Der 24. März 2015 ist als schwarzer Tag in die Geschichte der deutschen Luftfahrt eingegangen. Denn an diesem Datum sperrte der psychisch schwer kranke Germanwings-Pilot Andreas Lubitz seinen Kapitän aus dem Cockpit aus und brachte einen Airbus A320 auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf vorsätzlich zum Absturz. Neben dem Täter selbst starben auch alle 149 anderen Menschen an Bord, darunter mehrere Kinder. Was folgte war die wohl eine der aufwendigsten Flugunfalluntersuchungen der vergangenen Jahrzehnte in Europa durch Experten aus mehreren Ländern und am Ende konnte durch forensische Beweise der internationalen Kommission die Verantwortung des Ersten Offiziers Andreas Lubitz für den Absturz zweifelsfrei nachgewiesen werden - inkl. DNA-Beweis dafür, dass sich zum Zeitpunkt des Absturzes der Kapitän VOR der Tür zum Cockpit befunden hatte. Das schmeckte der Familie des Täters freilich nicht und sie beauftragte schon kurz nach dem Absturz einen deutschen Luftfahrtjournalisten mit der Erstellung eines Gutachtens, das, welche Überraschung, den Täter von der Verantwortung freispricht. In Fachkreisen wurde und wird diese Arbeit wegen grober inhaltlicher Mängel und absolut kruden Thesen so gut wie einhellig abgelehnt, doch die Familie Lubitz klammert sich daran wie an einen Strohhalm, verweigert die Realität weiter. Menschlich irgendwo verständlich und doch traurig zugleich, weil die Akzeptanz der Realität psychologisch betrachtet die Grundvoraussetzung dafür ist, um das Geschehene abschließend verarbeiten zu können.
Für die jahrelangen intensiven Recherchen zu meinem Buch "Germanwings Flug 9525 - Absturz in den französischen Alpen" (Format A5, 232 Seiten mit 56 Abbildungen
ISBN Softcover: 978-3-818776-24-4, ISBN Hardcover: 978-3-818776-21-3, eine Rezension finden Sie hier) befasste ich mich natürlich auch mit dem - von der Fachwelt schon vor Jahren längst "zerrissenen" Privatgutachten der Familie Lubitz und mit weiteren "alternativen Theorien". Ich prüfte all das auf logische Plausibilität, kontaktierte zusätzlich Piloten, Juristen und Techniker. Denn natürlich gab und gibt es in der Weltgeschichte immer wieder auch tatsächlich Verschwörungen oder einfach auch nur Vertuschungen, die von Journalisten aufgedeckt wurden. Deshalb muss man - gerade als Journalist - grundsätzlich immer "open minded" sein, so lange etwas in der Theorie auch nur halbwegs plausibel erscheint.

Am Ende bestätigten die kontaktierten Experten jedoch allesamt - ob in Österreich oder Deutschland - die bekannten Ergebnisse. Es gab und gibt nicht den geringsten belastbaren Hinweis auf eine Vertuschung, geschweige denn eine Verschwörung im Fall des Germanwings-Absturzes. Sogar das "Hauptargument" der Zweifler, nämlich, dass die Höhenverstellung durch Andreas Lubitz gar nicht innerhalb so kurzer Zeit im offiziellen Unfallbericht angegeben, erfolgt sein könne, ist längst widerlegt - samt Videobeweis.
Die "alternativen Theorien", die vor allem rund um den 10. Jahrestag wieder kursierten, zum Teil kamen sogar neue dazu, entbehren bei genauer Betrachtung jeglicher Grundlage. Obwohl einige der Proponenten versuchten, sie medial zu lancieren, gelang das kaum. Mit Ausnahme einer Handvoll sensationsgeiler Schreiberlinge im deutschen Sprachraum, die in der Vergangenheit schon gezeigt hatten, dass ihre Kenntnisse in Sachen Fliegerei eher rudimentär zu sein scheinen, sprang keiner auf den Zug auf. Das sorgte übrigens in der Kollegenschaft durchaus für Kopfschütteln. Denn zum Journalismus gehört (gründliche) Recherche und bei einer solchen kommt jeder Journalist mit etwas Hausverstand und Kontakten zu kompetenten Recherchepartnern in der Luftfahrt zu dem Schluss, dass der von den offiziellen Ermittlern festgestellte Hergang der Germanwings-Katastrophe außer Frage steht, forensisch zu 100 Prozent abgesichert ist.
Entsprechend positiv fielen auch die Rezensionen zu meinem Buch über die Germanwings-Tragödie aus, in dem ich mich offen und seriös in einem eigenen Kapitel mit den "alternativen Theorien" auseinandersetze - sie schlussendlich aber allesamt widerlegen konnte. Das Buch hatte bei Amazon rasch 5 Sterne, besser geht es grundsätzlich schon mal nicht. Bis die "Hater" - nach einem Medienauftritt meinerseits, in dem ich ganz klar Stellung zu den Verschwörungstheorien nahm - eine unbeschreibliche Hetzkampagne gegen das Buch starteten und es 1-Sterne-Bewertungen mit offensichtlichen "Copy & Paste"-Einzeilern von Menschen hagelte, die das Buch nie gelesen hatten, aber offensichtlich aus dem Lager der Verschwörungstheoretiker stammten und/oder von diesen angestiftet wurden. Doch erfreulicherweise wirkten die tatsächlichen Lesern und Käufer als entsprechendes Korrektiv und die Feinde der Fakten erzielten den gegenteiligen Effekt, den sie sich erhofft hatten. Anstatt weniger gingen mehr Bestellungen für das Buch ein, weil die negativen Fake-Bewertungen so plump waren, dass selbst für Kinder klar erkennbar war, woher der Wind wehte.
Zu diesen tatsächlichen Leserinnen und Lesern, die mein Buch bewerteten, zählten wahre Fachkundige wie Piloten, Vertreter von Pilotenverbänden oder internationale Luftfahrtjournalisten, darunter der ehemalige Chefredakteur des Schweizer Aviatikmagazins "COCKPIT". Die "Austrian Cockpit Association" etwa nahm mein Buch sogar in ihre organisationsinterne Büchersammlung auf, nachdem es der Präsident gelesen und für seriös befunden hatte - er ist sogar einer der Interviewpartner im Buch.
Beleidigungen und Nazi-Vergleiche von Hardcore-Verschwörungs-Theoretikern
Die forensisch erwiesenen Fakten zum Unglück wollen aber eben nicht so recht ins Weltbild mancher Verbreiter "alternativer Theorien" - oder nennen wir das Kind beim Namen, Verschwörungstheorien, - passen. Das ist legitim, jeder hat das Recht auf seine persönliche Meinung und auch wenn sie faktisch völlig falsch ist, so ist es doch eine Meinung, die man - das ist das schöne an einer freiheitlichen Demokratie - auch äußern darf. Man darf auch der Meinung sein, dass die Erde eine Scheibe ist, nur stimmt es es halt nicht. Grundsätzlich gilt es bei der freien Meinungsäußerung gewisse Grenzen zu beachten. Denn die Freiheit der Meinung ist nicht gleichbedeutend damit, andere Menschen öffentlich mit nachweislich falschen Behauptungen in ehrrühriger Art und Weise zu verunglimpfen.
Ein Mitglied der Familie des Täters aber tat genau dies vor einigen Monaten öffentlich. Dieses Familienmitglied bezichtigte mich öffentlich, eine "Hetzkampagne" zu führen und weiterer unehrenhafter Dinge - alles wurde per Screenshot gesichert. Mir ist auch bekannt, dass über den gleichen Kanal eine weitere Journalistin eines großen deutschen Mediums unsachlich und herabwürdigend attackiert wurde. Ob die Kollegin ihrerseits (rechtliche) Schritte dagegen gesetzt hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Hätte ich Klage (oder Strafantrag wie das in Deutschland heißt) eingebracht, so wäre laut Auskunft meiner rechtsfreundlichen Vertretung die Verurteilung der mich verleumdenden Person nur eine Formsache gewesen. Zwar muss man als Journalist und Autor Kritik auch aushalten, doch alles hat seine Grenzen. Der menschliche Schmerz, den die Familie Lubitz angesichts des Verlusts des eigenen Sohnes fühlt, hielt mich davon ab, Strafantrag zu stellen. Ich hatte als Mensch schlichtweg Mitleid mit der Familie Lubitz. Allerdings forderte ich die Familie in aller Deutlichkeit auf, die inhaltlich falschen, ehrrührigen und strafbaren Behauptungen zu entfernen, was sie schließlich auch tat. Von einer rechtlichen Verfolgung sah ich nach Entfernung der inkriminierten Textstellen ab.
Doch nicht nur aus der Familie des Täters wurde in offensichtlicher Verweigerung der Realität mangels sachlicher Argumente aggressiv und beleidigend gegen jene Menschen vorgegangen, die auch von ihr verbreitete krude Thesen mit forensischen Beweisen zu 100 Prozent widerlegen. Eine Person aus dem Umfeld der Familie Lubitz, die seit Jahren solche Theorien verbreitet, verglich den Stil meines Buches zum Germanwings-Absturz rund um den 10. Jahrestag mehr oder weniger direkt mit der menschenverachtenden Agitation des Nazi-Kriegsverbrechers Joseph Goebbels. Ja, richtig gelesen. Es erübrigt sich zu sagen, dass dieser Vergleich natürlich als freie Meinungsäußerung nicht mehr zulässig, sondern ganz klar strafbar ist - auch hier erfolgte eine Sicherung des erfüllten Straftatbestandes per Screenshot. Auf der anderen Seite zeichnet eine solche strafbare verbale Entgleisung aber ein erschreckendes Bild vom durchaus zu vermutenden psychischen Zustand des Verfassers, der sich damit selbst außerhalb jedes seriösen Diskurses gestellt hat.
Wer mit strafbaren Nazi-Vergleichen dieser Art wie ein Ertrinkender um sich schlägt, weil er es nicht verkraftet, dass seine Theorien, die - wie von fast der gesamten Fachwelt einhellig festgestellt - so gut wie jeder objektiven Grundlage entbehren, durch seriöse Recherche sachlich widerlegt wurden, benötigt aus meiner Sicht aber nicht in erster Linie ein Strafverfahren. Er ist einfach nur bedauernswert und vermutlich nicht nur ich stelle mir in diesem Zusammenhang die Frage, ob so jemand nicht viel eher dringend professionelle psychologische Hilfe bräuchte, wie sie Andreas Lubitz ebenfalls gebraucht hätte, bevor er zum 149-fachen Mörder wurde.
Text: Patrick Huber
Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.