Österreich

Arbeiten bei Eurowings Europe: Traumjob oder Albtraum?

Symbolbild Eurowings - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew

Groß war die Euphorie, als die "österreichische" Eurowings Europe vor zwei Jahren an den Start ging. Doch zumindest etliche Mitarbeiter sind mittlerweile augenscheinlich ernüchtert. In einem offenen Brief kritisieren sie aus ihrer Sicht unhaltbare Zustände, die auch Auswirkungen auf die Flugsicherheit haben könnten.

2015 ins Leben gerufen, unterhält Eurowings Europe derzeit Basen auf den Flughäfen Wien Schwechat, Salzburg und Palma de Mallorca, eine Station in München befindet sich im Aufbau. Bis heute - zwei Jahre später - gibt es für das Personal allerdings keinen Kollektivvertrag und auch keinen Betriebsrat - zumindest Letzteres soll sich aber bald ändern.

In einem offenen Brief an die Medien kritisieren nun anonyme Autoren, die sich als Mitarbeiter der Eurowings Europe bezeichnen, die Zustände in dem Unternehmen scharf. Für in Palma de Mallorca (Spanien) stationierte Kolleginnen und Kollegen etwa gebe es im Krankheitsfall nur eine stark reduzierte Lohnfortzahlung und generell eine verhältnismäßig schlechte Krankenversicherung. Das wiederum könne dazu führen, dass sich Piloten und Flugbegleiter bei gesundheitlichen Problemen nicht krank melden, sondern den Dienst trotzdem durchführen. Und das wiederum könne die Flugsicherheit gefährden.

Aber auch auf den österreichischen Basen der Lufthansa-Billigflugtochter gebe es gravierende Missstände. Obwohl sich die im Brief erhobenen Vorwürfe mangels Kenntnis des Urhebers des Schreibens nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle nachprüfen lassen, geht die Gewerkschaft vida davon aus, dass die meisten der darin beschriebene Zustände den Tatsachen entsprechen: "Wir haben in der jüngeren Vergangenheit mehrere gut besuchte Infoveranstaltungen für die Mitarbeiter von Eurowings Europe abgehalten. Dabei haben die Kolleginnen und Kollegen immer wieder von sich aus genau diese Punkte angesprochen", erklärte ein Gewerkschafter im Gespräch mit "Austrian Wings". Von einigen Vorwürfen habe man unabhängig davon jedoch bereits zuvor erfahren.

Mitarbeiter des Kabinenpersonals "unterschreiben" Vorwürfe "sofort"
Eine Flugbegleiterin - sie wollte aus Angst vor Jobverlust unter allen Umständen anonym bleiben - bestätigte im persönlichen Gespräch die Vorwürfe ebenfalls: "Ich würde aus meiner Sicht alles unterschreiben, was in dem offenen Brief steht." Sie schilderte, dass die Kolleginnen und Kollegen regelmäßig an freien Tagen von der Crew Control angerufen würden, um für einen Dienst einzuspringen. Lehne man dann ab, erhalte man kurz darauf einen Anruf von der Chefin des Kabinenpersonals, Nicole J.: "Da wird dann massiv Druck aufgebaut, etwa in dem es heißt, wenn man nicht einspringe, falle der Flug aus und das koste viel Geld und ob man denn dafür wirklich verantwortlich sein wolle." Dieser Job mache das Personal "krank". Ähnliches ist von der Gewerkschaft vida zu hören - ihr liegen nach eigenen Angaben Aussagen von Flugbegleitern vor, denen J. indirekt mit Jobverlust gedroht habe, wenn sie an einem freien Tag keinen Dienst übernehmen. Generell herrsche nach Meinung mehrerer von unserer Redaktion befragter Flugbegleiter im Unternehmen ein "Klima der Einschüchterung und der Angst", das Management versuche, "uns gezielt gegeneinander auszuspielen".

Auch von anderen fragwürdige Zuständen berichtet eine Eurowings Europe-Mitarbeiterin: "Wir müssen die Flugzeuge immer komplett selbst putzen, selbst wenn der Turnaround nur ganz kurz ist. Essen für uns gibt es nicht, das müssten wir selbst bezahlen, selbst dann wenn wir 13 Stunden unterwegs sind."

Zustände, die in der Tat eher an den Billigflieger Ryanair denn an ein Unternehmen des Lufthansa-Konzerns erinnern, der, zumindest bisher, in der Öffentlichkeit für höchste Qualitätsstandards stand. Laut Gewerkschaft vida gebe es für die Flugbegleiter von Eurowings Europe pro Dienst beispielsweise auch nur eine 1,5 Liter Flasche Wasser kostenlos. Eine Airline-Mitarbeiterin: "Unsere Dienste dauern zwischen 10 und 13 Stunden, vier Legs pro Tag sind normal."

Wer mehr Wasser wolle, müsse das laut Gewerkschaft bezahlen. Die Gewerkschaft sieht darin nicht nur eine unmenschliche Behandlung der Mitarbeiter, sondern auch einen klaren Gesetzesverstoß. Denn laut EASA müsse fliegendem Personal spätestens nach 8 Stunden Dienst ein warmes Essen samt Getränk zur Verfügung gestellt werden. Und laut Medizinern sollten Flugbegleiter aufgrund der dünnen sowie trocken Luft in der Kabine und der anstrengenden körperlichen Tätigkeit bei einem 12-stündigen Dienst mindestens 2,5 bis 3 Liter Flüssigkeit zu sich nehmen. Für Eurowings Europe Flugbegleiter ein Ding der Unmöglichkeit, es sei denn, sie bezahlen alles, was über 1,5 Liter hinausgeht aus eigener Tasche.

"Weiß nicht, ob ich im Ernstfall das Richtige tun würde"
"Oft bin ich schon nach 3, 4 Tagen Dienst so fertig, dass ich, wenn ich ehrlich bin, nicht weiß, ob ich in einem Notfall wirklich noch richtig handeln könnte. Unsere Arbeitsbedingungen haben nach meinem Empfinden definitiv negative Auswirkungen auf die Flugsicherheit", schlägt eine andere Mitarbeiterin des Kabinenpersonals Alarm.

Doch beschweren traue sich allerdings niemand, denn Kabinenchefin Nicole J. führe ein sprichwörtliches "strenges Regiment" und schüchtere die Mitarbeiter gezielt ein, so die wiederholt geäußerte Kritik. Ein Jobwechsel gestalte sich als schwierig: "Wir hören ständig, dass wir uns gar nicht woanders zu bewerben brauchen, sie würde unsere Namen vorher dorthin schicken, damit wir den Job nicht bekommen." Flugbegleiter, die sich dennoch etwa bei AUA oder Lufthansa beworben hätten, seien kurz darauf von der Eurowings Europe Kabinenchefin in deren Büro zitiert und "psychisch richtig fertig gemacht" worden. Und "natürlich" hätten sie den Job bei AUA oder Lufthansa nicht bekommen. Einige Betroffene vermuteten im Gespräch mit "Austrian Wings" konzerninterne Absprachen, mit der die Mitarbeiter gezielt im "prekären Arbeitsverhältnis" bei Eurowings Europe gehalten werden sollen.

Kündigung kann teuer werden
Eine Angestellte: "Ich kenne viele junge Kolleginnen, die am liebsten sofort wieder kündigen würden, sich das aber einfach finanziell nicht leisen können." Der Grund: Wer innerhalb eines Jahres von sich aus das Handtuch wirft, muss die Ausbildungskosten aliquot zurückzahlen. Und das können mehrere Tausend Euro sein. Bei einem Durchschnittsverdienst von 1.200 Euro monatlich sei das kaum finanzierbar, die Mitarbeiter deshalb "im Vertrag gefangen" und das sei "vermutlich auch so gewollt". Auch an diesem Punkt übt die Gewerkschaft vida scharfe Kritik an Eurowings Europe und fordert die Streichung dieser Klausel aus den Verträgen.

Die Eurowings-Pressestelle in Deutschland erklärte auf eine erste Anfrage am Montag, dass man sich jederzeit "zu 100 Prozent an die geltenden Gesetze" halte und die in dem Schreiben erhobenen Vorwürfe erst "prüfen" müsse. Eine detaillierte Stellungnahme, in der auch ausführlich auf die einzelnen Vorwürfe der Mitarbeiter eingegangen wird, wurde bis dato nicht abgegeben. Eine Anfrage vom Dienstag, bis wann man mit einem solchen Statement rechnen könne, blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Auch für die "Berliner Zeitung" war die Pressestelle von Eurowings vorerst nicht erreichbar, wie aus einem Bericht des Blattes zum Thema hervorgeht.

Pilot bestätigt Vorwürfe ebenfalls
Reagiert hat dagegen ein Flugkapitän der Eurowings Europe auf unsere Kontaktaufnahme. Auch dieser Mitarbeiter möchte aus Angst vor beruflichen Konsequenzen anonym bleiben, bestätigte aber beim persönlichen Treffen in einem Wiener Cafe ebenfalls: "Ich kann sagen, dass der Inhalt des Briefes aus meiner Sicht so ziemlich den Tatsachen entspricht."  Junge Co-Piloten würden teilweise weniger verdienen als Bürokräfte in anderen Branchen, mit dem Unterschied, dass sie sich oft ihre Ausbildung selbst bezahlt haben und nun einen Ausbildungskredit über gut 100.000 Euro abzusottern haben. Kollegen der deutschen Eurowings verdienen deutlich mehr als ihre Kollegen bei der österreichischen Eurowings Europe und auch die allgemeinen Arbeitsbedingungen seien besser.

Für Unmut bei den Mitarbeitern der österreichischen Eurowings Europe sorgt zudem, dass die Kollegen der im Aufbau befindlichen Basis in München die besseren deutschen Arbeitskonditionen erhalten, obwohl sie rechtlich der österreichischen Gesellschaft unterstehen.

Personal will für seine Rechte kämpfen
Morgen findet jedenfalls - wie berichtet - eine Betriebsversammlung statt, bei der die Gründung eines Betriebsrates besprochen und vorbereitet werden soll. Laut Gewerkschaft werde dieser Schritt "auf jeden Fall noch im November" erfolgen. "Wir hoffen, dass sich dann endlich etwas ändert. So kann es nicht weitergehen", gibt sich eine Eurowings Europe Mitarbeiterin vorsichtig optimistisch. "Wir unterstützen die Kolleginnen und Kollegen auf jeden Fall bei der Betriebsratsgründung und der Wahrung all ihrer Arbeitnehmerrechte", unterstreicht ein Sprecher der Gewerkschaft vida abschließend gegenüber unserer Redaktion.

(red TuG, HP)