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Flugsicherheit: Schwere Vorwürfe gegen Turkish Airlines

Letzte Aktualisierung: 14. Dezember 2011 / 21:16 Uhr

Boeing 737-800 der Turkish Airlines bei der Landung in Wien - Foto: Chris Jilli

Schwere Vorwürfe gegen das türkische Star Alliance Mitglied Turkish Airlines erheben derzeit 13 aktive, aber auch bereits aus dem Unternehmen ausgeschiedenen, Piloten aus mehreren europäischen Ländern. Besonders in Zusammenhang mit dem Absturz von Flug 1951 am 25. Februar 2009 beim Landeanflug auf Amsterdam Schipol erscheinen einige der vorgebrachten Vorwürfe in besonderem Licht.

Das dänische Nachrichtenmagazin "Politiken.dk" hatte bereits am 10. Dezember einen ersten Artikel über die angeblichen schweren Sicherheitsmängel bei Turkish Airlines veröffentlicht - nun tauchen im Forum "PPRuNe.org" - "Professional Pilots Rumour Network" immer mehr Beispiele von angeblichen schweren Mängeln in der türkischen zivilen Luftfahrt generell und bei Turkish Airlines im Besonderen auf.

In dem Artikel ist von schlechten Englisch-Kenntnissen der Piloten, mangelhaftem Verständnis von Procedures und deren Nichteinhaltung, sowie von schlechtem Verstehen der Anweisungen der Luftverkehrskontrollen und damit verbundenen Fehlentscheidungen der Piloten die Rede.

Im Forum von "PPRuNe.org" tauchten darüber hinaus noch weitere Beispiele für schwere Sicherheitsprobleme wie das Nicht-Abarbeiten und Nicht-Verwenden von Checklisten oder auch schwere Mängel in der Cockpit-Arbeitskultur auf. So sei es First Officers nicht erlaubt, die Entscheidungen ihres Captains zu hinterfragen oder ihn zu kritisieren. Auch die Mentalität, alle nicht-türkischen Piloten und Crewmitglieder als Außenseiter zu erachten und ihre Meinungen schlichtweg nicht ernst zu nehmen, wird in dem Artikel kritisiert. Generell wird auch die Qualifikation vieler türkischer Piloten in Frage gestellt, viele von ihnen sind ehemalige Militärpiloten und sollen vor allen Dingen im Bereich Crew Resource Management erhebliche Defizite aufweisen.

Es ist davon die Rede, dass der Beruf "Pilot" in einer Familie quasi "vererbt" werde, unabhängig von den Fähigkeiten und Qualifikationen, ein Problem das auch in der türkischen Luftfahrbehörde vorherrsche, wo Ämter und Aufgaben ebenfalls nicht unbedingt nach beruflichen Qualifikationen verteilt worden seien.

Turkish weist Vorwürfe zurück

Kritische Stimmen zu dem Artikel und auch in der Diskussion im genannten Forum führen jedoch an, dass es sich bei diesen 13 Piloten um bereits ausgeschiedene ehemalige Mitarbeiter handle, die nun wohl aus Frust und verletztem Stolz mit ihren - möglicherweise nicht haltbaren - Anschuldigungen an die Öffentlichkeit gegangen seien.

Auch von Seiten Turkish Airlines kam sofort ein Dementi. Der CEO von Turkish Airlines, Temel Kotil, wies die Anschuldigungen umgehend zurück und sagte nur: "Alle unsere Mitarbeiter werden ständig auf ihre Fähigkeiten und Kenntnisse hin beobachtet und überprüft. Schwächen können so sofort erkannt und ausgemerzt werden."

Auch der europäischen Flugsicherheitsbehörde EASA seien derartige Mängel bei Turkish Airlines nicht bekannt, trotzdem fordert der Artikel in Politiken die zuständigen europäischen Behörden auf, wachsamer zu sein.

In dieselbe Kerbe schlägt auch der Vorsitzende der Danish Pilot Association, Lars Bjørking. Er hält die Kritikpunkte an Turkish Airlines für sehr ernst und fordert sogar, dass es in Zukunft einfacher werden müsse, gefährliche Fluglinien auf die EU-Blacklist setzen zu können.

Sicherheitsstatistik von Turkish Airlines bedenklich

Fakt ist allerdings: Die Sicherheitsbilanz von Turkish Airlines ist geradezu verheerend: Seit 1959 kam es zu über 20 Unfällen mit mehr als 900 Todesopfern, in zahlreichen Fällen war menschliches Versagen die Unfallursache. Allein seit 1990 gingen sechs Maschinen verloren. Beim JACDEC-Ranking der 60 sichersten Fluglinien belegte Turkish folglich im Jahr 2010 lediglich den 54 Platz. Zum Vergleich: An erster Stelle stand Qantas, an zweiter Finnair. Eva Air kam auf Platz 11, die AUA-Konzernmutter Lufthansa auf Platz 21. Trotz dieser negativen Sicherheitsbilanz bieten etliche europäische Fluglinien, darunter auch die AUA, Codeshareverbindungen, also Flüge unter eigener Flugnummer, die dann aber von Turkish Airlines durchgeführt werden, an.

Bisher letzter tödlicher Absturz 2009

Der vorerst letzte tödliche Unfall mit einem Flugzeug der Turkish Airlines ereignete sich am 25. Februar 2009, als eine Boeing 737-800 (TC-JGE) beim Anflug auf Amsterdam abstürzte, weil alle 3 Piloten (darunter ein Check-Kapitän) über 1 Minute lang nicht bemerkten, dass die Schubhebel infolge eines technischen Defekts auf Leerlauf zurückgefahren waren (Austrian Wings berichtete). "Gerade in der Boeing 737 muss einem so etwas auffallen - die Schubhebel bewegen sich physisch zurück, und die Trimmräder rotieren lautstark", so ein mit diesem Muster vertrauter Pilot gegenüber Austrian Wings. Und weiter: "Mir ist unverständlich, weshalb die Crew hier nicht rechtzeitig reagiert hat."

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Links:

Diskussion auf "PPRuNe.org" sowie Link zum Artikel bei "Politiken.dk"

Unfälle von Turkish Airlines bis 1990 (Datenbank von Aviation Safety Network)

Unfälle von Turkish Airlines seit 1990 (Datenbank von Aviation Safety Network)

(red PW, CvD)