Österreich

AUA-Zwischenfall in Lugano: Brisanz höher als angenommen

  • Zwischenfall auf Flug LX-2912 offenbar gravierender als das Unternehmen zugibt
  • AUA hält sich zu Gerüchten um Suspendierung der Crew bedeckt

Am 13. Oktober 2015 musste eine Q400 der AUA in Lugano ihren Landeanflug abbrechen, nachdem das Bodenannäherungswarnsystem ausgelöst hatte. Der Vorfall war erst kürzlich durch einen Bericht des "Aviation Herald" bekannt geworden, Austrian Wings berichtete. Die Maschine war im Wetlease für die Schwestergesellschaft SWISS im Einsatz. An Bord befanden sich 55 Passagiere, ein Kapitän, eine Co-Pilotin sowie zwei Flugbegleiterinnen. Die Cockpitbesatzung wird von Kollegen gegenüber Austrian Wings als "äußerst erfahren" beschrieben.

Ein AUA-Sprecher hatte auf Anfrage zu den genauen Umständen des Vorfalls lediglich erklärt, dass Warnungen des Bodenannäherungswarnsystems (GPWS) bei "Sichtanflügen auf Flughäfen, die sich nicht im freien Gelände befinden, grundsätzlich auftreten" können. Ignoriert wurde jedoch das Ersuchen um Auskunft, ob man Kenntnis darüber habe, dass sich die Maschine zu tief oder auf falschem Kurs befunden haben könnte.

Mehrere erfahrene Piloten hingegen gaben im Gespräch mit Austrian Wings an, dass die Argumentation der AUA hinsichtlich des GPWS-Alarms "völliger Unsinn" sei - es könne keine Rede davon sein, dass - wie die AUA-Pressestelle es suggeriert - eine solche Warnmeldung ohne tatsächlich immanente Gefahrenlage "grundsätzlich auftreten" könne.

Auch weitere Indizien deuten darauf hin, dass die Umstände weitaus kritischer gewesen sind, als Austrian Airlines zugibt. Dem "Aviation Herald" vorliegenden Radaraufzeichnungen zufolge dürfte sich die Q400 tatsächlich auf falschem Kurs befunden und direkt auf einen 1.600 Fuß hohen Berg zugesteuert haben. Zudem erfolgte eine entsprechende Reaktion der Cockpitcrew erst nach Ertönen der kritischen GPWS-Alarmmeldung "Pull up, terrain!", welche erst kurz vor unmittelbar bevorstehender Geländekollision ausgegeben wird. Die Piloten leiteten daraufhin das für einen solchen Ernstfall vorgesehene "Go Around"-Manöver ein. Die Ausweichlandung erfolgte anschließend in Mailand.

Unklar bleibt aktuell die Ursache für den falsch erscheinenden Kurs, auf dem sich die Maschine befunden hatte. Experten sprechen neben möglichem menschlichen Versagen, das sowohl bei der Besatzung als auch der Flugsicherung zu suchen sein könnte, auch von denkbaren technischen Ursachen.

Die AUA verweigerte jegliche weiterführende Stellungnahme, auch hinsichtlich einer kolportierten Suspendierung betreffender Crewmitglieder oder des Umstandes, ob alle konzernintern geltenden Sorgfaltsvorschriften eingehalten schienen.

Lugano als herausfordernder Airport bekannt

Fakt ist jedenfalls, dass Anflüge auf Lugano als besonders anspruchsvoll gelten. Nur Besatzungen mit einer speziellen Zusatzschulung dürfen dort starten und landen.

Ein erfahrener Flugkapitän gegenüber Austrian Wings: "In Lugano ist häufig schlechtes Wetter, und gepaart mit schwierigen Anflugverfahren kann es vorkommen, dass ein Flugzeug dort tagelang nicht landen kann, es die Crews aber immer wieder versuchen müssen."

(red Aig / Titelbild: Symbolbild aktiviertes GPWS im Simulator - Foto: Austrian Wings Media Crew)