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Avro-Absturz in Kolumbien: Mehrere Hinweise auf Treibstoffmangel als Unglücksursache

Die Trümmer der Maschine - Foto: Telemedellin

Der Absturz eines Avro RJ-85 nach Medellin ist möglicherweise auf Treibstoffmangel zurückzuführen.

In Kolumbien ist - wie berichtet - ein Avro RJ-85 der Gesellschaft LAMIA Bolivia beim Anflug auf den Flughafen der Stadt Medellin abgestürzt. An Bord der aus Santa Cruz Viru kommenden Maschine mit der Kennung CP-2933 befanden sich 72 Passagiere und 9 Besatzungsmitglieder, unter ihnen das brasilianische Fußballteam Chapecoense, das auf dem Weg zum Finale des Südamerika-Cups gegen das kolumbianische Team Atlético Nacional war.

Die Flugbegleiterin Ximena Suarez Otterburg überlebte den Crash.

Bei dem Unglück starben 75 oder 76 Menschen, fünf oder sechs (die Angaben dazu weichen auch fast 24 Stunden nach dem Unglück noch ab) dürften überlebt haben. Unter den Geretteten befindet sich auch die 27-jährige Flugbegleiterin Ximena Suarez Otterburg, deren ersten Aussagen zufolge dem vierstrahligen Flugzeug "fünf Minuten vor der Landung der Treibstoff ausgegangen" sei. Die junge Frau habe zahlreiche Knochenfrakturen und Halswirbelverletzungen erlitten, sei aber mittlerweile außer Lebensgefahr, berichten südamerikanische Medien. Zudem habe "ein Techniker" der Crew das Unglück ebenfalls überlebt. Dabei soll es sich um Erwin Tumiri handeln, wie die kolumbianische Luftfahrtbehörde via Facebook mitteilte.

Seitens des kolumbianischen Chefermittlers hieß es, dass am Wrack bis dato "keinerlei Treibstoffreste" gefunden werden konnten.

Bereits heute Nachmittag mitteleuropäischer Zeit hatten Fachleute den Verdacht geäußert, dass die Triebwerke des Avro RJ-85 infolge von Treibstoffmangel ausgefallen sein könnten. Denn die Strecke von Santa Cruz-Viru Viru (SLVR) nach Medellin-O Herrera Airport (SKMD) beträgt 1.605 nautische Meilen, während die offiziell angegebene höchste Reichweite eines Avro RJ-85 nur bei 1.600 nautischen Meilen liege. Lufthansa etwa gab für ihre bei Lufthansa CityLine eingesetzten RJ-85 überhaupt nur eine Reichweite von knapp 1.200 nautischen Meilen an.

Allerdings kann die Reichweite des Avro RJ-85 durch bis zu drei Zusatztanks auf maximal 2.400 nautische Meilen erhöht werden. Ob das verunglückte Flugzeug allerdings damit ausgerüstet war, ist fraglich, da diese zusätzlichen Tanks nicht zur Standardausrüstung gehören. Der Erstbetreiber des Flugzeuges, die irische CityJet, hatte in ihren Avro RJ-85 keine Zusatztanks verbaut und es erscheint laut Expertenansicht unwahrscheinlich, dass eine kleine südamerikanische Airline, die ihre Flugzeuge gebraucht zusammengekauft hat, eine derart aufwändige Nachrüstung vorgenommen hat.

Tanks laut Berechnungen zum Unglückszeitpunkt leer geflogen
Davon ausgehend, dass die verunglückte Maschine lediglich mit den Standardtanks (Tragflächentanks und ein Rumpftank) ausgerüstet und beim Abflug vollgetankt war, betrug die maximale ausfliegbare Treibstoffkapazität rund 9.300 Kilogramm Kerosin. Der Treibstoffverbrauch eines Avro RJ-85 liegt bei etwa 2.000 Kilogramm Kerosin pro Stunde. Zum Zeitpunkt des Absturzes war der Jet bereits 4 Stunden und 37 Minuten in der Luft, hatte zu diesem Zeitpunkt also etwa 9.000 Kilogramm Treibstoff - de facto den gesamten Tankinhalt - verbraucht.

Kleine Fluggesellschaft
Bei der Eigentümerin des verunglückten Flugzeuges, LAMIA Bolivia, handelt es sich um eine im Jahr 2009 gegründete Fluggesellschaft, die in ihrer Blützeit bis zu fünf Avro Regional Jets und eine ATR72 betrieb. Zuletzt standen noch drei Avro RJ-85 mit einem Durchschnittsalter von rund 17 Jahren in den Diensten der Gesellschaft. Nach dem Absturz der CP-2933 besteht die Flotte nunmehr aus zwei Maschinen dieses Typs.

(red)