Punktlandung

Das Mufflonsteak

SYMBOLBILD Catering an Bord eines Flugzeuges - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew

Über die stetige Reduktion des Bordservice auch bei Premiumcarriern berichtet der bekannte Luftfahrtjournalist Hauptmann a. D. Andreas Fecker im folgenden Gastbeitrag.

Um es vorauszuschicken, ich nehme die dramatischen Änderungen im Luftverkehr zum Anlass, den Wechsel vom luxuriösen First Class Bordservice verschiedener Airlines aus dem goldenen präcoronaren Zeitalter in die postcoronare Diaspora aufs Korn zu nehmen. Die Lufthansa wurde soeben ‚ausgedaxt‘. Demnächst gibt es auf dem Flug von X nach Ypsilon statt Bordverpflegung nur noch ein Fläschchen mehr oder weniger stilles Wasser, Marke ‚Eingeschlafene Füße‘. Dazu ein paar plastikverpackte Kekse, welche man an der verschämt gelüfteten Maske vorbei in den Kopf schieben kann, keimfrei dafür trocken. Toll! Das war bekanntlich nicht immer so. Einst machten nicht nur arabische Full Service Carrier damit Reklame, dass ein Gourmet-Koch an Bord sei, der für die Erstklass-Passagiere die Mahlzeiten ganz nach Wunsch zubereite.

Ein gaumenverwöhnter Passagier beschloss, diesen Service auszutesten. Er war von Haus aus nicht nur glaubhaft gutbetucht, sondern auch mit einem staubtrockenen Humor ausgestattet. Als ihn die Stewardess auf dem Flug nach Abu Dhabi darauf aufmerksam machte, dass er sein Dinner jederzeit bestellen könne, bat er den Chef de Cuisine zu sich. „Ich hätte gerne ein Mufflon-Steak“, sagte er, „medium rare. Mit Rosmarin aus der Provence. Aber bitte nehmen Sie ein Mufflon von der Nordseite der Dolomiten. Deren Fleisch ist bekanntlich zarter als das von ihren südseitigen Artgenossen.“ Der Koch war von den Socken. Was glaubt denn der, was wir hier an Bord haben? Einen Schlachthof? Einen Fleischgroßhandel? „Mufflon ist gerade aus“ stammelte er und suchte nach Ausflüchten, um Zeit zu gewinnen. „Kann ich Ihnen Bergziege anbieten? Wir hätten da etwas aus dem Engadin.“ „Meinetwegen ja. Ich bin ja nicht wählerisch. Die kommt doch von der Nordseite der Silvaplana? Der Bewuchs dort ist wegen des häufigen Niederschlags einfach saftiger. Das schmeckt man am Fleisch.“ …

„Aha,“ antwortete der Koch, der erst langsam seine alte Schlagfertigkeit zurückgewann. Das also war einer jener Kunden, vor denen man ihn gewarnt hatte. Nicht gerade der Chicken-or-Beef-Typ. Aber er riss sich zusammen: „Als Beilage hätten wir spritzgebackene Herzogin-Kartoffeln …“ „Woher kommen die Kartoffeln?“ „Na ja, üblicherweise aus dem Boden, ist aber alles Bio.“ „Also ich bestehe dann schon auf peruanischen Rosen-Kartoffeln!“ forderte der Gast. Der Koch sah sich instinktiv nach einer versteckten Kamera um und beschloss jetzt mitzuspielen. „Haben Sie denn einen besonderen Wunsch hinsichtlich der Holzkohle, auf der ich Ihre Bergziege grillen soll?“ „Ja sicher. Nehmen Sie eine Stradivari!“

Als ich diese kolportierte Anekdote einst einer italienischen Violinistin erzählte, die selbst eine Millionengeige spielte, verschlug es ihr beim After-Concert-Dinner den Appetit. Sie legte ihr Besteck weg und fragte mich mit erbleichtem Gesicht: „Ist das wirklich wahr?“ Offenbar kannte sie Menschen, denen man so einen Frevel tatsächlich zutrauen würde. Ich beruhigte sie: „Carissima Alessandra, stia tranquilla! Die Stradivaris waren an diesem Tag aus!“

Text: Andreas Fecker
Der Autor ist Fluglotse und Hauptmann a. D. der Bundeswehr. Er verfasste zahlreiche Bücher zu aviatischen Themen.

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