Österreich

Bestätigt: Eurowings Europe-Mitarbeiter in Spanien erhalten bei Krankheit 40 Prozent weniger Gehalt

Piloten bei der Arbeit im Cockpit, Symbolbild; Auf der Basis Palma stationierte Eurowings Europe Flugzeugführer müssen im Krankheitsfall auf fast die Hälfte ihres Gehaltes verzichten; Einige Fachleute sehen dadurch indirekt die Flugsicherheit gefährdet - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew

Erstmals hat sich Eurowings ausführlich zu den in einem Schreiben, das augenscheinlich von Mitarbeitern des Unternehmens stammt, erhobenen Vorwürfen geäußert - und dabei nach wie vor etliche Fragen nicht zufriedenstellend beantwortet.

Unter anderem hatten die Verfasser des Schreibens kritisiert, dass auf der Basis Palma stationierte Mitarbeiter von Eurowings Europe im Krankheitsfall 40 Prozent weniger Gehalt ausbezahlt bekommen. Das bestätigte Eurowings nun erstmals offiziell in einem an die Medien verschickten "Faktencheck". Darin heißt es: "Mit der in Spanien gefundenen Regelung liegt Eurowings Europe über den geltenden gesetzlichen Bestimmungen. In den ersten drei Tagen erhalten unsere MA eine Fortzahlung in Höhe von 60 Prozent - das Gesetz sieht hier keine Entgeltfortzahlung vor. Ab dem vierten Tag basiert die Regelung auf den gesetzlichen Vorgaben, ebenfalls 60 Prozent."

Ein Pilot dazu: "Auch wenn das Unternehmen hier de jure mehr als die gesetzlichen Vorgaben erfüllt, es ist und bleibt eine Schweinerei, die einfach nur gefährlich ist. Mit einer solchen Regelung wird indirekt massiver Druck auf die Crews ausgeübt, sich nicht krank zu melden. Ein junger First Officer verdient bei uns um die 2.000 Euro netto. Davon muss er oft noch seinen Ausbildungskredit über etwa 100.000 Euro bedienen und die Lebenshaltungskosten bestreiten. 40 Prozent Gehaltsverlust sind da mitunter schon existenzbedrohend. Dass so etwas unter dem Deckmantel des Lufthansa-Konzerns geschieht, ist aus meiner Sicht im negativen Sinn einzigartig." Doch gerade auch für Flugbegleiter, die um die 1.200 Euro netto im Monat verdienen, kann ein Krankenstand damit wirtschaftliche Probleme bedeuten.

Bei Eurowings Europe heißt es trotz dieser Umstände lapidar: "Für alle Flugbetriebe der Eurowings Group und der Lufthansa Group hat Sicherheit uneingeschränkt die höchste Priorität."

Zu den weiteren Vorwürfen äußert sich Eurowings zum Teil nur äußerst vage. So bleibt die Frage, ob es zutrifft, dass arbeitgeberseitig für das Personal von Eurowings Europe nur 15 Tage Kündigungsfrist gelten, unbeantwortet. Kryptisch teilte das Unternehmen dazu mit: "Bei der Handhabung der Kündigungsfristen orientieren wir uns an den gesetzlich gültigen Vorgaben." Man "orientiert" sich also, vermeidet es aber nach wie vor, eine konkrete Aussage zu treffen. Den Vorwurf der Crews, dass sie die Maschinen selbst bei kurzen Turnaround-Zeiten selbst reinigen müssten, kommentiert Eurowings Europe mit "trifft nicht zu", um die Aussagen der Crews im nächsten Satz dann doch zu bestätigen: "Bei Eurowings Europe wird, wie bei fast allen Wettbewerben, die Kabine im Turnaround gesäubert. Bei kurzen Turnarounds kann das Cleaning reduziert werden und bei stark verschmutzten Flugzeugen besteht die Option einen Reinigungsdienstleister zu nutzen." Dazu ein Pilot gegenüber unserer Redaktion: "Diese Option ist so was von theoretisch, denn dadurch würde sich der Turnaround verlängern und dann könnten wir uns etwas anhören."

Zurückgewiesen wird von Eurowings Europe, dass ein "Klima der Angst und der Einschüchterung" herrsche. Ein Sprecher: "Wir wollen eine offene und jederzeit transparente Kommunikation und Fehlerkultur. Wir haben mit Beginn der Operation in Wien beispielsweise ganz bewusst entschieden, unseren Crewraum direkt neben dem Büro, in dem auch das Management sitzt, anzusiedeln. Damit soll ein offener und jederzeit möglicher Austausch mit unseren Crews gewährleistet werden."

Dem gegenüber stehen zahlreiche gegenüber der Gewerkschaft vida und unserer Redaktion gemachte Aussagen von Eurowings Europe-Mitarbeitern, die die "Einschüchterungspolitik" bestätigen.

Auch das psychische unter Druck setzen von Flugbegleitern durch Kabinenpersonalchefin Nicole J. stellt Eurowings Europe in Abrede. Zwar sei es in der Branche durchaus üblich, dass "aus OFF-Tagen heraus geflogen" werde, doch die Entscheidung darüber "trifft ausschließlich der Mitarbeiter".

Flugbegleiter von Eurowings Europe schilderten dagegen gegenüber unserer Redaktion und der Gewerkschaft andere Zustände: "Wenn wir es bei einem Anruf der Crew Control ablehnen, an einem OFF-Tag zu fliegen, läutet oft kurz darauf noch einmal das Telefon und J. setzt uns massiv unter Druck." Laut Gewerkschaft habe J. dabei auch indirekt mit Konsequenzen bis hin zum Jobverlust gedroht. Ehemalige Kollegen von J. - sie war in den 1990er Jahren bei Lauda Air tätig und wechselte später zu Austrian Airlines - erklärten gegenüber Austrian Wings, dass sie sich "ein solches Verhalten absolut vorstellen" können. Ein sinngemäß gleichlautendes Posting setzte ein User, der angibt, J. ebenfalls zu kennen, auch auf der Austrian Wings Facebook-Seite ab.

Crews hatten außerdem kritisiert, dass sie Essen selbst bezahlen müssten, selbst bei langen Diensten von bis zu 13 Stunden. Eurowings Europe: "Diese Behauptung trifft nicht zu", denn: "Es wird Crewobst im Crewraum gratis ausgegeben, am Flieger kann Essen zu reduzierten Preisen erworben werden. Dafür werden Spesen ausbezahlt, bei einem durchschnittlichen Einsatz von 9 Stunden sind das etwa 20 Euro." Eurowings Europe streitet weiters ab, dass die Crews unabhängig von der Dienstlänge nur 1,5 Liter Wasser gratis erhalten, obwohl laut gleichlautenden Aussagen sämtlicher von Austrian Wings befragter Piloten und Flugbegleiter bestätigen, dass im "OM-A" von Eurowings Europe dezidiert schriftlich festgehalten ist, dass lediglich "1,5 Liter Wasser" pro aktivem Crewmitglied gratis ausgegeben werden.

A320 von Eurowings, Symbolbild - Foto: GF / Austrian Wings Media Crew

Die Vorwürfe von Crews, Kabinenpersonalchefin Nicole J. habe Mitarbeitern wiederholt erklärt sie bräuchten sich nirgendwo anders zu bewerben und sie würde vorab Listen mit Namen schicken, damit die Bewerber nicht genommen würden, seien "nicht zutreffend", so ein Eurowings Europe Sprecher. Es gebe Kollegen, die sich erfolgreich bei anderen Flugbetrieben des Lufthansa-Konzerns beworben hätten. Einige seien sogar wieder zu Eurowings Europe zurück gewechselt. 

Die Antworten auf folgende Fragen sind trotz des an die Medien verschickten "Faktenchecks" nach wie vor ausständig:

  • Trifft es zu, dass Eurowings Europe Flugbegleiter, die sich dennoch bei anderen Airlines (des Lufthansa-Konzerns) beworben haben, anschließend von Kabinenchefin Nicole J. zu einem Gespräch zitiert wurden?
  • Trifft es zu, dass in den Verträgen für das Personal von Eurowings Europe von Arbeitgeberseite eine Kündigungsfrist von nur 15 Tagen vorgesehen ist?
  • Trifft es zu, dass die Mitarbeiter der Eurowings Europe unterstehenden Basis in München die besseren deutschen Verträge haben als ihre österreichischen Kollegen? Falls ja, weshalb?
  • Trifft es zu, dass die Mitarbeiter von Eurowings Europe im Vergleich zu den Kollegen der deutschen Eurowings bei der gleichen Tätigkeit weniger verdienen und weniger freie Tage pro Monat haben? Falls ja, weshalb?
  • Trifft es zu, dass die Mitarbeiter der Eurowings Europe unterschiedliche Verträge mit unterschiedlichen Gehältern für die gleiche Tätigkeit haben? Falls ja, weshalb?

Mehrere Mitarbeiter von Eurowings Europe schilderten gestern sowie in der Nacht in Telefonaten und E-Mails an die Austrian Wings Redaktion, dass intern bereits eine regelrechte "Hexenjagd" auf die Verfasser des Schreibens sowie auf jene Kolleginnen und Kollegen, die mit Medien gesprochen haben, begonnen habe. So heiße es in einem von der Geschäftsführung verschickten Mail, dass sich die Verfasser des Briefes "vertrauensvoll" an die Geschäftsführung wenden könnten. Dazu ein Pilot: "Das wird sich niemand trauen. Denn es ist davon auszugehen, dass es sofort die Kündigung geben würde. Denn wenn die Missstände waren der Geschäftsführung längst bekannt und sie hat nichts dagegen unternommen. So viel zur immer wieder behaupteten offenen und transparenten Kommunikation bei uns im Haus."

(red TuG, HP)