Reportagen

Fotoreportage: Windentraining mit den "Helden der Nacht" der ARA-Flugrettung

Die ARA-Flugrettung ist die einzige zivile Rettungsorganisation in Österreich, die auch bei Nacht Windenbergungen durchführt - alle Fotos: Tobias Bosina

Mit ihren hochmodernen H145-Notarzthubschraubern retten die Crews der ARA-Flugrettung Leben. Der bekannte österreichische Luftfahrtfotograf Tobias Bosina konnte jetzt im Auftrag von Austrian Wings ein Windentraining einer ARA-Crew bei Dunkelheit exklusiv begleiten.

Bei schweren Erkrankungen oder Unfällen entscheidet der Faktor Zeit oft über Leben und Tod, zumindest aber darüber, ob ein Patient möglicherweise mit Folgeschäden überlebt oder sich vollständig erholt. In Österreich sind wir in der glücklichen Lage, ein dichtes Flugrettungsnetz zu haben. Besonders im alpinen Gelände ist der Einsatz von Notarzthubschraubern oft die einzige Möglichkeit, einen Verunfallten rasch medizinisch versorgen zu können. Zu den heimischen Flugrettungsorganisationen, die diese Aufgabe wahrnehmen, zählt auch die ARA-Flugrettung.

Klein, aber qualitativ wirklich fein - so lässt sich die ARA-Flugrettung mit einem Satz beschreiben. Die 2001 als Tochter der deutschen DRF Luftrettung gegründete Flugrettungsorganisation betreibt heute 3 Airbus H145 Notarzthubschrauber, die allesamt mit einer Winde sowie einem 300.000 Euro teuren - optional erhältlichen - leistungsstarken Spezialscheinwerfer für Nachteinsätze ausgerüstet sind. Das ist wichtig, denn die ARA-Flugrettung ist die einzige zivile Flugrettungsorganisation in Österreich, die nächtliche Windenbergungen durchführen kann. "Dieser Scheinwerfer ist ein wichtiges Werkzeug für derartige Nachteinsätze", erläutert Herbert Graf im Hintergrundgespräch gegenüber "Austrian Wings". Der Flugbetriebsleiter ist ein sprichwörtlicher alter Hase in der heimischen Rettungsfliegerei, hat gut 5.000 Stunden in den Cockpits verschiedener Helikopter zugebracht: "Der Scheinwerfer leuchtet wahlweise weiß, gelb oder rot. Außerdem gibt es einen Infrarotmodus. Die meiste Zeit nutzen wir die Farbe weiß, aber bei feuchter Luft würde das zu sehr reflektieren, ähnlich dem Fernlicht beim Autofahren im Nebel, dann können wir umschalten."

Aufgrund des großen Platzangebotes im H145 und der Winde sind die fliegenden Retter der ARA (der Hubschrauber RK-1 ist in Fresach in Kärnten stationiert, der RK-2 in Reutte, Tirol und zusätzlich gibt es am Nassfeld einen saisonalen NAH) stets zu viert unterwegs. Von der Ausstattung her ist der H145 gewissermaßen eine fliegende Intensivstation. Neben Material zur Traumaversorgung sowie Patientenbergung werden unter anderem folgende Tools zur Diagnostik an Bord mitegeführt:

  • Multifunktionsmonitoring mit 4-Pol-EKG
  • 12-Kanal-EKG inkl. EKGTransmission
  • Blutdruckmessung (invasiv / nicht invasiv)
  • Pulsoximetrie
  • Kapnographie
  • Temperaturmessung
  • Sonographie
  • Videolaryngoskopie

Durch die geräumige Kabinen können im Bedarfsfall zusätzlich zur regulären Crew auch weitere Spezialisten, etwa ein Kinderarzt, mitgenommen werden. Außerdem ist es möglich, eine Roll-In-Trage (wie im Rettungswagen) in den Helikopter zu verladen. Der H145 wird von zwei  Turbomeca Arriel 2E Turibnen mit je 575 kW Dauerleistung angetrieben, die ihn auf eine Höchstgeschwindigkeit von knapp 280 Stundenkilometern beschleunigen. Die Einsatzgeschwindigkeit beträgt 262 Stundenkilometer. Für Start und Landung wird eine nur 20x20 Meter große Fläche benötigt. Graf: "Neben dem Piloten haben wir einen HEMS-Crewmember, einen Flugretter und den Notarzt. Anders als bei einer 3-Mann-Crew ist der Notarzt damit nie alleine beim Patienten, sondern hat mit dem Flugretter immer einen medizinischen Spezialisten, der ihn unterstützt, dabei."

Einer dieser Spezialisten, den "Austrian Wings" kennenlernen durfte, ist der 31-jährige Bertram Bacher. Er kam eher zufällig zur Flugrettung: "Ich war insgesamt 7 Jahre lang freiwillig bei der Bergrettung und setzte mich dort erstmals mit dem Thema Flugrettung auseinander. Dann fing ich zusätzlich im Rettungsdienst an, absolvierte die Rettungssanitäter-Ausbildung und war zunächst als Ehrenamtlicher tätig." Es folgte der Zivildienst im Rettungs- und Krankentransport, dann übernahm Bacher Urlaubsvertretungen für hauptamtliche Mitarbeiter und wurde schließlich selbst fest im bodengebundenen Rettungsdienst angestellt: "Im Laufe der Zeit bildete ich mich zum Notfallsanitäter fort und erlangte außerdem die Qualifikation als Leitstellendisponent." Doch das war dem couragierten Retter noch nicht genug. Zusätzlich studierte er am Joanneum in Graz Gesundheits- und Krankenpflege und bewarb sich dann bei der ARA: "Zuerst war ich Freelancer, mittlerweile bin ich hauptberuflich dort tätig." Als Notfallsanitäter und Krankenpfleger ist es seine Aufgabe, einen Patienten an der Unfallstelle gemeinsam mit dem Notarzt zu versorgen. Zu den schönsten Momenten gehört es für ihn, wenn sich ein Patient völlig erholt und später wieder auf seine Retter trifft. Dann weiß Bacher, dass sich die Strapazen gelohnt haben. Denn: "Windeneinsätze in der Nacht sind herausfordernd, vor allem wegen der Orientierung." Trotzdem kann er sich keinen anderen Job vorstellen. Die faszinierende Melange aus Notfallmedizin, Bergrettung und Fliegerei erfüllt ihn voll und ganz.

So wie Benjamin Zobl. Der gebürtige Tiroler begann 2010 ebenfalls zunächst als Flugretter, bildete sich acht Jahre später zum HEMS Crewmember und HHO-TC (Windenoperator) weiter. Der HEMS bildet gemeinsam mit dem Piloten die eigentliche Flightcrew des Helikopters. Er besitzt zwar keine Pilotenlizenz und hat keine Steuereinrichtungen auf seinem Platz, unterstützt den Piloten aber in fliegerischen Belangen, etwa beim Abarbeiten von Notfallchecklisten, dem Ablesen von Instrumenten, etc ... Außerdem führt er den gesamten administrativen Funkverkehr mit der Rettungsleitstelle und weist den Piloten auf allfällige Hindernisse - vor allem bei Außenlandungen - hin. Zobl: "Nachteinsätze sind ausgesprochen anspruchsvoll. Dabei unterstütze ich den Piloten noch mehr als am Tag, etwa durch das Ansagen von Parametern der Instrumente. Das entlastet ihn und erhöht die Flugsicherheit für das gesamte Team." Zobl startete seine Karriere als Zivildiener im Rettungsdienst, qualifizierte sich im Laufe der Zeit zusätzlich als Notfallsanitäter und Bergretter, ehe er als vorerst krönenden Abschluss die HEMS-Crewmember-Prüfung ablegte. Auch in seiner Freizeit ist der Tiroler gerne im alpinen Gelände unterwegs: "Rettungshubschrauber faszinieren mich schon seit Kindertagen", resümiert er beim "Austrian Wings"-Besuch auf dem Stützpunkt in Fresach. Die Einsätze bei Dunkelheit sind trotz schwierigerer Rahmenbedingungen sicher und Routine: "Dafür haben wir vordefinierte Standards, an die sich alle Crewmitglieder halten. Um die Sicherheit weiter zu erhöhen, gehen wir bei allem was wir tun noch vorsichtiger als am Tag vor." Als HEMS-Crewmember ist Zobl auch für die Bedienung der Rettungswinde des H145 verantwortlich. Dafür muss er vom linken Sitz im Cockpit in die Kabine wechseln. Und das geht nur von außen: "Um nach hinten in den Patientenraum zu gelangen, öffne ich die Seitentüre des Cockpits und gehe, natürlich unter Eigensicherung, auf der Kufe zurück. Dort steige ich dann über die seitliche Schiebetüre wieder ein. Denn obwohl im Einsatz Funkkontakt zwischen uns besteht, ist es unerlässlich, dass ich als Windenoperator meine Kollegen am Seil auch ständig im Blick habe. Daher ginge das vom Cockpit aus gar nicht."

Den hohen Sicherheitsstandard bestätigt auch Pilot Martin Pfeifenberger. Der studierte Maschinenbauingenieur kam erst verhältnismäßig spät und über Umwege zur Flugrettung.Mittlerweile ist Pfeifenberger sogar Ausbildungsleiter der ARA-Flugrettung: "Ich war nach meinem Studium zunächst in meinem angestammten Berufsfeld tätig und begann 2005 privat mit der Hubschrauberfliegerei." Danach arbeitete er viele Jahre als Pilot in Deutschland, ehe es ihn im November 2020 zur ARA-Flugrettung nach Österreich verschlug. Eine besondere Herausforderung bei Nachteinsätzen stellt für ihn der Umstand dar, dass man durch die Nachtsichtbrille (NVG) "wesentlich weniger Information erhält, als die Augen bei Tageslicht" liefern. Pfeifenberger: "Dadurch erhalten der Instrumentenscan und das optimale Cockpit-Layout eine erhöhte Bedeutung. Auch die Zusammenarbeit der Crewmitglieder, das Teamwork ist ausgesprochen wichtig. Um ein hohes Sicherheitsniveau zu halten - und ,Safety first' gilt in der Fliegerei immer - ist es wichtig, dass man für allfällig auftretende Probleme schon eine Art ,Kochrezept' im Hinterkopf bereit hat. Die Mentale Vorbereitung für jeden Einsatz ist wichtig, insbesondere für abnormale Situationen."

Genau deshalb trainieren die ARA-Crews nicht nur den Einsatz der Winde an sich, sondern auch Windenbergungen bei Dunkelheit regelmäßig. Flugbetriebsleiter Herbert Graf: "Pro Jahr führen wir fast 300 Windenbergungen durch. Aber wir verlassen uns hier nicht auf die gewonnene Routine, sondern haben die Trainings fest eingeplant, damit im Einsatzfall alles wie am sprichwörtlichen Schnürchen abläuft. Bei der Sicherheit und der Professionalität gehen wir keine Kompromisse ein."

Austrian Wings wünscht den Crews der ARA stets eine sichere und gesunde Heimkehr von ihren Einsätzen.

Impressionen vom jüngsten nächtlichen Windentraining in Fresach finden Sie nachstehend.

Take off! Hektisch geht es allenfalls im Fernsehen zu. Im richtigen Flugrettungsleben laufen die Besatzungen nicht zum Helikopter (Sturz- und Verletzungsgefahr!) und auch der Start erfolgt zügig aber nicht rasant.
Solche Impressionen gehören für die Crews der ARA-Flugrettung zum Alltag, wenn sie zu ihren Einsätzen bei Dunkelheit abheben. In diesem Fall ging es zum Training.
Der Windenoperator in der geöffneten Türe. Die geräumige Kabine der H145 ist ein optimaler Arbeitsplatz für die 4-köpfige Crew.
Für Einsätze bei Dunkelheit ist die Crew mit Nachtsichtgeräten, sogenannten NVG, ausgestattet.
Der H145 verfügt über ein modernes Glascockpit der neuesten Generation, das voll NVFR- und IFR-tauglich ist.
Anflug des Helikopters zum "Patienten".
Mittels leistungsstarkem Suchscheinwerfer kann die Crew das Gelände bei Dunkelheit effektiv absuchen.
Checklisten erhöhen die Sicherheit im Flug(rettungs)betrieb.
Ist die zu rettende Person lokalisiert, seilt sich ein Bergespezialist des Teams ab.
Rückkehr zum Stützpunkt nach der Übung.
Ein gutes Briefing vor der Übung gehört dazu - und ist Ausdruck höchster Professionalität.
Der H145 ist ein weltweit beliebter Rettungs- und Notarzthelikopter. Auch die ARA-Flugrettung setzt auf diesen Typ.

Text: P. Huber
Fotos: T. Bosina