Reportagen

30 Jahre "Gimli Glider"

Triebwerksausfälle bei Verkehrsflugzeugen lassen sich selbst trotz sorgfältigster Wartung nicht vollständig ausschließen. Da moderne Verkehrsflugzeuge aber über mindestens zwei, in etlichen Fällen auch über mehr Antriebe verfügen, ist ein solcher Zwischenfall normalerweise recht problemlos beherrschbar. In ganz seltenen Fällen jedoch kann es zu einem Totalausfall aller Triebwerke kommen, und dann wird aus einem hunderte Tonnen schweren Jet ein Segelflugzeug wider Willen. Der wohl bekannteste Vorfall dieser Art ereignete sich vor 30 Jahren. An jenem 23. Juli 1983, einem Samstag, versagten kurz hintereinander beide Pratt & Whitney JT9D-7R4D Triebwerke einer Boeing 767-200 der Air Canada ihren Dienst. In einer fliegerischen Meisterleistung gelang Kapitän Bob Pearson und seinem Ersten Offizier Maurice Quintal eine Notlandung auf einem stillgelegten Militärflugplatz namens Gimli. Alle 69 Menschen an Bord überlebten.

Anfang der 1980er Jahre flottete Air Canada das neue Boeing-Muster 767-200 ein, das erste Großraumflugzeug mit digitalem Zweimann-Cockpit, in dem aufgrund des hohen Grades der Automatisierung kein Flugingenieur mehr benötigt wurde (eine Ausnahme bildete lediglich die australische Fluggesellschaft Ansett, die als einzige Airline der Welt bis in die 1990er Jahre einenFlugingenieur auf der Boeing 767 einsetzte).

Zweimann-Cockpit einer Boeing 767-200 - Foto: Noam Menashe (תודה רבה)
Zweimann-Cockpit einer Boeing 767-200 - Foto: Noam Menashe (תודה רבה)

Am 30. März 1983 erhielt die Airline eine weitere 767-233 und registrierte sie unter der Immatrikulierung C-GAUN. Das Flugzeug mit der Linenumber 47 kam fortan im Mittelstreckennetz der kanadischen Fluggesellschaft zum Einsatz. Die Piloten waren vor ihrer Umschulung andere Großraumjets vom Typ Lockheed Tristar oder Boeing 747 geflogen, alles Muster mit einem analogen Dreimann-Cockpit, in dem ein Flugingenieur für technische Belange, darunter auch die Berechnung des benötigten Treibstoffvorrates, verantwortlich war.

Nun übernahmen Computer diese wichtige Aufgabe, wodurch sich die Fluggesellschaften das Gehalt für den dritten Mann im Cockpit ersparten. Was heutzutage die Regel darstellt, war Anfang der 1980er Jahre, in denen Jets mit analogem Dreimann-Cockpit (Boeing 707, Boeing 727, Boeing 747, DC-10, Lockheed L-1011 Tristar ...) am Himmel dominierend vertreten waren, eher die Ausnahme, auch für die Piloten war diese Situation folglich neu und ungewohnt.

Samstag, 23. Juli 1983, Flughafen Montreal

Die C-GAUN, eine von erst vier Boeing 767-233 der Fluggesellschaft, landete aus Edmonton kommend in Montreal und wurde von ihrer neuen Crew übernommen: Cpt. Bob Pearson und First Officer Maurice Quintal. In der Kabine versahen 6 Flugbegleiter ihren Dienst. Pearson war ein erfahrener Segelflieger, Quintal ein ehemaliger Pilot der Royal Canadian Air Force. Beide zusammen hatten rund 22.000 Flugstunden Erfahrung, davon allerdings erst wenige Stunden auf der 767.

Im Rahmen der Vorflugkontrollen wurden die Piloten von einem Mitarbeiter des Bodenpersonals darüber informiert, dass alle drei Tankanzeigen funktionsuntüchtig waren.

Das Overhead-Panel im Cockpit einer Boeing 767 mit den Tankanzeigen - Foto: Miguel Arteaga - Aviation Photography of México
Das Overhead-Panel im Cockpit einer Boeing 767 mit den Tankanzeigen - Foto: Miguel Arteaga - Aviation Photography of México (Gracias)

Gemäß der "Minimum Equipement List" hätte der Flug unter diesen Bedingungen eigentlich gar nicht durchgeführt werden dürfen, der Kommandant war jedoch der festen Überzeugung, dass dies kein Problem darstellen sollte, wenn er genug Treibstoff an Bord nahm und darüber hinaus bei der Zwischenlandung in Ottawa einen manuellen Check des Tankinhalts vornehmen würde. Zudem enthielt die "MEL" zu diesem Zeitpunkt noch verhältnismäßig viele leere Seiten, da das Muster erst seit wenigen Monaten im Einsatz war. Pearson traf daher eine Entscheidung, zu der er sich als Kapitän befugt sah.

Gemäß den Berechnungen sollten sich vom vorangegangenen Flug noch 7.682 Liter in den Tanks befinden und für den bevorstehenden Flug nach Edmonton wurde ein Kraftstoffbedarf von 22.300 Kilogramm ermittelt, wobei ein Liter Kerosin 0,803 Kilogramm wiegt. Die korrekte Berechnung der Treibstoffmenge hätte also wie folgt ausgesehen:

Die in den Tanks verbliebenen 7.682 Liter hatten ein Gewicht von 6.169 Kilogramm. Zieht man diesen Wert von den insgesamt erforderlichen 22.300 Kilogramm Kraftstoff ab, so ergab sich ein Kerosinbedarf von 16.131 Kilogramm. Mit dem Faktor 0,803 umgerechnet, wären dies 20.088 Liter gewesen.

Fehler bei der Berechnung der Benzinmenge

Doch genau hier ereignete sich der Fehler, der dadurch begünstigt wurde, dass die Boeing 767 das erste Flugzeug in der Flotte von Air Canada war, bei dem die Einheiten im metrischen System angegeben wurden. Bei allen anderen Jets der Airline wurde mit Pfund und Gallonen gerechnet.

Und so kam es, dass die Bodencrew anstatt des Faktors 0,803 (metrisches System) den Faktor 1,77 anwandte, woraus sich folgende völlig falsche Kalkulation ergab:

Vorhandener Kraftstoff: 7682 L × 1.77 kg/L = 13597 Kilogramm
Insgesamt benötigter Kraftstoff: 22300 kg − 13597 kg = 8703 Kilogramm
Zu tankender Kraftstoff: 8703 kg ÷ (1.77 kg/L) = 4916 Liter

Mit anderen Worten ausgedrückt: Statt der tatsächlich benötigten 20.088 Liter wurden lediglich 4.916 Liter Kerosin in die Tanks der Boeing 767 getankt!

Daraus resultierte eine Gesamtkraftstoffmenge von 22.300 Pfund, was weniger als 10.000 Kilogramm entsprach. Um die Destination Edmonton erreichen zu können, hätte die Maschine aber 22.300 Kilogramm Kerosin benötigt.

Doch weder der Bodencrew, noch den Piloten fiel dieser Irrtum auf, obwohl die Berechnungen mehrfach überprüft wurden. Kapitän Pearson gab den Wert "22.300" in sein Flight Management System ein ein, das in Kilogramm rechnete und so fälschlicherweise eine ausreichende Benzinmenge anzeigte, obwohl in Wahrheit mehr als 50 Prozent zu wenig Kraftstoff in den relativ leeren Tanks schwappten.

Der Start

In der Zwischenzeit hatten die 61 Passagiere für Flug AC 143 nach Edmonton die Kabine der Boeing 767 für geboardet, die damit nur zu rund einem Drittel ausgelastet war. Der Flug sollte regulär in Ottawa zwischenlanden, wo Pearson noch einmal die in den Tanks verbliebene Kerosinmenge mit Hilfe eines Messstabes überprüfen wollte. Theoretisch war er somit auf der sicheren Seite. Dennoch war den Piloten nicht wohl bei dem Gedanken, ohne funktionierende Treibstoffanzeigen zu fliegen. Nachdem sie die Berechnungen der Bodencrew mehrfach überprüft, den Fehler beim Umrechnungsfaktor jedoch jedes Mal übersehen hatten, entschied Pearson in dem Glauben, genügend Sprit an Bord zu haben: "That's it, we're going."

Schließlich rollte die Boeing 767 zur Startbahn, Pearson schob die Schubhebel auf Startleistung und kurz darauf rotierte die beinahe leere Maschine um auf ihre Reiseflughöhe von 41.000 Fuß zu steigen, eine Höhe, die damals nur wenige Flugzeuge erreichten.

Erste Anzeichen für Probleme

Gerade als sich die C-GAUN über dem Red Lake in Ontario befand, ertönten eine akustische und eine optische Warnung, die auf Probleme mit dem Treibstoffdruck im linken Triebwerk hinwiesen. Ein kurzer Blick auf das Flight Management System gab den Piloten jedoch die (vermeintliche) Gewissheit, über ausreichend Kerosin in den Tanks zu verfügen. Folglich gingen Pearson und Quintal von einer defekten Pumpe im linken Tragflächentank aus und deaktivierten sie. Zu diesem Zeitpunkt befand sich auch der privat mitfliegender Wartungstechniker Rick Dion im Cockpit, welcher die Ansicht der Piloten teilte.

Detailaufnahme der Treibstoffanzeigen am Overhead-Panel im Cockpit einer Boeing 767-200; diese Anzeigen waren auf Flug AC 143 defekt - Foto: Daniel Werner (vielen Dank)
Detailaufnahme der Treibstoffanzeigen am Overhead-Panel im Cockpit einer Boeing 767-200; diese Anzeigen waren auf Flug AC 143 defekt - Foto: Daniel Werner (vielen Dank)

Als nur wenige Sekunden später die gleiche Warnung erneut ertönte, diesmal jedoch für das rechte Triebwerk, stieg die Nervosität, und die Besatzung entschloss sich, außerplanmäßig in Winnipeg zwischenzulanden um der Sache auf den Grund gehen zu können.

Einige Momente später versagte das linke Triebwerk (Nummer 1) seinen Dienst, was die Piloten dazu veranlasste, umgehend den Fluglotsen am Boden über den eingetretenen Notfall zu informieren. Über die "Crossfeed-Funktion" wurde nun versucht, Treibstoff vom rechten Tragflächentank in den linken umzupumpen und Triebwerk Nummer 1 wieder anzulassen, doch noch bevor dieses Manöver erfolgreich war, versagte auch Triebwerk Nummer 2 seinen Dienst. Aus der Boeing 767-233 war ein Segelflugzeug geworden, das noch 75 Meilen von Winnipeg entfernt war.

Stromausfall im Cockpit

Da die Triebwerke eines Verkehrsflugzeuges die Generatoren für die Stromversorgung antreiben, war durch den Ausfall beider Motoren außerdem die Energieversorgung der Bildschirme im Cockpit unterbrochen, und auch in der Kabine wurde es dunkel. Von einer Sekunde auf die andere saßen die drei Männer in einem Cockpit ohne funktionierende Instrumente. Doch nicht nur das, selbst die Hydraulikversorgung, ohne die ein großer Jet wie die 767 nicht mehr steuerbar ist, brach zusammen. Der batteriebetriebene Flugschreiber zeichnete in diesem Moment die Worte "Oh fuck ..." auf.

Nach dem Ausfall beider Triebwerke fielen alle Instrumente aus; nachdem die RAM-Turbine aktiviert war, standen Pearson und Quintal lediglich die drei Notinstrumente (Fluglageanzeiger, Geschwindigkeitsmesser, Höhenmesser) zur Verfügung - Foto: Balazs Mes
Nach dem Ausfall beider Triebwerke fielen alle Instrumente aus; nachdem die RAM-Turbine aktiviert war, standen Pearson und Quintal lediglich die drei Notinstrumente (Fluglageanzeiger, Geschwindigkeitsmesser, Höhenmesser) zur Verfügung - Foto: Balazs Meszaros - AIRportal Hungary (köszönöm)

Schier endlose Sekunden später klappte die Ram Air Turbine, ein kleiner Propeller, die elektrische Energie für die Standby-Instrumente liefert und einen für das Funktionieren der Ruder erforderlichen Mindestdruck in der Hydraulik gewährleistet, aus.

Rettender Airport zu weit entfernt

Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Maschine wegen des kurz zuvor eingeleiteten Sinkfluges auf Winnipeg nur noch in 28.000 Fuß Höhe. Nur mit einem Fluglageanzeiger, einem Höhenmesser und einem Geschwindigkeitsmesser mussten die Piloten jetzt versuchen, ihre antriebslose Boeing 767 sicher auf den Boden zurückzubringen - etwas das nie zuvor im Simulator trainiert worden war und für das es auch keinerlei (Not-) Verfahren gab.

Während der Kapitän die Maschine im Sinkflug mit 220 Knoten (rund 408 Stundenkilometer) stabil hielt, berechnete sein erster Offizier mit Hilfe des Höhenmessers und der Angaben des Fluglotsen die verbleibende Flugstrecke. Mit einer so ermittelten Sinkrate von 5.000 Fuß auf 18,52 Kilometern Strecke (Gleitzahl 1:12) war klar, dass der Flughafen Winnipeg nicht mehr zu erreichen sein würde. Winnipeg war zwar nur noch 35 Meilen entfernt, doch die Boeing 767 konnte lediglich noch 20 Meilen weit gleiten - 15 Meilen zu wenig. Der Besatzung lief die Zeit davon.

Gimli als letzte Hoffnung

Da fiel Copilot Quintal als letzte Rettung der Militärflugplatz Gimli ein, wo er Jahre zuvor als Militärpilot stationiert gewesen war. Zu Beginn des Sinkfluges hatten die Piloten Gimli schon einmal kurz in Erwägung gezogen, sich jedoch wegen der dort nicht vorhandenen Flughafenfeuerwehr für Winnigpeg entschieden. Jetzt dagegen schien Gimli die einzige Möglichkeit zu sein, eine Katastrophe vielleicht doch noch abzuwenden.

Denn der Platz lag nur noch in etwa 12 Meilen Entfernung und war somit  - anders als Winnipeg - im Gleitflug zu erreichen.

Air Canada 143 nahm also Kurs auf die Piste 32L von Gimli, doch der Flug schien weiterhin vom Pech verfolgt zu sein. Denn was weder die zwei Männer im Cockpit noch der Fluglotse wussten, war, dass Gimli mittlerweile ein öffentlicher Flugplatz war und ausgerechnet die Piste 32L für Motorsportveranstaltungen genutzt wurde - so auch an diesem Tag! Zu diesem Zweck war die Piste in der Mitte mit Leitschienen aus Metall versehen worden.

Während des Anfluges fuhren die Piloten das Fahrwerk über das nur mittels Schwerkraft betriebene Notsystem aus, wobei das Bugfahrwerk nicht verriegelte. Ein weiteres Problem war, dass sich die Leistung der RAM-Turbine durch den Widerstand des Fahrwerks und der dadurch abnehmenden Geschwindigkeit verringerte. Dadurch aber stand noch weniger Hydraulikdruck zur Verfügung, was die Steuerungsmöglichkeiten der schweren 767 weiter einschränkte.

Während des Endanfluges bemerkte der Kapitän, dass der Jet viel zu hoch für eine sichere Landung war. Normalerweise würde man in solchen Fällen einen Vollkreis fliegen um Höhe abzubauen, doch in diesem Fall war man zwar zu hoch um sicher zu landen, aber doch schon zu niedrig um dieses Manöver zu fliegen. Die Lage von Flug 143 schien einmal mehr an diesem Tag aussichtslos.

Segelflieger-Trick als Rettung

In dieser Situation entschloss sich der erfahrene Segelflieger Pearson, ein Manöver anzuwenden, das normalerweise ausschließlich Piloten von Segel- und kleineren Motorflugzeugen benutzen: den Seitengeleitflug, Slip genannt.

Dabei werden Quer- und Seitenruder entgegengesetzt betätigt, wodurch sich der Luftwiderstand am Flugzeugrumpf und damit auch die Sinkrate erhöht, während die Flugrichtung der Maschine unverändert bleibt.

Durch diese für Verkehrsflugzeuge unkonventionelle Anflugtechnik gelang es Pearson den Anflug stabil zu halten, doch weil jetzt die RAM-Turbine nur noch seitlich angeströmt wurde, sank der Druck im hydraulischen System noch weiter ab und den Piloten drohte die (ohnedies nur noch eingeschränkt vorhandene) Kontrolle über die Maschine im schlimmsten Fall vollends zu entgleiten. Weder Pearson noch Quintal wussten, ob es ihnen unter diesen Voraussetzungen überhaupt noch gelingen würde, den Slip wieder auszuleiten. Doch nun gab es kein Zurück mehr, sie hatten keine weiteren Optionen, die sie hätten anwenden können.

Zu allem Unglück bemerkten sie erst kurz vor dem Aufsetzen, dass sich auf der Piste Fahrzeuge, Fahrräder und spielende Kinder befanden, aber für den antriebslosen Jet bestand keinerlei Möglichkeit mehr, auf die andere Piste zu wechseln. Dafür reichten Flughöhe und Geschwindigkeit nicht mehr aus.

In letzter Sekunde leitete Pearson den Seitengleitflug aus, setzte auf der Landebahn auf und trat voll in die Bremsen, was zur Folge hatte, dass aufgrund des ausgefallenen ABS-Systems, mehrere Reifen platzen. Außerdem knickte das nicht verriegelte Bugfahrwerk ein und die 767 schlitterte funkensprühend die Piste entlang, genau auf zwei Kinder zu, die verzweifelt versuchten, dem herannahenden Jet auf ihren Fahrrädern zu entkommen.

Interview aus dem Jahr 2008 mit einem der beiden Jungen, die auf ihren Fahrrädern vor dem Jet fuhren- Quelle: YouTube

Geschafft?

Nur wenige Meter von den Kindern und der Veranstaltungszone entfernt, kam Air Canada 143 schließlich mit einem steil in den Himmel ragenden Heck zum Stillstand.

Doch plötzlich drang dichter Rauch in Cockpit und Kabine ein - und noch allen Passagieren war das tragische Ende von Air Canada Flug 797 zwei Monate zuvor in Erinnerung, als die Besatzung nach Rauch an Bord notgelandet war, die Flammen jedoch 23 Passagiere töteten, bevor diese den Jet verlassen konnten.

Während die Flugbegleiter umgehend eine Evakuierung der Kabine einleiteten, eilten die Teilnehmer der Motorsportveranstaltung mit Handfeuerlöschern herbei, löschten ein kleines Feuer, das sich im Bereich des Bugfahrwerks unter dem Cockpit gebildet hatte, und leisteten den Passagieren, die sich bei der Benutzung der steilen Notrutschen zum Teil leichte Verletzungen zugezogen hatten, erste Hilfe.

Kurios: Air Canada schickte Mechaniker von Winnipeg mittels Pkw nach Gimli, doch der Wagen blieb wegen Spritmangels liegen, trotz funktionierender Tankanzeige ...

Untersuchung und Konsequenzen

Im Laufe der Unfalluntersuchung stellte sich rasch heraus, dass tatsächlich ein Mangel an Kraftstoff die Ursache für den doppelten Triebwerksausfall gewesen war. Die Ermittler konzentrierten sich daher darauf, festzustellen, wie es soweit kommen konnte.

Dabei kamen sie zu dem Schluss, dass eine Verkettung unglücklicher Umstände zu dem Unfall geführt hatte und lobten gleichzeitig die hohe Professionalität der Besatzung.

Air Canada wurde vorgeworfen, in ihren Vorschriften nicht ausdrücklich darauf hingewiesen zu haben, wer mit der Wegrationalisierung des Flugingenieurs für die korrekte Berechnung des Treibstoffvorrates verantwortlich war, insbesondere in Ausnahmesituationen.

Außerdem wurde der Fluglinie empfohlen, die Ersatzteilbevorratung auf den Außenstationen zu verbessern. Wäre nämlich die entsprechende Platine in Montreal vorrätig gewesen, hätte das Problem der fehlerhaften Tankanzeige vor Ort rasch behoben werden können.

Gleichzeitig forderte die Flugsicherheitsbehörde eine verbesserte Schulung von Piloten und Bodenpersonal im Umgang mit dem metrischen System bei Berechnungen von Gewichten und Treibstoffmengen.

Die Piloten

Nach einer internen Untersuchung von Air Canada wurde Kapitän Pearson für sechs Monate degradiert, sein Erster Offizier Quintal für zwei Wochen suspendiert. Auch die für die Betankung verantwortliche Bodencrew wurde für zwei Wochen vom Dienst freigestellt. Dessen ungeachtet erhielten die beiden Piloten zwei Jahre später das "Fédération Aéronautique Internationale Diploma for Outstanding Airmanship".

Die Situation von Flug AC 143 wurde im Simulator von mehreren erfahrenen Crews nachgeflogen - alle stürzten beim Versuch, die antriebslose Boeing 767 zu landen, ab.

In einem Interview mit "Flight Safety Australia" sagte Pearson im Jahr 2003, er sei froh, dass ihm dieser Zwischenfall in einer Boeing passiert sei. In einem modernen Airbus hätte er sein spektakuläres "Slip"-Manöver aufgrund der Sicherheitsautomatik gar nicht fliegen können: "You can’t sideslip an Airbus aircraft, the computers won’t let you."

Bob Pearson wurde von Air Canada im Jahr 1993 mit 58 Jahren pensioniert, anschließend flog er noch zwei Jahre lang Fracht für die südkoreanische Fluggesellschaft Asiana, ehe er sich endgültig zur Ruhe setzte. Maurice Quintal wurde 1989 zum Flugkapitän befördert.

Das Flugzeug

Die Boeing 767, die 47. gebaute Maschine dieses Typs, wurde vor Ort repariert und zwei Tage später unter großem Medieninteresse von Gimli ausgeflogen. Seither trug sie den Spitznamen "Gimli Glider".

Am 24. Januar 2008 wurde der "Gimli Glider" nach 25 Jahren außer Dienst gestellt, von Montreal zum Wüstenflughafen Mojave geflogen und dort eingemottet. Kapitän Bob Pearson und der zwischenzeitlich ebenfalls zum Kapitän beförderte Maurice Quintal befanden sich als Passagiere an Bord - genauso wie drei der Flugbegleiter von Air Canada 143.

Lowpass des "Gimli Glider" zum Abschied vor der Überstellung in die Wüste - Quelle: YouTube

Hier, in der sonnigen Wüste Kaliforniens, steht der "Gimli Glider" noch heute und kann von Interessenten für die smarte Summe von 3 Millionen US-Dollar erworben werden.

Boeing 767-200 "Gimli Glider" in der Mojave Wüste - Foto: Andre Oferta (vielen Dank!)
Boeing 767-200 "Gimli Glider" in der Mojave Wüste - Foto: Andre Oferta (vielen Dank!)

(red CvD, ON / Titelbild: Air Canada Boeing 767-200 C-GAUN, "Gimli Glider", aufgenommen in Toronto - Foto: Marc Hasenbein)