Österreich

Gefährlicher Zwischenfall: AUA-Piloten vergaßen bei Go around TOGA-Leistung zu setzen

E195 der AUA - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew

Zu einem ernsten Zwischenfall kam es im Oktober 2017 bei einem Durchstartmanöver einer AUA-Maschine in Salzburg. Weil die Piloten nicht korrekt die notwendige Schubleistung setzten, aktivierte sich die Überziehwarnung. Erst nach mehr als einer Minute bemerkte die Crew ihren Fehler und korrigierte ihn. Zwar befand sich die Maschine während des gesamten Manövers im Steigflug, hatte zeitweise jedoch nur noch rund 200 Meter Höhe über Grund.

Die Besatzung führte an jenem Tag bei schlechtem Wetter mit heftigen Regenschauern und Gewitterzellen in der Nähe einen ILS-Anflug auf die Piste 15 des Salzburger Flughafens durch. An Bord befanden sich zwei Luftfahrzeugführer, drei Flugbegleiter sowie 97 Passagiere. Auf dem Jumpseat im Cockpit flog ein privat reisender Pilotenschüler der AUA mit.  Rund 2,3 nautische Meilen vor der Pistenschwelle erhielten die Piloten eine Windshear-Caution-Anzeige, woraufhin der als Pilot Flying agierende Kapitän die Entscheidung für ein Durchstartmanöver traf.

Die Schubhebel wurden manuell auf entsprechende Leistung gestellt, jedoch verabsäumten es die Piloten, die so genannten TOGA-Schalter (Abkürzung für  "Take-Off/Go-Around") zu drücken. Gleichzeitig hob der Pilot Flying die Nase für das Durchstartmanöver stark an. Weil jedoch die TOGA-Schalter nicht betätigt worden waren, fuhr der Bordcomputer die Leistung der Triebwerke automatisch wieder auf den vorherigen Wert herunter. In der Folge fiel die Geschwindigkeit von den Piloten augenscheinlich unbemerkt bis zu jenem kritischen Wert ab, an dem die Stall-Warnung sowie der Stickshaker aktiv wurden. Erst nach insgesamt 73 Sekunden bemerkten die Piloten ihren Fehler und aktivierten die TOGA-Schalter, wodurch sie die für ein sicheres Durchstartmanöver benötigte Triebwerksleistung abrufen konnten.

Ein Pilot bedient die Schubhebel im Embraer-Cockpit, Symbolbild - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew

Trotzdem befand sich die Maschine nach Einleiten des Durchstartmanövers zu keinem Zeitpunkt im Sinkflug, sondern kontinuierlich in einem - wenn auch flachen - Steigflug mit einer Steigrate von zunächst 1.900 Fuß pro Minute, die sich sukzessive zeitweise auf bis zu 200 Fup pro Minute abflachte.

Nach zwei Warteschleifen setzte die Maschine schließlich sicher auf der Piste des Flughafens Salzburg auf.

Die Crew
Der Kapitän (44) des Fluges verfügte zum Unfallzeitpunkt über eine Gesamtflugerfahrung von rund 15.000 Flugstunden und war außerdem ausbildungsberechtigt auf dem Muster Fokker 70/100. Auf dem Embraer E195 hatte er zum Vorfallszeitpunkt jedoch erst knapp 600 Stunden absolviert.

Der Erste Offizier (24) verfügte über eine Gesamtflugerfahrung von rund 450 Stunden auf Motorflugzeugen und 34 Stunden auf Segelflugzeugen. Im Cockpit des Embraer hatte er bis dato rund 360 Stunden (inklusive 77 Stunden am Simulator) verbracht.

Meldung an Behörde
Die AUA selbst meldete den Zwischenfall an die zuständige Behörde und führte auch eine interne Untersuchung der Störung des Flugbetriebs durch, zumal es in Verbindung mit Anflügen bei schlechtem Wetter einige "ähnliche Zwischenfälle" gegeben habe. Allerdings übermittelte die AUA zu dem gleichen Vorfall zwei unterschiedliche Darstellungen an die Behörde, die Hintergründe dafür sind unklar.

Die AUA selbst verschickte im Herbst 2017 intern ein Memo an ihre Piloten mit folgendem Inhalt: "Die Starkwind-Tage Ende Oktober waren fliegerisch anspruchsvoll und hatten zahlreiche Windshear Escape Maneuvers und einige Diversions zur Folge. Die Untersuchungen sind noch nicht vollständig abgeschlossen. Die Auswertung der Daten hat jedoch durchaus ernste Ergebnisse für unsere Flotte gebracht. Gemeinsam mit Flight Safety, Flugbetrieb und Flotte sind wir dabei, etwaige Schwachstellen zu analysieren und  möglichst rasch und zielgerichtet Maßnahmen zu ergreifen, um unsere Performance zu verbessern."

Einschätzung der Untersuchungskommission
Die Untersuchungskommission kommt in ihrem jetzt veröffentlichten Abschlussbericht zu der Schlussfolgerung, dass der "überzogene Flugzustand in Verbindung mit geringer Flughöhe eine bedrohliche  bzw. gefährliche Situation dargestellt" habe.

Als wahrscheinlichen Grund für das Fehlverhalten der Besatzung nennt die Behörde folgende Punkte: "Durch die unerwartete Windshear-Anzeige unterlagen beide Piloten vermutlich dem  sogenannten „Surprise and startle effect” (Überraschungs- und Schreckmoment). Der „startle effect“ verursacht aufgrund eines unerwarteten (bedrohenden) Ereignisses  kurzfristige, unwillkürliche physiologische und kognitive Reaktionen, die normale  menschliche Stressreaktionen auslösen."

Weiters heißt es: "Das vorherrschende Wetter, mit teils stark böigem Wind aus variablen Windrichtungen, hatte Einfluss auf den gegenständlichen Vorfall."

(red)