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Privatgutachter zu 4U9525-Crash: „Prozess gegen Lubitz würde mit Freispruch enden!“

„Könnte man Andreas Lubitz heute vor Gericht stellen und befragen – der Prozess wäre nach zehn Minuten mit einem Freispruch beendet“, ist sich Tim van Beveren sicher. Er war seitens der Familie des Co-Piloten, welcher laut allen bislang veröffentlichten offiziellen Untersuchungsberichten am 24. 3. 2015 einen Germanwings-Airbus absichtlich in den französischen Alpen zum Absturz gebracht haben soll, mit der Erstellung eines Privatgutachtens beauftragt worden. Und darin ortet van Beveren Fehler und Lücken im Zuge der behördlichen Ermittlungen.

Pilot nicht depressiv?
„Mein Sohn war nicht depressiv“, stellt auch der Vater von Lubitz im Zuge des Medientermins einleitend fest. „Nicht am Tag des Absturzes.“ Überhaupt sei das Bild, welches über seinen Sohn gezeichnet wurde, von Anfang an falsch und verzerrt gewesen, beklagen auch Rechts- und Medienvertreter von Familie Lubitz. Dass der zweite Jahrestag des Absturzes als Termin für die Präsentation des Privatgutachtens gewählt wurde, schlug ebenfalls bereits im Vorfeld hohe Wellen. Nicht ohne Folgen: Die Pressekonferenz fand unter beachtlicher Sicherheitsvorkehrung statt, nur vorab bestätigten Medienvertretern wurde Einlass gewährt. Livesendungen aus dem Saal waren grundsätzlich verboten, lediglich Austrian Wings erhielt eine Ausnahme zur Direktübertragung.

Großer Medienandrang bei der Pressekonferenz von Günter Lubitz

Ermittlungen lückenhaft und mit fehlender Expertenbeteiligung?
Van Beveren kritisiert in seinem Gutachten mehrere Eckpunkte. Zum einen seien wichtige Aspekte nicht durch wirklich sachkundige Experten beleuchtet und analysiert worden. Ingenieure hätten selbst medizinische Themen evaluiert, anstatt dass Human-Factors-Fachpersonal zurate gezogen worden wäre. In der BFU selbst seien Experten beschäftigt, die bereits zum Thema Suizid in der Luftfahrt publiziert hätten, wären aber im Rahmen der Untersuchungen um den Absturz zu 4U 9525 nie zu Rate gezogen worden. Andererseits habe van Beveren es auch „noch nie erlebt“, dass behördlicherseits bereits 48 Stunden nach dem Unglück ein Schuldiger benannt wurde. Dabei geht er auch mit den Medien hart ins Gericht – sie seien blind auf den Zug aufgesprungen, anstatt journalistische Sorgfalt walten zu lassen, so der Vorwurf, welcher gleichermaßen von Lubitz‘ Anwalt unterstrichen wurde.

Auch die Auswertung der Black Box sei nicht nachvollziehbar, meint van Beveren. Im Bericht sei zu lesen, dass Andreas Lubitz angeblich parallel Descent- und Open Descent-Mode aktiviert hatte. Van Beveren: „Fragen Sie jeden Airbus-Piloten oder Co-Piloten. Jeder wird Ihnen bestätigen, dass das technisch gar nicht machbar ist. Dafür müsste der Schalter gleichzeitig gedrückt und gezogen sein, das ist nicht möglich.“ Wenn also bei der Auswertung des Flugdatenschreibers bereits Mängel auffallen – „Welchen übrigen Daten und Erkenntnissen soll man dann glauben?“, so der Gutachter.

Zudem sei die Cockpittüre störungsanfällig gewesen, der „Notfallcode“ habe gar nicht funktioniert. Ein Problem, das der Technik angeblich bekannt gewesen, aber noch nicht behoben worden war. „Denn schon zuvor hatten Crews berichtet, dass sie sich am Boden ausgesperrt hatten“, beruft sich van Beveren auf seine eigenen Nachforschungen und nannte hierzu einen Vorfall aus Düsseldorf.

Ein weiterer Punkt, der im Zuge der Untersuchung keine Beachtung fand, sei das Wetter gewesen. Van Beveren sieht einen möglichen Zusammenhang zwischen Clear Air Turbulences und der Veränderung der Flughöhe. Er habe mit A320-Piloten gesprochen, die am Tag des Absturzes über die Region geflogen sind. Diese hätten dem Gutachter bestätigt, ebenfalls wegen Turbulenzen die Flughöhe geändert zu haben.  

Van Beveren warf den Behörden außerdem einen „Confirmation Bias“ vor, sohin dass diese nach Bekanntgabe des französischen Staatsanwaltes, es haben sich um einen in suizidaler Absicht herbeigeführten Absturz gehandelt, nur noch in diese Richtung ermittelten und dabei Wesentliches außer Acht gelassen hätten: „Man blendet Dinge aus, die doch eine Bewandtnis haben.“ Er verwies dabei nochmals auf die - angeblich streckenweise fehlende - Kompetenz der an der Untersuchung beteiligten Personen. Er betonte allerdings, dass aus seiner Sicht hierin keine Absicht (politscher oder sonstiger Art) bestünde, sondern scheinbar fahrlässig gehandelt wurde und auf Basis von Spekulationen die Untersuchungen inkonsistente Ergebnisse zu Tage gefördert hätten: „Ich glaube, es ist eine Überschätzung. Hier überschätzen sich Leute, die Sachen untersuchen, die nicht in ihrem Bereich liegen“, richtete van Beveren den Beteiligten aus.

„Was passiert ist, weiß niemand genau.“
Warum es schlussendlich zu dem Absturz kam, sei laut dem vorgetragenen Gutachten nicht eindeutig zu sagen: „Was passiert ist, weiß niemand genau.“ Ausgeschlossen werde nichts, auch nicht die Selbstmordabsicht, doch die Beweise seien hier aus Sicht der Familie und des Gutachters nicht eindeutig, zumal aus Sicht van Beverens ein Motiv für einen Suizid fehle.

Günter Lubitz (links), Vater von Andreas Lubitz, mit seinem Medienberater

Ziel sei es nun, dass weiterführende Ermittlungen aufgenommen und derartige Fakten mit berücksichtigt werden. Ob dadurch Lubitz‘ Unschuld bewiesen werden soll, wollen jedoch weder sein Vater Günter noch der Gutachter Tim van Beveren einräumen: „Wir wollen die Wahrheit finden“, so Lubitz. Und van Beveren: „Ich bin nicht dafür da, Ermittlungen zu führen. Ich habe ein Gutachten erstellt.“ Es seien also die Behörden am Zug, und man wolle diesen jetzt die Möglichkeit geben, entsprechend zu reagieren. Ansonsten würde das gesamte Privatgutachten auf der aktuell noch inhaltslosen Seite „andreas-lubitz.com“ publiziert, stellen die Initiatoren in Aussicht. Wie viel Günter Lubitz für das Gutachten bezahlt hat, blieb jedoch ein Geheimnis. „Ich möchte dazu nichts sagen“, so der Auftraggeber. Van Beveren wiederum berief sich auf seine „Verschwiegenheitsklausel“.

(red Aig, CZ / Fotos: Christian Zeilinger / Austrian Wings Media Crew)