Punktlandung

Teil 6/6 Geht der Dornröschenschlaf des Eurofighters zu Ende?

Credit Titelbild: Lockheed Martin

Im letzten Teil unserer Reihe zur Causa Eurofighter befasst sich Autor Martin Rosenkranz mit möglichen Zukunftsszenarien.

Ein Österreichisches Eurofighter MLU (Mid Life Update)

1) Lenkwaffe
Wohl am raschsten umzusetzen - und zwar sowohl technisch als auch was die Ausbildung betrifft – wäre die Integration einer bereits auf Tranche 1 integrierten radargesteuerten Lenkwaffe. Es sind dies nicht mehr die aller modernsten, aber doch in der höheren Region der Leistungsfähigkeit angesiedelten, AIM-120C AMRAAM Raketen. Eventuell sogar gebraucht. Um den Anforderungen General Briegers nachzukommen – Stichwort „Potential ausschöpfen“ - reicht das allerdings nicht.

Deutlich leistungsfähiger – und zwar Weltspitze diesbezüglich und somit ein „ausschöpfen“ – wäre die europäische Rakete METEOR. Kleines Manko...sie müsste wohl erst in die Tranche 1 integriert werden.

Paul Smith von BAE Systems hat die prinzipielle Machbarkeit bestätigt.

https://world.eurofighter.com/articles/paulsmith

2) Nachtsichtgeräte, Identifikationsfähigkeit
Drei Lösungen für die Fähigkeit in der Nacht optisch zu identifizieren sind grundsätzlich Denkbar.

  • Das ist zum einen ein Helm der diese Fähigkeiten mit bringt.

  • Günstiger wären Nachtsichtbrillen wie sie auch von den österreichischen Hubschrauberpiloten bereist seit langem verwendet werden.

  • Leistungsfähiger und flexibler wäre ein Pod der an einer der Außenlaststationen befestigt wird.

  • Üblicher ist eher eine Kombination aus Brille oder Helm UND Pod.

Unklar ist ob das als PIRATE fest verbaute System vor dem Cockpit verfügbar ist. Die aktuell neu verbauten Geräte dürften wohl nicht mit T1 kompatibel sein und ob Gebrauchtgerät angeboten wird, muss stark angezweifelt werden. Die Lösung wäre auch die Unflexibelste weil ein fest verbautes Gerät pro Flugzeug sicherlich nicht realisierbar wäre.

Bei der Pod-Variante ist zuerst der bereits integrierte „Rafael Litening Pod“ zu nennen. Diese gib es definitiv neu und gebraucht. Auch hier geht die Ausbildung relativ zügig.

Es gibt definitiv bereits Eurofighter Tranche 1 die mit dem „Litening III“ Pod arbeiten können. Die derzeit modernste Variante „Litening V“ wird bei der RAF in die moderneren Tranchen eingerüstet – die Qualität der Pods um „eine Größenordnung besser“ bezeichnet.

https://youtu.be/Yi9d8bstWsE?t=76

3) Selbstschutz

Am schwierigsten und langwierigsten ist wohl der Selbstschutz. Zwar hat auch der Black Hawk EW aber beim Eurofighter ist das alles noch eine Nummer leistungsfähiger. EuroDASS wehrt nicht nur ab sondert sammelt auch Signale. Hier muss man lernen das zuzuordnen um so die vorab erworbenen „Bibliotheken“ ständig nachzuführen. Das System kann nur so leistungsfähig sein wie die Arbeit die man permanent investiert. NATO Staffeln haben umfangreiche Personalkontingente für diese essentiell wichtige Arbeit.

In Österreich wird man da mit deutlich weniger EW Spezialisten auskommen müssen, hat aber – da es keine exterritoriale Aufgabenstellung gibt - auch ein überschaubares Umfeld.

4) Die (R)evolution.....Infrarot bringt ganz neuen „Spielregeln“ im Kampf um die Lufthoheit
Radar ist seit vielen Jahrzehnten das Primärwerkzeug zur Suche, Erfassung und auch Zielzuweisung. Mit dem gehäuften Auftreten der F-35 und anderen mit Stealth-Techniken versehenem Gerät, wie Drohnen und Lenkflugkörper, ändern sich die Spielregeln. Nicht nur ist deren Radarecho stark reduziert und vermindern so die Effektivität des Primärsensors ihrer Gegner, sondern im Zug der F-35 Entwickelung wurde parallel für diese Maschine optische Sensoren entwickelt, um sie in die Lage zu versetzen passiv – ohne Ausstrahlung eigener verräterischer Signale – Ziele zu finden, zu verfolgen und zu identifizieren.

Das Infrarotspektrum ist zwar seit vielen Jahrzehnten in Gebrauch, es war aber immer so etwas wie der „keine Bruder“. Passiv zwar aber in der Reichweite deutlich beschränkt und wesentlich mehr vom Wetter beeinflusst als die längerwelligen Radarfrequenzen.

Fortschritte im Bereich der Infrarot-Technologie, vor allem was Auflösung und Kontrast – die Fähigkeit zur immer besseren Bilddarstellung - und die Möglichkeiten immer exakter zwischen den Absorptionsbereichen im Mikrometerwellenlängenbereich zu arbeiten, ändern aber zunehmend die Spielregeln.

https://youtu.be/qF29GBSpRF4

Dieses Video zeigt die Erfassung der NASA ATREX Raketenstarts im Jahr 2012 durch das elektro-optische „AN/AAQ-37 DAS“ der F-35 (violett) sowie erst darauf folgend mit Radar(gelb).

Heute ist eine F-35 in der Lage per Multisensortechnik ein „Profil“ des Gefechtsfeldes zu erstellen, mit einem Vorbeiflug, für alle eigenen Kräfte. Die Fähigkeiten schneller zu fliegen und mehr Waffen hat man zugunsten überragender Sensorleistungen den Vorzug gegeben. Darin liegt die wahre Macht der 5.Generation.

https://youtu.be/MXoqb7GT6Lk

...let there be light....

Die US Air Force und die US Navy sind dabei ihre „Legacy Jets“, die F-15, F-16 und F-18 mit Sensoren nachzurüsten, die alles Andere als ein Add-on sind, sondern als „Game Changer“ bezeichnet werden. Und auch Tests mit Drohnen laufen bereits. Seit beinahe einem Jahr im Test – Avenger UAV mit Legion Pod als eine Art passives Datalink-AWACS.

https://twitter.com/DefenseMirror/status/1480796561688965120?s=20&t=AU9VTauW9EWHooFn5uWNSw

Das bei der US Air Force „AN/ASG-34 IRST“ genannte Gerät mit dem als „IRST21“ bezeichneten Sensor soll Such-, Verfolgungs- und Identifizierungsfähigkeiten auch gewährleisten wenn Radar absorbiert, unterdrückt oder gestört wird. Und der Sensor selbst scheint erheblich größer als z.B. das Pirate im Eurofighter oder die „Distributed Aperture Sensoren“ der F-35. Den „Legacy Jets“ soll offenbar in der vorderen Hemisphäre durch einen weiteren starken Sensor ein Luftkampf-Vorteil auch gegen Stealth-Flugzeuge ermöglicht werden.

Im Gegensatz zum „Litening“, der eigentlich als Luft/Boden-Werkzeug entwickelt wurde und Luft/Luft Zielverfolgung und Identifikation mit der Zeit dazu bekommen hat, ist der „Legion Pod" also reine Luft/Luft-Lösung. Das Gerät ist auf bisher ungewöhnlich hohe Entfernungen von bis zu 185km zu suchen, zu verfolgen, zu klassifizieren, zu identifizieren und , Feuerleitlösungen zu erstellen – und das natürlich alles passiv.

2020 hat eine F-15C des 85th Test and Evaluation Squadron erstmals eine AIM-9X Sidewinder per „Legion Pod" Zielzuweisung abgefeuert. 2021 wurde so eine QF-16 Drohne mittels AIM-120 abgeschossen.

Dieser bereits sieben Jahre alte Artikel beschreibt die massiven Änderungen solcher Fähigkeiten in Luftkampfszenarien sehr detailliert:

https://jalopnik.com/infrared-search-and-track-systems-and-the-future-of-the-1691441747

Mit der F-15C wurde IOC (initial operating capability) am 21.Jänner 2022 erreicht. FOC (full operating capability) soll noch im selben Jahr erreicht werden.

https://twitter.com/AirRecognition/status/1491793073784836098?s=20&t=ky93hfcmIfL5Lcwzg_7THQ

Diese F-16C Block des 85th 85th Test and Evaluation Squadron fliegt Kampfszenarien um die Software des Legion Pod zu entwickeln.

https://twitter.com/AirRecognition/status/1435152338390499331?s=20&t=AU9VTauW9EWHooFn5uWNSw

Jetzt oder nie mehr ...
Ob und welche Sensoren in dieser Qualität für den Eurofighter verfügbar sind wäre zu prüfen. Jedenfalls hätte eine solche Integration sicher sicher ihren Preis. Eine so tiefe Integration – passive Zielsuche und Verfolgung, passive Zielidentifikation und Zielzuweisung, ist nicht billig...nur die Softwarearbeit vermutlich teurer als die Hardware...sofern sich überhaupt eine Exportgenehmigung erwirken ließe. Immerhin ist das Gerät nagelneu, sehr leistungsfähig und Österreich nicht in der NATO. Und der zeitliche Aspekt muss auch berücksichtigt werden, an so einem Softwarepaket arbeitet man eine ganze Weile ...

Trotzdem sollte man intensiv darüber nachdenken. „Its now or never“. Falls überhaupt eine Nachrüstung für den Eurofighter kommt, dann wird es auch die Letzte sein. Jetzt den Eurofighter so aufzupäppeln, wie er vor 15 Jahren hätte sein sollen, ist eine Investition in die Vergangenheit. Der Blick muss aber in die Zukunft gerichtet sein. Passt man nicht auf versäumt man eine (R)evolution.

Schlussfolgerung
Schöpft man im Sinne der Aussage General Briegers das Potential des Eurofighters aus, dann entsteht ein Gerät mit dem – zusammen mit anderen Maßnahmen - auch robuste Aufgaben zur Erhaltung der EU Lufthoheit in Mitteleuropa bewältigbar sind.

Es gibt zwei Wege in diese Zukunft.

Zum einen der Litening-Pod, der eine Zukunft in eine sehr viel weiter in die gesamten Streitkräfte integrierte Überschaffliegerei darstellen kann. Damit lassen sich die Luft/Luft-Aufgaben in der Nacht bewältigen, aber man kann auch an so Dingen arbeiten wie Zielkoordinaten für die Artillerie oder Ziele für die Fliegerabwehr zu ermitteln und per Link zu übertragen. Dies ist die Zukunft die in Richtung 5.Generation führt.

Der andere Weg ist wie bisher ausschließlich Luftraumüberwachung und das auf dem technisch bestmöglichen Niveau. Vom fliegenden Material her betrachtet wird auch diese Zukunft in der 5.Generation landen, denn reine Jagdflugzeuge gibt es nicht mehr. Allerdings wird dann wohl in 15 Jahren die Frage auf dem Tisch liegen weshalb man nicht schon eher den sehr viel größeren „Rest„ des Bundesheeres mit in die Multisensor-Datenvernetzungszukunft mitgenommen und die Fähigkeiten des Heeres insgesamt gesteigert hat.

Mit low-Budget Lösungen bleibt man jedenfalls weiterhin nur Luftraumüberwacher im Friedensbetrieb und der Österreichische Luftraum wird für die umliegenden Länder im Zuge einer Krise zum Problemfall....und Österreich diesbezüglich zu einer Belastung im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Text: Martin Rosenkranz

Über den Autor
Luftfahrtexperte Martin Rosenkranz ist Gründer und Chefredakteur des Militärluftfahrtmagazins "Airpower.at" und hat sich in den vielen Jahren der Eurofighter-Ausschreibung, Beschaffung und den Nachwehen intensiv mit diesen Vorgängen beschäftigt. Er war auch im Untersuchungsausschuss live dabei und gilt als einer der international am besten informierten Experten auf diesem Gebiet. Aktuell schreibt er unter anderem auch für das Militärmagazin "Militär aktuell".

Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.