Reportagen

Abschied von der Saab 105: It was the "Sound of Freedom"!

Ehre, wem Ehre gebührt - zum Abschied nach einem halben Jahrhundert gab es für eine Saab 105 eine Sonderlackierung - Fotos, sofern nicht anders angegeben: Bundesheer

Mit einem - wegen der Coronapandemie enorm "abgespeckten" - Festakt am Fliegerhorst Vogler in Linz verabschiedete das Bundesheer heute die Saab 105OE. Weil die Politik es bisher in verantwortungsloser Manier verabsäumt hat, einen Nachfolger zu beschaffen, liegt die strahlgetriebene Luftraumüberwachung mit 1. Jänner 2021 allein in den Händen des Systems Eurofighter.

Nach einem halben Jahrhundert Dienst für die Republik Österreich mit unglaublichen 156.517 Flugstunden und 254.000 Einsätzen, schickt das Österreichische Bundesheer seine Saab 105 in den wohlverdienten Ruhestand. Damit stehen für die strahlgetriebene aktive Überwachung des österreichischen Luftraums ausschließlich jene durch den in Fachkreisen heftig umstrittenen Vergleich des früheren Verteidigungsministers Norbert Darabos in ihrer Einsatztauglichkeit stark eingeschränkten Eurofighter der Tranche 1 zur Verfügung.

Beim heutigen Festakt auf dem Fliegerhorst Vogler in Linz ließ Brigadier Gerfried Promberger, seit Sommer dieses Jahres mit der Führung des Kommandos der Luftraumüberwachung betraut und selbst Saab 105-Einsatzpilot, die Geschichte des zweistrahligen "Schwedenbombers" noch einmal Revue passieren.

Brigadier Gerfried Promberger

Eigene Version für Österreich
Am 20. Juli 1967 beschloss der Verteidigungsrat den Ankauf von 20 Saab 105, ein Jahr darauf wurde die Bestellung offiziell getätigt. Im Jahr 1969 erfolgte der Auftrag über eine zweite Tranche von ebenfalls 20 Maschinen. Die für Österreich bestimmten Maschinen basierten auf der Exportversion Saab 105XT, wiesen jedoch einige Änderungen auf. So wurden etwa die Tanks vergrößert, sodass sie 500 Liter mehr Kraftstoff aufnehmen konnten. Zudem wurde die Cockpitbelüftung verbessert, eine hochwertigere Avionik verbaut und die Klappensteuerung erfolgte servounterstützt. Diese Version wurde fortan als Saab 105OE (oder Saab 105Ö) bezeichnet. Auch die in den 1980er beschafften Saab J 35 Draken erhielten nach entsprechenden Modifikationen die (Zusatz-)Bezeichnung "OE".

Promberger: "1970 begannen die Einführungskurse für Piloten und Techniker der Saab 105 am Fliegerhorst Vogler sowie in Schweden."

Besucher eines Flugtages am Fliegerhorst Tulln Langenlebarn bestaunen eine Saab 105 - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew

Am 2. Juli vor einem halben Jahrhundert war es dann soweit - die ersten drei Maschinen mit den Kennungen "YA", "YB" und "YC" landeten in Linz, bis 1972 waren alle Maschinen ausgeliefert. Die Kosten beliefen sich auf rund 800 Millionen Schilling.

Saab 105 in Tiger-Lackierung - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew

Die insgesamt 40 Fluggeräte wurden zunächst auf die Fliegerhorste in Linz, Zeltweg und Graz Thalerhof aufgeteilt. Die Saab 105 war grundsätzlich für eine zweiköpfige Besatzung (mit Schleudersitzen) konfiguriert, konnte aber auch in einen Viersitzer (ohne Schleudersitze) umgerüstet werden. Als Antrieb dienten zwei General Electric J85 17B, die je 1290 Kp Schub lieferten. Die Reisegeschwindigkeit lag bei 680 Stundenkilometern, die Höchstgeschwindigkeit bei 970 Stundenkilometern.

Damit begann für das damalige Jagdbombergeschwader ein neues Zeitalter, und die völlig veralteten deHavilland Vampire sowie Saab J 29 Tunnan ("Fliegende Tonne") wurden außer Dienst gestellt. Glück und Unglück lagen gleich zu Beginn der Einflottung eng beieinander. So stürzte nur ein Jahr nach der Indienststellung die erste Saab 105 ab, doch nur ein weiteres Jahr darauf nahmen die Saab 105 der österreichischen Luftstreitkräfte bei einem internationalen Militärflugtag in Großbritannien teil. Im August 1973 fingen Saab 105 eine türkische Transall im österreichischen Luftraum ab und zwangen sie zur Landung, was zur Verstimmung türkischer Politiker führte.

"1974, also gerade einmal vier Jahre nach der Einflottung, wurde bereits die magische Marke von 10.000 Flugstunden erreicht", erinnert sich Promberger. Die Saab 105 wurde auch bei den (längst von der Politik in die Versenkung geschickten) Kunstflugstaffeln Silver Birds und Karo As als eingesetzt: "Das waren international hochgeschätzte Teams."

Saab 105OE der Silver Birds, 1976 in Greenham - Foto: Mike Freer GFDL 1.2 via Wikipedia

Ebenfalls 1974 errang Oberleutnant Johann Rathgeb bei der militärischen Kunstflugweltmeisterschaft in Greenham (England) auf Saab 105 den Sieg. 1976 promovierte Rathgeb zum Doktor der Rechtswissenschaften, später stieg er bis zum Generalmajor auf und verstarb 2016 im 77. Lebensjahr. Fünf Jahre nach Rathgeb gewann der spätere österreichische Air Chief Erich Wolf ebenfalls auf der 105er die militärische Kunstflugweltmeisterschaft in Greenham.

Das analoge Cockpit der Saab 105 spiegelt den technischen Stand der 1960er Jahre wider - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew

Bereits 1975 hatte die Saab 105 ein weiteres Mal Luftfahrtgeschichte geschrieben: An Bord eines Jets wurde eine Spenderniere nach Rom transportiert. Ab 1976 zog das Bundesheer die Saab 105 gesamt in Linz zusammen.

"Die Aufgaben der Saab 105 waren immer breit gefächert und umfassten unter anderem die Aufklärung, die Feuerunterstützung für Bodentruppen, VIP-Transporte, die Detektion radioaktiver Stoffe, die Pilotenausbildung und natürlich die Luftraumüberwachung."
Brigadier Gerfried Promberger

Im Jahr 1986 wurde die S36, nördlich des Fliegerhorstes Zeltweg, im Rahmen eines Manövers als Behelfspiste für die Saab 105 genutzt. "Man stelle sich vor, was da die Asfinag heute dazu sagen würde", schmunzelt Promberger.

Drei Jahre später, 1989, flogen die österreichischen Kosmonauten-Anwärter für das MIR-Projekt im Rahmen ihrer Selektion auf der Saab 105 mit.

Zwei Jahre später dann die erste richtige Feuerprobe für die Saab 105: Gemeinsam mit dem Saab Draken schützten die Jets während des jugoslawischen Bürgerkrieges die österreichische Souveränität aus der Luft und flogen regelmäßig Patroullien entlang der Staatsgrenze.

Generalleutant Franz Reissner

Die Saab 105 des Bundesheeres nahmen - etwa in Form der Tigerstaffel mit entsprechender Sonderlackierung - auch regelmäßig an den Tiger Meets der NATO teil. Im September 1993 flog die erste Maschine in einer "Tigerlackierung", angelehnt an das Staffelabzeichen. 2013 wurde die Tigerstaffel Mitglied in der "NATO Tiger Association" im Rahmen der Partnerschaft für den Frieden. Auch hier wurde die Saab 105OE als wertvolles Asset geschätzt und in anspruchsvollen Übungsszenarien eingesetzt. Die Piloten konnten hier Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit anderen Luftstreitkräften sammeln, die in Österreich so nicht möglich gewesen wären.

"Die österreichischen Saab 105OE-Piloten konnten ihre in Österreich gewonnenen Erfahrungen in die Übung einbringen und ihre Leistungsfähigkeit demonstrieren", so Major Jürgen Cirtek im Jahr 2017. "Unsere jungen Piloten profitierten vor allem von der in der Heimat durchgeführten Übung 'Slow Mover Protection' und konnten die dabei gewonnenen Erfahrungen in das 'Tiger Meet 2017' einbringen."

"Ein freier Himmel bedeutet ein freies Land. Leider wird das Geräusch unserer Saab 105 und auch der Eurofighter oftmals als Lärm angesehen. Dabei ist es der 'Sound of Freedom'."
Generalleutnant Franz Reissner

Insgesamt standen im Rahmen der Jugoslawien-Krise 14 Saab 105 im Einsatz, die mit ungelenkten 7,5 Zentimeter-Raketen sowie 30mm-Bordkanonen bewaffnet waren.

Piloten im Cockpit der Saab 105- Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew

Die letzten ungelenkten Raketen wurden übrigens 1998 auf dem Truppenübungsplatz Allentsteig (NÖ) verschossen, seither waren die österreichischen Saab 105 ausschließlich mit den 30mm-Gunpods ausgestattet, was technisch gesehen dem Stand der Jagdflieger während des Zweiten Weltkrieges entsprach.

Auch bei der Airshow im kroatischen Warasdin/Varaždin waren österreichische Soldaten mit der Saab 105 vertreten - Foto: Robert Erenstein / Austrian Wings Media Crew

Zu verantworten war dieser unfassbare Zustand von all jenen Regierungen seit 1970, die das Heer in fast schon sträflicher Weise vernachlässigt hatten (so wurden auch für die Saab Draken erst nach dem jugoslawischen Bürgerkrieg Sidewinder-Raketen beschafft).

Die Erkenntnis, dass ein freier Himmel ein freies Land bedeutet, ist übrigens ebenfalls seit den Tagen des Zweiten Weltkrieges bekannt. Das beste Beispiel dafür war die Luftschlacht um England im Herbst vor 80 Jahren. Weil es der deutschen Luftwaffe nicht gelang, den Luftraum über der britischen Insel zu beherrschen, konnten die Deutschen die geplante Invasion Großbritanniens nicht durchführen.

"Jeder frühere Drakenpilot sowie jeder derzeitige Eurofighterpilot des Bundesheeres hat den Einsatzflugbetrieb auf der Saab 105 gelernt."
Brigadier Gerfried Promberger

Im Laufe der vergangenen fünf Jahrzehnte wurden insgesamt 167 österreichische Jetpiloten auf der Saab 105 ausgebildet. 12 von ihnen (sowie zwei mitfliegende Techniker) kamen bei zwölf Abstürzen ums Leben. Der letzte Absturz ereignete sich am 17. April 2003 auf dem Truppenübungsplatz Allentsteig. Der Pilot konnte sich damals mittels Schleudersitz aus dem Flugzeug retten und blieb beinahe unverletzt. Seither gab es keinen Totalverlust einer Saab 105 mehr.

"Als Kommandant der Luftraumüberwachung und noch aktiver Saab 105 Pilot möchte ich mich bei allen aktiven und ehemaligen Piloten und Technikern bedanken, und gedenke heute auch jener 14 Kameraden, die im Dienst auf der Saab 105 ihr Leben verloren haben."
Brigadier Gerfried Promberger

Alle Leistungen, die über die Jahrzehnte mit der Saab 105 erreicht wurden, waren nur durch die unglaubliche Hingabe und Leistungsbereitschaft der Offiziere und Mannschaft möglich.

"Fliegerkameradschaft kennt keine Nationen. Erlauben Sie mir, heute auch Chuck Yeager anzuführen, der vor wenigen Tagen im Alter von 97 Jahren verstorben ist, sowie den an diesem Standort 1945 grausam ermordeten US-Kriegsgefangenen Walter P. Manning zu erwähnen, den wir erst kürzlich mit einem Gedenkstein geehrt haben."
Generalleutnant Franz Reissner

Zum Abschied der Saab 105 wurde eine Maschine in rund 400-stündiger Arbeit mit einer Sonderlackierung versehen.

Die sonderlackierte Saab 105

Was mit den ausgemusterten Saab 105 schließlich geschieht, steht in den Sternen. Es ist aber davon auszugehen, dass der größte Teil der Maschinen in Österreich verbleiben wird - etwa in Museen oder als Gateguard bei verschiedenen Kasernen.

Verteidigungsministerin: Klaudia Tanner, ÖVP - sie hat heuer verkündet, dass es keinen Nachfolger für die Saab 105 geben werde

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner wären jedenfalls gut beraten, als eine von wenigen Verteidigungsministern in der Geschichte der Zweiten Republik endlich verantwortungsbewusst zu handeln und umgehend die Beschaffung eines modernen Nachfolgers für die Saab 105OE in die Wege zu leiten. Oder um es mit den Worten von Generalleutnant Franz Reissner auszudrücken:

"Ich wünsche mir die Bereitschaft von Politik, Medien und Gesellschaft, dem Bundesheer die notwendigen Ressourcen für seine Aufgaben zur Verfügung zu stellen."

Unsere Soldaten, aber noch viel wichtiger, die österreichische Bevölkerung, hätten sich das redlich verdient.

Weitere Fotoimpressionen von der Verabschiedung sowie der Saab 105OE beim Bundesheer

Saab 105 mit 30mm-Gunpods und Aufklärungsbehältern unter den Tragflächen
Munition für die 30mm-Gunpods - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew
Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew
Unter jeder Tragfläche kann ein 30mm-Gunpod montiert werden - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew
Saab 105 beim Start - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew
Ready to fly! - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew
Let's go! Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew
Die Hangars in Linz Hörsching waren Jahrzehnte (bzw. sind es noch bis Jahresende) Heimat der Saab 105 - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew
Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew
Close up des Lufteinlasses von Triebwerk Nummer 2 - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew
Saab 105OE-Rotte über dem Fliegerhorst Zeltweg, im Vordergrund die sonderlackierte Maschine
Tiger über Österreich, Time to say good bye ...

Text: P. Huber