Reportagen

Victor Bout und seine gestrandete IL-76 ...

Amerika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten? Für viele Jahre hatte dieser Spruch seine Gültigkeit, als jedoch im Jahre 1991 die ehemalige Sowjetunion mit ihren 15 Unionsrepubliken in ihre Bestandteile zerbrach, herrschte landesweit Chaos. Jeder der über die richtigen Kontakte verfügte und keine Skrupel kannte, machte schnelle Geschäfte mit dem früheren staatlichen Eigentum der sich auflösenden Republiken.

In den Ländern der früheren Sowjetunion war die Zeit der großen Turbo-Privatisierungen angebrochen. Ehemalige staatliche Industriebetriebe wurden über Nacht privatisiert und wechselten ihre Eigentümer. Während die große Bevölkerungsmehrheit über Nacht vor dem Nichts stand und nicht mehr wusste wie sie den Tag überleben sollte, stiegen einige gefinkelte "Geschäftsmänner" zu milliardenschweren Oligarchen auf.

Dieses allgemeine Chaos nutzten auch die Waffenhändler. Über vierzig Jahre lang herrschte kalter Krieg zwischen den Großmächten und die Waffenlager in der ehemalige UDSSR waren reichlich gefüllt. So mancher Armeegeneral nutzte die Gunst der Stunde und verkaufte seine Bestände im großen Still. Gewehre, Munition, Panzer und sogar Kampfflugzeuge und Hubschrauber wechselten ihre Eigentümer und fanden in den kriegsführende Ländern Afrikas eine neue Verwendung. Angeblich verschwanden nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion alleine aus den Lagern der ukrainischen Armee, Waffen im Wert von 32 Milliarden USD. Jeder wollte sich ein Stück des Kuchens sichern und schnelles Geld machen, es war die große Zeit des Victor Bout  angebrochen.

Die Lebensgeschichte des wohl bekanntesten Waffenhändlers der neunziger Jahre wurde im fiktiven Hollywood Drama "Lord of War" mit Nicolas Cage in der Hauptrolle auch verfilmt. Der im Jahre 1967 in Duschanbe geborene Angehörige der Sowjetarmee machte eine schnelle Karriere bei diversen Auslandseinsätzen in Afrika und stieg, wenn auch nie offiziell bestätigt, bis zum Offizier des KGB auf. Bis zum Ende des kalten Krieges war Victor Bout bei einem Luftwaffenregiment tätig. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion startete er ein Transport- und Handelsunternehmen in Moskau und später in den Vereinten Arabischen Emiraten. Wurden zunächst nur Luxusartikel zwischen den Emiraten und den ehemaligen Sowjetrepubliken transportiert, verlagerte sich sein Geschäft zunehmend in Richtung Zentral- und Südafrika. Im weiteren Verlauf wurden die Geschäfte Viktor Bouts immer undurchsichtiger und illegaler.

Seine ausgezeichneten Kontakte in die ehemalige Sowjetunion halfen ihm dabei nicht nur im Waffenhandel, sondern auch beim Transport und Schmuggel von "Fracht" aller Art. Die Kriegsschauplätze Afrikas wurden zunehmend zur neuen Heimat seiner Geschäfte. Uganda, Liberia, Sierra Leone, Angola oder Ruanda waren nur einige seiner zahlreichen Betätigungsfelder.

Viele ehemalige Luftwaffenpiloten der sowjetischen Armee waren nach dem Ende des kalten Krieges plötzlich ohne Job, Victor Bout bot ihnen in seinen Flugunternehmen ein neues Betätigungsfeld. Transportmaschinen sowjetischer Bauart (AN24/26/32, IL-76) standen ebenfalls genügend zur Verfügung und wechselten oft auf abenteuerlichste Art und Weise über Nacht den Besitzer.

Die erste Fluggesellschaft Victor Bouts war die im Jahre 1997 gegründete AIR CESS, die in weiterer Folge auch zahlreiche Tochterunternehmen in Afrika gründete. Nachdem die Airline zunächst ihr Glück in Ostende (Belgien) versuchte, verlegte der Unternehmer den Firmensitz nach Sharjah in den Vereinten Arabischen Emiraten.

Im weiteren Verlauf zählten auch die Fluglinien Air Pass, Southern Cross Airline, Centrafrican, Flying Dolphin, Southern Gateway Corporation und Norse Air Charter zu seinem Airline-Portfolio. Darf man diversen Berichten Glauben schenken, so hatten seine Piloten immer Farbe und Pinsel an Bord, um gegebenfalls schnell eine neue Registrierung auf den Flugzeugen anzubringen zu können. Aufgrund der fehlenden staatlichen Strukturen war es für den Unternehmer ein leichtes Spiel, Lizenzen und Luftfahrtregistrationen zu beschaffen. Die diskrete Art des Lufttransports machten sich aber auch andere zum Vorteil. Gerüchten zufolge soll Victor Bout nicht nur gutes Geld mit den "bösen Jungs" gemacht haben, sondern auch mit den Guten!

So transportierten die Maschinen Victor Bouts nicht nur Waffen zwischen Europa, den Emiraten, Afrika und sogar bis nach Afghanistan, sondern auch Truppen im Auftrag der UN. Wenn die Gerüchte stimmen, soll sogar der amerikanische Geheimdienst CIA auf die diskreten Leistungen des Unternehmers während seiner Operationen in Afghanistan zurück gegriffen haben.

Vielleicht war auch dies der Grund dafür, dass dem Russen im Jahr 2008 schlussendlich das Handwerk gelegt wurde. Nachdem Victor Bouts illegale Geschäfte immer dreister und damit auch publiker wurden, die UN Untersuchungen betreffend die Umgehung von Waffen-Embargos in Liberia eingeleitet hatte, verwiesen die Vereinten Arabischen Emirate den dubiosen Russen aus ihrem Land.

Er begann ein neues Leben in seiner alten Heimat Russland, war jedoch nachdem er einen Großteil seines Geschäftes verloren hatte, immer wieder auf der Suche nach neuen Betätigungsfeldern. Bei einem fingierten Treffen mit Undercover Agenten des amerikanischen DEA in Bangkok, wurde Victor Bout schließlich von thailändischen Spezialeinheiten verhaftet und in weiterer Folge an die USA ausgeliefert. Im November 2011 wurde er von einem amerikanischen Gericht wegen Verschwörung und Waffenhandel zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Seine Lebensgeschichte füllt heute zahlreiche Bücher und Filme...

Szenenwechsel
Die Sonne knallt bereits Mitte März ohne Gnade auf den Wüstenboden. Das Szenario, das sich vor mir bietet, wirkt unwirklich hier auf der Verbindungsstraße E11 zwischen Umm Al Quwain und Ras Al Khaima (Vereinte Arabische Emirate). Ich stoppe meinen Wagen am Fahrbahnrand und stehe hier vor einem Stück Geschichte. Nur unweit des inzwischen aufgelassenen Sportflugplatzes von Umm Al Quwain parken die Überreste einer Ilyuschin IL-76, die einst für Victor Bout flog.

Kaum zu glauben aber das trockene Wüstenklima, die Sonne und natürlich der viele Sand haben den Frachtriesen im Laufe der Jahre deutlich zugesetzt. So wie sich die Situation darstellt, wurden die verwertbaren Flugzeugteile schon vor langer Zeit entfernt. Die Außenhaut der IL-76 zeigt nach 17 Jahren im rauen Wüstenklima deutliche Abnutzungsspuren. Der Lack mit einer Werbeaufschrift für ein nahe gelegenes Hotel blättert vom Flugzeug. Es scheint fast so, als würde sich das Flugzeug im Laufe der Jahre in seine Bestandteile auflösen.

Doch was macht ein russisches Transportflugzeug an diesen unwirklichen Ort und welche Geschichte hat es zu erzählen?

Blicken wir zurück auf die Lebensgeschichte des Jets. Die IL-76 mit der Seriennummer 053403072 wurde 1975 für sie sowjetische Armee produziert und flog lange Zeit mit der Kennung CCCP-86715, bevor nach dem Zerfall der Sowjetunion, die neue Registrierung RA-86715 angebracht wurde. Bis Anfang der neunziger Jahre flog die Ilyuschin im Einsatz der russischen Armee, bevor sie schließlich an die AIR CESS mit Sitz in Sharjah verkauft wurde und mit der liberianischen Kennung EL-RDT versehen wurde. In der weiterer Folge wurde die IL-76 an die AIR PASS in Swaziland (3D-RTT), sowie an Centralafrican Airlines als TL-ACN weiter verkauft. Alle genannten Fluggesellschaften standen jeweils im Besitz eines Mannes - Victor Bout.

Über die Gründe wie und vor allem warum das Flugzeug im Jahr 1999 schlussendlich den Weg auf den kleinen Sportflugplatz von Umm All Quwain fand, ranken sich bis heute zahlreiche Gerüchte. So besteht einerseits die Möglichkeit, dass die Piloten schlicht und einfach den Flugplatz mit dem nur 30 Kilometer entfernten Sharjah Airport "irrtümlich" verwechselt hatten. Eine Variante der man bei einer Pistenlänge von 1.780 Metern aber kaum Glauben schenken kann. Andere Quellen sprechen davon, dass der Jet eine illegale Ladung an Bord hatte und deshalb keine Landeerlaubnis in den Emiraten erhielt. Aus Kerosinmangel setzte man notgedrungen zu einer Notlandung auf dem kleinen Sportflugplatz auf.

Die einfachste Erklärung ist jedoch, dass das Flugzeug zum Schrottwert als unübersehbare Werbefläche an das in der Nähe ansässige Palma Hotel verkauft wurde. Wie heute noch am Flugzeugrumpf ersichtlich, diente die IL-76 lange Zeit als Werbeplattform dafür. Wie die Zeitung "the national" mit Sitz in Abu Dhabi in einer Geschichte über das Flugzeug jedoch berichtet, konnte man auf Rückfrage auch vom Hotelmanagement keine schlüssige Antwort auf die Geschichte des Frachtflugzeuges erhalten.

Wie und warum auch immer das Flugzeug seinen Weg nach Umm Al Quwain fand kann heute nicht mehr verlässlich geklärt werden. Eines ist jedoch sicher, das Mahnmal für die Machenschaften von Victor Bout wird auch weiterhin verlassen im Wüstensand vor sich dahin vegetieren und so manchen Luftfahrtfreund mit seinem Anblick erfreuen.

Text & Fotos: Martin Dichler