Punktlandung

Österreich und seine Kampfjets: Politische Trauerspiele... mit M-346 Fortsetzung

Die M-346 ersetzt die vor 5 Jahren stillgelegte Saab 105. Hatte Österreich einst 40 Saab 105 (von denen zuletzt noch 18 flogen) werden gerade einmal 12 M-346 als Ersatz beschafft, laut Experten viel zu wenig. - Foto: Peter Hollos / ph-otos.at

Teile der Grünen echauffieren sich darüber, dass Österreich für den Saab 105 Nachfolger M-346 angeblich zu viel bezahlen und offenbaren damit, nicht zum ersten Mal, ihre völlige Ahnungslosigkeit in solch komplexen Angelegenheiten. Ein Kommentar des renommierten internationalen Militärluftfahrtjournalisten Martin Rosenkranz zur Thematik.

An einem denkwürdigen Abend im März 2000, während ein paar hundert Meter weiter Demonstranten zur Staatsoper marschierten, lauschte ich mit meinem Freund Georg Mader einem Vortrag des damaligen Air Chiefs des Bundesheeres, Brigadier Bernecker, im Offizierskasino Schwarzenbergplatz.

Thema aus Anlass der Draken-Nachbeschaffung war der Istzustand der Luftstreitkräfte Österreichs. Einer der vielen Kernsätze des Vortrages „Wir haben in unseren Luftstreitkräften 170 Luftfahrzeuge – (Pause) - über deren Kampfwert man diskutieren kann...

Ist-Stand
Stand heute verfügt das Bundesheer noch über 88 Luftfahrzeuge. Darüber hinaus sind fünf Black Hawks in Umrüstung in Alabama/USA, Auslieferung vermutlich bis Ende 2026. Von 36 bestellten Leonardo AW169 Lion sind neun ausgeliefert. Geplante Auslieferung der restlichen 27 bis Ende 2028.

Als Ersatz für die drei alten C-130 Hercules sind vier nagelneue Embraer C-390 Millennium bestellt, Auslieferung bis 2029. Ebenfalls dem Lebensende nahe, die AB-212 Hubschrauber in Linz-Hörsching. Als Ersatz sollen zwölf UH-60M bis 2028 im Land sein.

Wieder auferstehen soll die Jet-Ausbildung in Österreich. Die letzten 18 Saab 105, mit der man das noch selbst gemacht hat, wurden 2020 abgestellt. Die Republik Österreich befindet sich in Verhandlungen mit Italien um den Ankauf von zwölf Unterschall-Jettrainern M-346FA. Auch in der Planungspipeline sind vier zweimotorige Multi-Sensorträger als Ersatz für die sechs PC-6 sowie vermutlich sechs MALE-Drohnen.

Saab 105 im Flug - Foto: Bundesheer

Somit wird man Anfang der 2030er Jahre bei rund 120 Luftfahrzeugen landen. Zu diesem Zeitpunkt will man dann auch bereits Eurofighter-Nachfolger bestellt und in Produktion haben. (Anmerkung der Redaktion: Laut Experten-Berechnungen bräuchte Österreich allein mindestens 75 Kampfflugzeuge, wie Autor Martin Rosenkranz bereits 2022 in diesem Kommentar berichtete).

1,6 Milliarden für Jets
Der Kostenrahmen den sich das Bundesheer für die Investitionen im Bereich der aktiven Luftraumüberwachung (= Eurofighter-Upgrade + Trainer-Neubeschaffung ) im Aufbauplan 2032+ gesetzt hat, beträgt 1,6 Milliarden Euro. Für Eurofighter-Zweisitzer ist es längst zu spät. Es dauert zu lang, die Investition ist zu riskant. Die Industrie will die Tranche 1 loswerden, die Streiterei ab welchem Zeitpunkt die 30 Jahre Systemgarantie begonnen haben läuft im Hintergrund schon seit Jahren. An das Jahr 2037 glaubt von den damit befassten Fachleuten niemand mehr.

Fast dasselbe gilt für Eurofighter-Upgrades. Es wird den Litening V Pod geben, mit dem man Tag und Nachts dutzende Kilometer weit sehen, selbst Beschriftungen auf Flugzeugen lesen kann. Für weitreichende Raketen ist es zu spät. Bis die geliefert, eingerüstet und ausgebildet wären, muss der Eurofighter abgestellt werden. Das selbe gilt selbst für eine rudimentäre Selbstverteidigung, der Zug ist abgefahren.

Bitte warten
Denn eine der vielen Realitäten der Zeitenwende ist die Geduld und die Phantasie die man benötigt, wenn man heute Rüstungsgüter bestellen und geliefert haben möchte. Es ist ja nicht so, dass die Luftfahrt- und Rüstungsindustrie je von Pünktlichkeit geplagt war. Mittlerweile muss sich die Industrie aber wirklich keine Ausreden mehr einfallen lassen. Eine explodierende Nachfrage trifft auf den Mangel an geeignetem Personal und einer sehr problematischen Rohstoffversorgung, erwähnt sein Titan und seltene Erden. Die Folgen der Zeitenwende sind explodierende Preise und skandalöse Liefertermine.

Auf der kürzlich stattgefundenen Rüstungsmesse IDET hat ein tschechischer Spezialist für Mikroturbinen – diese werden zum Beispiel für Cruise Missiles gebraucht – von den Folgen der enormen Nachfrage berichtet. Der Ausstoß an Turbinen in Tschechien wird verdoppelt, das Ganze in den USA gespiegelt, die Produktion in Summe somit vervierfacht. Trotzdem wird in den nächsten Jahren kein neuer Kunde mehr angenommen, es lässt sich schlicht und einfach nicht mehr produzieren.

Ein diskutabler Kampfwert
25 Jahre nachdem Brigadier Bernecker den Kampfwert seiner Luftstreitkräfte zur Diskussion stellte, hat sich die Kampfkraft der Luftstreitkräfte der Republik Österreich nicht weiter entwickelt.

Damals waren es elf OH-58 mit 7,62mm Revolverkanonen, heute sind es zehn (Absturz 3C-OG am 17. Juni 2014). Von den einst 16 PC-7 sind noch zwölf im Bestand, vier wurden 2012 verkauft. Deren Bewaffnung besteht aus 12,7mm MG-Behältern und ungelenkten 70mm Luft/Boden-Raketen. Und statt 24 Draken mit 30mm Kanonen und Sidewinder-Kurzstrecken-Luft/Luft-Raketen gibt es nun 15 Eurofighter mit 27mm Kanonen und IRIS-T-Kurzstrecken-Luft/Luft-Raketen.

24 Draken (hier eine 6er-Formation auf der Airpower 2005) ...
... wurden durch nur 15 Eurofighter ersetzt, die auch noch "technisch kastriert" wurden, wofür der SPÖ-Verteidigungsminister Norbert Darabos die Verantwortung trägt, der übrigens selbst niemals Wehrdienst geleistet hat. - Fotos: www.der-rasende-reporter.info

Um das mal historisch einzuordnen. Lenkbomben hatte die deutsche Luftwaffe bereits im zweiten Weltkrieg. Mittelstrecken-Luft/Luft-Lenkwaffen gab es ab den späten 1950er Jahre und Luft/Boden-Lenkraketen gab es auch schon Anfang der 1960er.

Vor 35 Jahren hat die damalige Bundesregierung das Spezialwaffenverbot im Staatsvertrag (Artikel 13) als obsolet erklärt. Die seit damals beschafften Waffen dieser Kategorie lassen sich mit den Fingern einer Hand aufzählen und verfügen sämtlich über Maximalreichweiten auf Sicht.

Mit anderen Worten, was Österreich in einem Krieg in die Luft bringen könnte, würde von außerhalb der eigenen Reichweite zusammengeschossen. Über diese Fähigkeiten verfügen alle befreundeten und via EU-GSVP verbündeten Staaten Österreichs und darüber hinaus natürlich auch alle potenziellen Gegner längst.

Der „Luxustrainer“
Womit wir zum Kern des neuen Streitpunkts kommen. Das Bundesheer will das neue Trainingsflugzeug M-346 nicht nur als Ausbildungsgerät, sondern dieses auch mit Sensoren ausstatten und bewaffnen.

Ein Anbieter der leistungsmäßig nicht mithält kritisiert die Anforderungen an das Flugzeug als völlig überzogen. Fakt ist, die Planungen nahmen nach dem Beginn des Angriffskriegs Russlands auf den Ukraine im Februar 2022 eine Wende. Und sie tun das bis zuletzt. Was am Luftkrieg in der Ukraine erkennbar ist – was kann gehen und was geht jedenfalls nicht - fließt mittelbar immer noch in das Vorhaben ein.

Die Innenrevision im BMLV kritisiert, dass die koreanische überschallfähige nicht in Erwägung gezogen wurde. Wobei ganz konkret Polen beide Flugzeuge betreibt, die M-346 für die Phase 3+4 Ausbildung und die FA-50 als leichtes Kampfflugzeug. Inwieweit sich die FA-50 für Phase 3+4 eignen würde sei dahin gestellt. Fakt ist je schwerer das Flugzeug wird und je schneller es fliegt, desto höher fallen die Kosten der Flugstunde aus. Und das Bundesheer will künftig sehr viel mehr fliegen. Zu den rund 1.500h im Jahr am Eurofighter sollen mindestens noch weitere 2.400h mit dem Trainer kommen.

Und politisch medial hochgezogen werden Preisvergleiche mit Polen und Nigeria und eine einigermaßen skurrile Kritik an Luftbetankungseinrichtungen kolportiert.

Preisvergleiche
Aus Polen sind konkrete Zahlen veröffentlicht. Niemand muss spekulieren. Polen hat Ende Februar 2014 acht M-346A und jeweils im März 2018 und im Dezember 2018 nochmals jeweils vier M-346A bestellt. Inklusive Infrastruktur, Flugsimulatoren, Schleudersitz- und Notfallverfahrenssimulator, ein computergestütztes Trainingssystem, Ausbildung und einem Logistikpaket hat das den Polen 2.711.402.642 Złoty und 91 Grosz gekostet. Unter Berücksichtigung der damaligen Wechselkurse waren das 645.076.350,- Euro. Mit Inflation dürfe das einem heutigen Wert von 800-850 Millionen Euro entsprechen.

Deutlich undurchsichtiger die Sachlage bei Nigeria. Dort wird im März 2021 vom Ankauf von 24 M-346FA um 1,2 Milliarden Euro berichtet. Als Liefertermin wird das dritte Quartal 2021 angegeben, was völlig utopisch ist. Leonardo hat keine Flugzeuge fertig im Verkaufsraum stehen. Von einer Vereinbarung mit Leonardo wird im vierten Quartal 2022 berichtet. Von einem unterzeichneten Vertrag erst im Mai 2023.

Im Oktober 2024 genehmigt das nigerianische Kabinett einem Kreditplan in Höhe von 618 Millionen Dollar für die erste von vier Tranchen aus sechs Flugzeugen zuzüglich Bewaffnung aus (mutmaßlich) Israel. Als Liefertermine werden drei Maschinen 2025 und weitere drei 2026 genannt.

Das Österreich-Paket
Was die Ausbildungskomponente betrifft, will das Bundesheer offenbar den auch international sehr hoch einzuordnenden Standard der IFTS in Sardinen/Italien nach Österreich spiegeln. Wir reden hier nicht nur von fliegen lernen sondern von taktischer Ausbildung bis hin zu Luftkriegsszenarien samt virtuellen Verbündeten und Gegnern und Raketen in der Luft und am Boden, die den Piloten live in die Cockpits gespielt werden. Und natürlich auch von einer zeitgemäßen Simulatorfamilie, Cockpittrainer, Missionssimulator, virtuelle Wartungstrainer.

Das ist, verglichen mit der Saab 105, ein Zeitsprung in der Ausbildung von den Normen die es bereits in den 1950er Jahren gab in die Realität der heutigen Luftkriege. Darüber hinaus werden für die zwölf als AJT (Advanced Jet Trainer) bezeichneten Flugzeuge auch acht „FA“-Kits (Fighter Attack) bestellt.

Österreich bezahlt einen Teil der Modernisierung der M-346FA mit. Das ist im Cockpit ein Sprung vom Standard der 4.Generation Kampfflugzeuge (mehrere Bildschirme) in die 5.Generation (großer Flachbildschirm). Das ist beiden Sensoren ein Sprung vom Standard der 4.Generation Kampfflugzeuge (mechanische Radar-Antenne) in die 5.Generation (elektronisch schwenkende AESA-Radar-Antenne). Darüber hinaus strebt das Bundesheer die Integration der militärischen Datenübertragung „Link-16“ an. Und die M-346 wird die IRIS-T Lenkwaffe mit Helmvisier verschießen können. Auch etwas, dass der Eurofighter hätte können, wäre es nicht gestrichen worden.

Hinzu kommen Behälter für die elektromagnetische Kriegsführung. Signale aus der Bandbreite der militärischen Funktechnik werden aufgespürt, identifiziert, der Pilot gegebenenfalls vor Gefahren gewarnt. Konkrete Bedrohungen wie z.B. anfliegende Raketen können damit gestört werden, um sich selbst zu schützen. Was für den Eurofighter geplant und ursprünglich auch bestellt war, bevor ein Minister das eigenmächtig auf Hotelpapier herausgestrichen hat, soll 20 Jahre später also nun nachgeholt werden.

Das sind alles Dinge, die seit den Zeiten des Vietnamkrieges gewachsen und längst überall Norm sind. In Österreich ist man noch nicht viel weiter als, dass man weiß, dass es das auch gibt. Eine der viele Realitäten unserer Landesverteidigung.

Auch was die optische Wahrnehmung der Umgebung betrifft, soll die M-346 das Bundesheer in die aktuelle Realität stoßen. Nicht nur in der Luft, sondern auch am Boden Objekte auf große Entfernung erkennen und automationsunterstützt identifizieren. Riesige Flächen rasch fotografieren und die Veränderungen darin automatisch anzeigen können. Alles längst internationale militärische Standards, wo das Bundesheer Jahrzehnte an Versäumnissen aufholen muss. Und es ist nicht mehr fünf nach zwölf, sondern die Uhr längts stehen geblieben weil sie nie aufgezogen wurde (oder die Batterie leer ist).

Vom „Luxus“
Ja, die zwölf Leonardo M-346 Jettrainer kann man gut mit dem Begriff „Luxus“ in Verbindung bringen. Ganz Europa hat die Jahre an Friedensdividende genossen. Und Österreich ganz besonders. Viel Geld ausgegeben hat man nie. Gebrauchte Panzer und Flugzeuge beschafft. Die Panzer ohne zugehörige Pionier- und Brückenpanzer. Die Flugzeuge ohne zugehörige Bewaffnung und Sensorik. Ganze Waffenkategorien hat man wegignoriert. Eines der vielen Sahnestückchen war dann der Luxus sich einen Verteilungsminister zu leisten, der einst selbst die Wehrpflicht verweigert hatte.

Trotz Bekenntnis zu Landesverteidigung in der Bundes-Verfassung leistet man sich weiterhin nur 6 Monate Wehrpflicht. Wobei auch diese mit Wehrersatzdienst umgangen werden kann. Trotz Gleichberechtigung müssen weiterhin nur Männer diese leisten, sofern diese Staatsbürger sind, was ja seit Jahren immer größer werdende Anteile der Bevölkerung nicht sind. Die Folge es gibt zu wenig SoldatInnen.

Und auch der politische Luxus eines Landesverteidigungs-Finanzierungsesetzes inkl. Bekenntnis zu steigenden Budgets und parallel dazu ein Bundesfinanzrahmengesetz, dass das Bundesheer-Budget auf 1% BIP einfriert, leistet man sich.

Und so bleibt unter den vielen überwundenen Skandalen rund um das Bundesheer ein politischer Dauerskandal stehts bestehen. Nämlich dass der Geist zuweilen willig, aber das Fleisch dann zumeist schwach ist.

Text: Martin Rosenkranz

Über den Autor
Luftfahrtexperte Martin Rosenkranz ist Gründer und Chefredakteur des Militärluftfahrtmagazins "Airpower.at" und hat sich in den vielen Jahren der Eurofighter-Ausschreibung, Beschaffung und den Nachwehen intensiv mit diesen Vorgängen beschäftigt. Er war auch im Untersuchungsausschuss live dabei und gilt als einer der international am besten informierten Experten auf diesem Gebiet. Aktuell schreibt er unter anderem für das Militärmagazin "Militär aktuell".

Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.