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Abschlussbericht zu Smartwings-Zwischenfall

Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew

Am 22. August des Vorjahres flog eine Boeing 737 von Smartwings stundenlang mit nur einem Triebwerk weiter, anstatt auf dem nächsten geeigneten Flughafen zu landen - wir berichteten ausführlich. Nun veröffentlichte die tschechische Untersuchungskommission ihren Abschlussbericht - allerdings nur auf Tschechisch. Darin heißt es unter anderem, dass der verantwortliche Kapitän einer psychologischen Untersuchung unterzogen werden soll.

Am 22. August 2019 fiel bei einer Boeing 737-800 des tschechischen Billigfliegers Smartwings kurz nach dem Start in Samos ein Triebwerk aus. Doch anstatt - wie es die Vorschriften des Herstellers Boeing und die internationalen Gepflogenheiten vorsehen - auf dem nächsten geeigneten Flugplatz zu landen, setzte die Crew den Flug über zwei Stunden lang bis zum eigentlichen Zielflughafen Prag fort - vom Sicherheitsaspekt her betrachtet ein absolutes No go. Obwohl die Fluggesellschaft in der Öffentlichkeit den Vorfall zunächst herunterspielte und später jeden Kommentar verweigerte, wurden auf Druck der Öffentlichkeit schließlich sowohl eine interne Untersuchung als auch eine behördliche Überprüfung des Zwischenfalls eingeleitet.

Rund elf Monate später liegt jetzt der offizielle Abschlussbericht der tschechischen Untersuchungsbehörde UZPLN vor, allerdings nur auf Tschechisch, was ungewöhnlich ist, da Berichte zu Un- und Zwischenfällen in der Luftfahrt üblicherweise auf Englisch verfasst werden.

Darin kommen die Ermittler zu dem Schluss, dass der Kapitän die Hauptverantwortung für den Zwischenfall trägt und sein Verhalten rational nicht zu erklären sei. Nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Kapitän durch den Weiterflug bis nach Prag Kosten für sein Unternehmen sparen wollte.

In ihrem Bericht stellen die Ermittler jedenfalls fest, dass der Kapitän mit seiner Entscheidung den Flug nach Prag fortzuführen eindeutig mehrfach gegen bestehende Vorschriften und Betriebsverfahren verstoßen habe. Zudem habe der Kommandant die Prinzipien des Cockpit Resource Management missachtet und es so für den Ersten Offizier de facto unmöglich gemacht, am Entscheidungsprozess teilzuhaben.

Der Erste Offizier sagte gegenüber den Ermittlern aus, dass er im Rahmen seiner Möglichkeiten versucht habe, den Kapitän zu einer sofortigen Landung gemäß den Vorschriften des Herstellers Boeing zu bewegen - allerdings vergeblich.

Bei der Landung in Prag habe die Boeing 737-800 schließlich nur noch 2.340 Kilogramm Treibstoff in den Tanks gehabt. Im Fall einer Schließung des Flughafens Prag vor der Landung wäre es der Maschine damit unter Umständen nicht mehr möglich gewesen, einen Ausweichflughafen zu erreichen.

Der Kapitän (53) habe fast 21.000 Flugstunden Erfahrung gehabt, davon rund 8.000 auf der Boeing 737 und sei zudem Ausbilder für diesen Typ gewesen. Der Erste Offizier (35) verfügte laut Abschlussbericht über eine Gesamtflugerfahrung von 3.400 Stunden, davon rund 2.500 auf der Boeing 737.

Die tschechischen Unfallermittler regen in ihrem Bericht an, den Kapitän aufgrund seines Verhaltens einer psychologischen Untersuchung zu unterziehen.

(red)