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Absturz eines türkischen Challenger im Iran: menschliches Versagen

Challenger 604 - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew

Im März verunglückte ein türkischer Executive Jet im Iran. Der Unfallbericht enthüllt nun, dass die Crew auf ein technisches Problem inadäquat reagierte und somit den Absturz verursacht hat.

Wir berichteten am11. März: Der Canadair CL-600-2B16 Challenger 604 mit dem Kennzeichen TC-TRB befand sich auf dem Weg von Sharjah nach Istanbul. An Bord befanden sich drei Besatzungsmitglieder und acht Passagiere.  Gegen 18:40 Uhr prallte die Maschine aus vorerst ungeklärter Ursache nahe Shahr-e Kurd im Iran gegen einen Berg. Alle elf Insassen kamen ums Leben. Bei den Passagieren handelte es sich um acht Frauen, die einen Junggesellinnenabschied in den Vereinigten arabischen Emiraten gefeiert hatten.

Fehlerhafte Warnung löste offenbar Panikreaktion bei Kommandantin aus
Während des Fluges baten die Pilotinnen aufgrund von auftretenden Vereisungsbedingungen die Flugsicherung zunächst um Erlaubnis, von Flugfläche 360 auf Flugfläche 380 steigen zu dürfen. Während des Steigfluges zeigten die Geschwindigkeitsmesser im Cockpit verschiedene Werte an. Während jener am Instrumentenbrett des Ersten Offiziers eine abnehmende Geschwindigkeit signalisierte, kletterte die Anzeige auf der Kommandantenseite immer weiter nach oben. Schließlich erklang die "Overspeed-Warning". Gemäß Quick Reference Handbook (QRH) muss der Pilot Flying in so einem Fall basierend auf dem Flughandbuch evaluieren, welcher der angezeigten Werte realistisch ist und dann den entsprechenden Air Data Computer (ADC) als Informationsquelle auswählen. Doch anstatt diesem Standardverfahren zu folgen, nahm die Kommandantin die Schubhebel auf Leerlauf zurück und zog die Nase nach oben, um aus dem vermeintlichen "Overspeed-Bereich" herauszukommen. Das wiederum führte zu einem rasch eintretenden Strömungsabriss, der auch akustisch und durch Aktivierung des Stick Shakers sowie des Stick Pushers angezeigt wurde. Doch anstatt zumindest jetzt dem entsprechenden Verfahren zu folgen, reagierte die Kommandantin wieder falsch: Sie zog weiter stark am Steuerhorn, wodurch die Maschine endgültig in den Stall (Strömungsabriss) geriet. Dadurch kam es schließlich in beiden Triebwerken zum Flame out. Die Maschine stürzte unkontrolliert zu Boden, Stick Shaker, Stick Pusher und Stall Warning blieben bis zum Aufschlag aktiv. Der Unfall war aufgrund der enormen Kräfte beim Aufprall des Jets nicht überlebbar. Aus den Aufzeichnungen des Cockpit Voice Recorders geht hervor, dass die auf dem rechten Sitz fliegende zweite Pilotin (F/O) mehrfach die entsprechenden Checklisten abarbeiten wollte, von der - offenbar panischen - Kommandantin aber immer wieder davon abgehalten wurde.

Flugsicherheit in der Türkei ein großes Problem
Türkische Piloten und Airlines genießen in der Branche aufgrund zahlreicher Zwischen- und Unfälle mitunter einen zweifelhaften Ruf. In einer Punktlandung im Vorjahr widmete sich Austrian Wings der Problematik der Flugsicherheit in der Türkei. Seither hat sich die Situation laut Einschätzungen von Experten kaum verbessert. So belegt beispielsweise die teilstaatliche Turkish Airlines im aktuellen JACDEC-Sicherheitsranking einen der schlechtesten Plätze.

(red)