Es war während der Jugoslawien-Krise im Jahr 1991 als ich bei einem Urlaub in der Südsteiermark die österreichischen Draken (Schwedisch für Drache) das erste Mal am Himmel sah - oder besser gesagt hört, noch ehe ich sie erblickte. Denn das Donnern der Drachen ließ das Hotelzimmer regelrecht erbeben und mich in Schlapfen - natürlich samt der Videokamera in der Hand - hinausstürmen und sofort begeistert in den Himmel blicken. Dort vollführten zwei Saab J-35Ö Draken und eine Saab 105 ihre Manöver, die damals auch der Beruhigung der Bevölkerung dienen sollten, nachdem Kampfflugzeuge der jugoslawischen Volksarmee immer wieder den österreichischen Luftraum verletzt hatten und eine Maschine sogar in Klagenfurt gelandet war. Die tragische Geschichte ihres Piloten finden Sie übrigens hier.
Der Saab J-35Ö Draken war Österreichs erster überschallschneller Abfangjäger und es war eine "Hasslliebe". Politiker (und einige wenige - dafür aber lautstarke - Journalisten mit wenig Ahnung von der Materie und/oder einer ideologischen Agenda) führten eine regelrechte Hetzkampagne gegen den neuen Abfangjäger, die dazu führte, dass von gut 20 Draken-Piloten innerhalb kürzester Zeit 11 das Bundesheer wieder verließen. Denn ihre Frauen und Kinder wurden von Bürgern auf hinterhältige Art und Weise gemobbt. Bösartige Sprüche wie "Ich hab' gehört, Dein Mann ist abgestürzt ..." an der Supermarktkasse waren keine Seltenheit. Als 1991 dann der Bürgerkrieg in Jugoslawien ausbrach, standen für die 24 österreichischen Draken nur noch 9 Piloten zur Verfügung - die anderen waren aufgrund des Mobbings in die Zivilluftfahrt gewechselt. Einige landeten nach ihrer Draken-Zeit bei der AUA, andere bei Lauda Air, denn die Draken-Piloten waren hochqualifizierte und begehrte Flieger. Beim letzten Flug der Lauda Air Boeing "Mozart" VOR dem Absturz am 26. Mai 1991 saß übrigens einer dieser Draken-Piloten, die das Bundesheer ernüchtert verlassen hatten, im Cockpit. Er führte gemeinsam mit seinem Kollegen die Rotation Bangkok-Hongkog-Bangkok durch, ehe eine neue Crew die "Mozart" für den Weiterflug nach Wien übernahm - und kurz nach dem Start abstürzte.
Soweit ein kurzer einleitender Blick zurück, der jedoch wichtig ist, um zu verstehen, wie bedeutsam das Buch "Saab Draken in Österreich - eine besondere Geschichte" von Bernd Karner (mein Interview mit ihm finden Sie hier) ist. Als Autor von mittlerweile 20 Büchern, von denen einige in Fachkreisen als Standardwerke gelten (unter anderem mein Buch über den Germanwings-Absturz von 2015, in dem ich sämtliche Verschwörungs-Theorien anhand von Fakten widerlege), weiß ich, wie viel Arbeit es ist, ein Buch zu schreiben - und vor allem die Recherche dazu. Ich selbst habe mitunter 10 Jahre und mehr an Recherche in meine Projekte investiert. Doch was im Fall von Bernd Karner und seinem Draken-Buch noch dazukommt ist, dass - anders als bei zivilen Themen, denen ich mich in meinen Büchern primär widme - kaum öffentlich zugängliche Informationen für die Recherche zur Verfügung standen. Und viele ehemalige Bundesheer-Angehörige, die mit, an dem und auf dem System Draken gearbeitet hatten, würden angesichts des jahrelangen öffentlichen Mobbings NIEMALS mit einem außenstehenden Journalisten sprechen. Doch Bernd Karner als langjähriger Angehöriger des Bundesheeres, hatte einen Zugang zu ihnen - leicht war es aber auch für Karner nicht, denn das Misstrauen saß - vor allem bei den ehemaligen Draken-Piloten - einfach extrem tief. Zu groß waren die Demütigungen und Kränkungen in den 1980er Jahren gewesen. Doch mit viel Engagement schaffte es Karner es, ihr Vertrauen zu gewinnen, mit Technikern und Piloten zu sprechen, die ihm viele Insiderinfos gaben. die Karners Buch wirklich - und man kann sagen weltweit - einzigartig machen.
Besonderen Anteil am Buch hatte auch der ehemalige Draken-Pilot Oberst Doro Kowatsch, der im Vorjahr am Berg tödlich verunglückte und mit einer "Missing Man Formation" geehrt wurde. Die Leistungen dieses für das Bundesheer im Allgemeinen und für das System Draken im Besonderen bedeutsamen Offiziers würdigt Karner im Buch ebenfalls mit der gebotenen Deutlichkeit. "Ohne ihn wäre es vermutlich niemals zu dieser Geschichte gekommen", schreibt Karner - bewegende Worte für eine verdiente Draken-Fliegerlegende. Und dann gelang es Karner auch noch, den letzten Draken-Staffelkommandanten, Roland "Woody" Miedler dazu zu bewegen, ein Vorwort für sein Buch zu verfassen. Wenn Miedler in seinem Prolog von "intensiven Recherchen" Karners und "tollen Gesprächen mit dem Autor" schreibt, dann sagt das ohnedies schon viel aus und es bestätigt meinen positiven Eindruck von Karners Buch.
In einem extravaganten Design, das sich erfrischend von dem klassischer Bücher abhebt und das eher Zufall war, wie Karner im Interview schmunzelnd erzählt, hat Karner wohl sämtliche Zahlen, Daten und Fakten, die es über das System Draken in Österreich zu wissen gibt, zusammengetragen.
Er startet mit einer Geschichte über die Entwicklung des Draken, dessen Doppeldelta-Design bis heute futuristisch anmutet, und zeichnet dann die Geschichte des Systems Draken in Österreich vom Kaufvertrag mit Schweden über die Pilotenausbildung, Erstlandungen in Österreich, Einsätze, etc ... nach. Die Jugoslawien-Krise, in der die 9 verbliebenen Draken-Piloten gemeinsam mit ihren Kameraden in den Saab 105 den österreichischen Luftraum sichern mussten, wird ebenfalls ausführlich dargestellt. Für technikaffine Leser besonders interessant dürfte das Kapitel "Vom D-Draken zum OE-Draken" sein, denn Österreichs Draken waren keine Flugzeuge "von der Stange". Es waren ursprünglich Maschinen der Version "D", die nach österreichischen Bedürfnissen modifiziert wurden (u. a. erhielten sie eine zweite Bordkanone) und fortan die Bezeichnung Saab J-35Ö (oder OE) für "Österreich" trugen.

Karner portraitiert in seinem Buch sämtliche Kameraden des Bundesheeres, die jemals die Ehre hatten, den Draken - fliegerisch extrem anspruchsvoll - als Piloten zu fliegen und würdigt damit fast 40 Jahre nach der Ein- und 20 Jahre nach der Ausflottung des Draken diese Männer, die Häme, Spott und Beleidigungen durch die Öffentlichkeit ausgesetzt waren und trotzdem bereit waren, Österreich zu schützen. Letzten Endes fand erst mit Putins Überfall auf die Ukraine im Jahr 2022 in der österreichischen Gesellschaft (und auch der Politik) ein WIRKLICHES Umdenken hinsichtlich der Bedeutung und Wichtigkeit des Bundesheeres statt.
Das Buch endet mit den Letztflügen des Draken im Jahr 2005, listet auch den Verbleib der erhaltenen Maschinen auf und natürlich darf, wie es sich für einen korrekt arbeitenden Autor gehört, auch ein Quellenverzeichnis nicht fehlen.


Bernd Karner hat mit dem Buch "Saab Draken in Österreich - eine besondere Geschichte" zweifellos DAS Standardwerk zu diesem Kapitel der österreichischen Luftstreitkräfte geschaffen. Er nahm dafür ein großes finanzielles Risiko in Kauf, als er eine limitierte Auflage auf eigene Kosten vorproduzieren ließ. Doch es hat sich bezahlt gemacht, der Großteil ist bereits verkauft. Noch sind einige Exemplare erhältlich, und zwar direkt beim Autor. Dieses Buch ist für jeden etwas - allein schon wegen der exklusiven einzigartigen Bilder, die man so zum größten Teil nirgendwo sonst (im Internet) findet, ist es empfehlenswert. Hätte es mir Bernd Karner (ein großes Dankeschön dafür) nicht kostenfrei zur Verfügung gestellt, ich hätte es in jedem Fall gekauft und wäre nicht enttäuscht worden.
Ob es eine weitere Auflage gibt, ist noch offen. Aber vielleicht steigt ja das Bundesheer mit ein und übernimmt Produktion sowie Vertrieb des Buches im großen Stil, beispielsweise über den Shop des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien oder dessen Außenstelle, das Luftfahrtmuseum am Fliegerhorst Zeltweg, denn Karners Buch ist - auch auf die Gefahr hin mich zu wiederholen - eine einzigartige Chronik des Systems Draken in Österreich, die unbedingt einer breiten Masse zugänglich gemacht werden sollte.
Text & Fotos: Patrick Huber