Punktlandung

Ju Air Absturz: "Kumpanei, Schlamperei, Fahrlässigkeit, Leichtsinn"

Das Wrack der verunglückten Maschine - Foto: SUST

20 Todesopfer forderte der Absturz einer Junkers Ju 52 der Schweizer Ju Air im August 2018. Die Ursache: unfassbares menschliches Versagen in vielfacher Hinsicht. Ein Gastkommentar von Flugkapitän Professor h. c. Claus Cordes, der selbst rund 2.500 Stunden Flugerfahrung auf der Junkers Ju 52 vorweisen kann.

Diese Zeilen zu schreiben, fällt mir nicht leicht, denn Fliegerkameraden haut man eigentlich nicht in die Pfanne – eigentlich! Aber ist es nicht an der Zeit, deutliche Worte zu finden?

Der Abschlussbericht der SUST hat belastbar belegt, was viele schon geahnt haben und Beteiligte gewusst haben müssen. Der Unfall der HB-HOT am 04. August 2018 geschah zwangsläufig. Welch ein Zynismus, dass die Löcher in den Käsescheiben gerade in der Schweiz so sauber aufeinander ausgerichtet waren.

Unschuldige Menschen sind gestorben. Sie wollten einen Tag ihres Lebens auf besondere Weise genießen und wurden dabei das Opfer einer unheilvollen Gemengelage aus Kumpanei, Schlamperei, Fahrlässigkeit, Leichtsinn, Selbstüberschätzung und kollektiver Toleranz gegenüber der zur Normalität gewordenen Verletzung essenzieller Regeln. Für die, die etwas näher dran waren, kam das alles nicht überraschend. Wer es sehen wollte, konnte es kaum übersehen. Hier wurde mit einem Flugzeug, das nicht lufttüchtig war, in abenteuerlicher Weise umgegangen. Im Netz sind genug Videos zu betrachten, die jedem, der um die Flugleistungen und die Flugeigenschaften der Ju 52 weiß, den Atem stocken lassen - und das nicht vor Begeisterung.

Ich – und dazu stehe ich ausdrücklich – lege darüber hinaus den für die Zustände in der Ju Air und den für diesen Flug Verantwortlichen zur Last, der gesamten Oldtimerszene einen schweren, wenn nicht den fatalen Schlag versetzt zu haben. Denn denjenigen, denen die Pflege des Erbes der Vorväter nichts bedeutet, war das ein willkommener Vorwand, die Axt an die Wurzeln der Traditionspflege zu legen. Hier wurde durch verantwortungsloses Verhalten weniger die Arbeit vieler sabotiert. Die fachliche und auch die charakterliche Eignung der für das verunglückte Flugzeug Verantwortlichen, Flugbetrieb zu organisieren und Flugzeuge zu fliegen, steht infrage. Und die zuständige Aufsichtsbehörde hat all das nicht bemerkt?

Diskreditiert haben sich die Verantwortlichen selber, jeder Sachkundige kann sich nach dem Studium des Abschlussberichtes eine Meinung bilden. Die Arbeit der SUST ist getan, die Ursachen sind dankenswerter Weise klar benannt. Nun ist der Moment gekommen, wo ernste Konsequenzen gezogen werden müssen!

Wir alle machen Fehler, ich nehme mich da selbst ausdrücklich nicht aus. Und wir alle wissen, dass Fliegen per se ein Risiko darstellt und suchen deswegen nach Wegen, das Restrisiko in einem akzeptablen Rahmen zu halten. Aber hier wurden unakzeptable Risiken billigend, wenn nicht gar vorsätzlich in Kauf genommen.

Nicht der Ankläger beschmutzt das Nest, die Handelnden selbst haben es längst getan.

Text: Claus Cordes

Über den Autor
Prof. (h.c.) Claus Cordes ist Flugzeugbauingenieur und seit 40 Jahren Berufspilot. Von 1988 bis 2018 flog er rund 2.500 Stunden als Erster Offizier, Flugkapitän, Ausbilder und Prüfer auf dem Muster Junkers Ju 52/3m.

Der Autor am Steuer der Junkers Ju 52 D-AQUI - Foto: Privat

Seine Gesamtflugerfahrung beträgt etwa 27.000 Flugstunden auf zivilen Flugzeugen aller Größen vom Grunau Baby bis zum Airbus A380. Seit seiner Pensionierung 2019 ist er als Ingenieur, Hochschullehrer, Fluglehrer und Pilot im Werksflugverkehr tätig.

Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.