LO223/224) am Flughafen Wien erwartet.

Für Austrian Wings sprach Martin Dichler (MD) anlässlich dieser Flüge mit dem LOT-Country-Manager für Österreich, Piotr Koscinski (PK).

LOT-Country-Manager für Österreich: Piotr Koscinski
LOT-Country-Manager für Österreich: Piotr Koscinski

MD: Herr Koscinski, ihre Fluggesellschaft besucht während der Streckenerprobung der neuen Boeing 787 mehrmals den Flughafen Wien. Erwarten Sie einen "Dreamliner- Effekt" (vermehrte Buchungen aufgrund des Flugzeugtyps)?

PK: Der Dreamliner ist das modernste Verkehrsflugzeug der Welt und zieht entsprechendes Publikumsinteresse auf sich. Auf den Dreamliner-Rotationen von/nach Wien verzeichnen wir eine überdurchschnittliches Buchungsaufkommen, was einen "Dreamliner-Effekt" vermuten lässt.

MD: Wie kam es zu diesem Clou, und weshalb wurde gerade Wien in die Planung mit einbezogen?

PK: Wien ist einer der wichtigsten Märkte für LOT Polish Airlines, da sich von Österreich sowohl die LOT-Langstreckenziele in den USA als auch Destinationen in Osteuropa und Asien bequem über Warschau erreichen lassen. Daher ist es folgerichtig, dass das neue Flaggschiff schwerpunktmäßig auch auf der Route nach Wien zum Einsatz kommt.
MD: Gibt es schon Pläne, wie der Wien Besuch konkret ablaufen wird?

PK: Aktuell laufen noch die Planungen für den Besuch in Wien.

Fotoimpressionen vom LOT-Dreamliner

Bereits im Mockup des Boeing 787 Dreamliner für LOT kamen die großen Fenster deutlich zur Geltung
Bereits im Mockup des Boeing 787 Dreamliner für LOT kamen die großen Fenster deutlich zur Geltung
Auch die großen Gepäckfächer konnten bereits ausgiebig getestet werden
Auch die großen Gepäckfächer konnten bereits ausgiebig getestet werden
Blick in die Produktionshalle von Boeing, wo die ersten Dreamliner für LOT kurz vor der Fertigstellung stehen - Foto: Mariusz Adamski
Blick in die Produktionshalle von Boeing, wo die ersten Dreamliner für LOT kurz vor der Fertigstellung stehen - Foto: Mariusz Adamski
Closeup eines zukünftigen LOT-Dreamliners - Foto: Mariusz Adamski
Closeup eines zukünftigen LOT-Dreamliners - Foto: Mariusz Adamski
Die erste für LOT bestimmte Boeing 787 Dreamliner bei ihrem Rollout in Seattle
Die erste für LOT bestimmte Boeing 787 Dreamliner bei ihrem Rollout in Seattle

Text & Fotos (sofern nicht anders angeben): Martin Dichler