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Hubschrauberabsturz in Wiener Neustadt: Kein Hinweis auf technisches Versagen

Der vordere Bereich samt Cockpit und Passagierkabine wurde durch den Aufschlagsbrand vollkommen zerstört - Fotos: Austrian Wings Media Crew (keine Verwendung ohne Erlaubnis, Zuwiderhandlungen werden auf dem Rechtsweg geahndet)

Einen Tag nach dem tödlichen Absturz eines Helikopters am Flugplatz Wiener Neustadt Ost haben die Unfallermittler ihre Arbeit aufgenommen. Hinweise auf technisches Versagen gibt es bislang nicht, dafür mehren sich die Hinweise, dass die Wetterbedingungen zu schlecht für eine sichere Landung unter Sichtflugbedingungen waren.

Nach dem gestrigen Absturz des Bell 429, OE-XCE, der Goldeck Flug am Flugplatz Wiener Neustadt Ost (LOAN), hat die Flugunfallkommission heute Ermittlungen zur Ursache an Ort und Stelle aufgenommen. Das Landeskriminalamt der Exekutive sicherte ebenfalls Spuren. Die Leiche des Piloten Roland P. war bereits gestern geborgen und abtransportiert worden.

"Die Freiwillige Feuerwehr Wiener Neustadt unterstützte durch Beleuchtungsarbeiten die Ermittlung des Landeskriminalamtes. Nach Freigabe wurde durch die Feuerwehr der Leichnam des Piloten geborgen. Dabei wurde aufgrund der verbrannten Kohlefasern und der Dämpfe des Helikopter-Wracks umluftabhängiger Atemschutz in Form von Filtermasken verwendet."
FF Wiener Neustadt

Ermittler vermessen und fotografieren die Unfallstelle und das Wrack ganz genau.

Der ursprünglich aus Bozen kommende Helikopter hatte den Unternehmer Hans Peter Haselsteiner an Bord. Dieser war jedoch nach eigenen Angaben zuvor am Semmering ausgestiegen und zeigte sich Medien gegenüber "völlig geschockt und fertig", als er von dem Absturz erfuhr. Seitens der Feuerwehr hieß es, dass ein Spaziergänger nach dem Hubschrauberabsturz die Feuerwehr verständigt habe. Weitere Notrufe gingen innerhalb kurzer Zeit ein, unter anderem bei der Polizei.

Beim Eintreffen der Feuerwehr stand der Helikopter bereits in Vollbrand für den Piloten, er soll auch die Qualifikation als Fluglehrer gehabt haben, kam jedoch Hilfe zu spät.

Schlechtes Wetter
Bislang konnten keinerlei Hinweise auf technisches Versagen gefunden werden. In Fliegerkreisen heißt es zudem, dass der Pilot dem Tower keine Probleme gemeldet habe. Allerdings war das Wetter zum Unglückszeitpunkt ausgesprochen schlecht. Neben Dunkelheit wird Nebel mit einer Sichtweite von 100 bis maximal 400 Meter kolportiert. Der Flugplatz Wiener Neustadt Ost ist jedoch ausschließlich für Anflüge nach Sichtflugbedingungen zugelassen. Um unter diesen Bedingungen (VFR) zu landen, hätte der Pilot mindestens 800 Meter Sicht haben müssen. In Fliegerkreisen gehen zahlreiche Piloten daher davon aus, dass der Pilot gar nicht hätte landen dürfen, im Nebel die Orientierung verloren und schließlich abgestürzt ist.

Die Radaraufzeichnungen belegen, dass der Pilot im dichten Nebel kurz vor dem Crash offenbar völlig die Orientierung verloren hatte - Foto: Screenshot FR24

Dafür sprechen mehrere Indizien: Radaraufzeichnungen zeigen in den letzten Minuten vor dem Crash einen "Irrflug" im Bereich des Flugplatzes. Zudem liegt die Operationsbasis von Goldeck Flug, dem Betreiber des Helikopters, auf der rechten Seite der Piste 27, der Absturz erfolgte jedoch links der Landebahn 27. Nur wenige Meter weiter und der Helikopter wäre in die Produktionshallen von Diamond gestürzt. Das Fahrwerk des Helikopters war zudem beim Aufprall einzogen, wie das Austrian Wings Team beim Lokalaugenschein am Flugplatz Wiener Neustadt feststellte, was die legitime Schlussfolgerung zulässt, dass der Pilot vom plötzlichen Bodenkontakt offenbar völlig überrascht wurde.

Auf dem rechten oberen Bildrand ist das eingezogene Fahrwerk deutlich zu erkennen.

Letzte Flüge
Die OE-XCE verließ den Flugplatz Wiener Neustadt Ost laut Flightradar24 zum letzten Mal am 20. November um 09:47 Uhr, um nach Innsbruck zu fliegen, wo sie nach 2 Stunden und 8 Minuten Flugzeit landete. Rund 15 Minuten später erfolgte der Weiterflug von Innsbruck nach Bozen in Südtirol. Am 21. November verließ der Bell 429 Bozen um 15:12 Uhr. An Bord befanden sich der Pilot und der Unternehmer Hans Peter Haselsteiner. Das Ziel des Fluges war Wiener Neustadt, wo um 16:54 bei Dunkelheit und Sichtweiten, die eine legale Landung nach Sichtflugregeln vermutlich unmöglich machten, der Crash erfolgte. Haselsteiner selbst hatten den Helikopter bei einer Zwischenlandung im Semmeringgebiet verlassen, sodass sich der Pilot beim Absturz alleine an Bord befand.

Der Pilot
Der verunglückte Pilot Roland P. stammt aus Kärnten und flog seit über zehn Jahren beruflich Hubschrauber. Seine Ausbildung begann er als "Spätberufener" im Jahr 2009, seit 2016 war er für Goldeck Flug tätig. Im Frühjahr 2019 sprach P. davon, rund 2.000 Flugstunden absolviert und die Fluglehrerberechtigung für Helikopter erworben zu haben.

Eingesetzte Kräfte
Die Feuerwehr Wiener Neustadt stand aufgrund des Absturzes mit 26 Mitgliedern und zahlreichen Einsatzfahrzeugen mehrere Stunden im Einsatz. Außerdem anwesend waren mehrere Rettungsfahrzeuge des Samariterbundes sowie eine Notärztin und der Bezirkseinsatzleiter des Roten Kreuz. Dazu kamen Kräfte der Exekutive.

Wann kommt Bericht?
Wann beziehungsweise ob überhaupt ein Abschlussbericht der Untersuchungskommission erscheint, steht indes in den Sternen. Zwar gibt die ICAO vor, dass nach einem Unfall binnen eines Jahres ein solcher Bericht erstellt werden soll, die österreichische Unfalluntersuchungsstelle hat jedoch jede Menge offene Unfälle aufzuarbeiten. Darüber hinaus benötigte sie in der Vergangenheit selbst bei vergleichsweise einfachen Untersuchungen bis zu 13 Jahre, ehe ein Abschlussbericht fertiggestellt wurde. Zudem war auch die fachliche Komponente immer wieder in die Kritik geraten, etwa weil Unfallermittler beim Absturz eines Polizeihelikopters in den Achensee fachliche Defizite erkennen ließen.

(red)