Punktlandung

AUA: Bisher offenbar keine Probleme mit kontaminierter Kabinenluft

Pilotenverbände fordern Untersuchung des Problems
Hersteller von Triebwerksöl sollen in die Pflicht genommen werden
Weiter Kritik an AUA-Konzernmutter Lufthansa

Die österreichische Lufthansa-Tochter AUA hatte nach eigenen Angaben bisher offenbar keine Probleme mit durch potentiell toxische Triebwerksölrückstände kontaminierter Kabinenluft. "Wir kennen das Problem der Geruchsbelästigung, obwohl es bei unseren 150.000 Starts und Landungen pro Jahr kaum vorkommt. Aber uns sind glücklicherweise keine gesundheitsgefährdenden Vorfälle mit Passagieren oder Crewpersonal bekannt", erklärte AUA-Sprecherin Patricia Strampfer gegenüber Austrian Wings.

Manchmal könne es aber natürlich dennoch passieren, dass über die Zapfluft, die die Kabine mit Frischluft versorgt, Triebwerksöl in die Kabine gelange. "Geringe Mengen von Öl treffen auf heiße Oberflächen und führen dann zu einer Geruchsbelästigung in Cockpit und Kabine."

Viel häufigerer Grund für außergewöhnliche Gerüche in der Kabine seien jedoch defekte Öfen in den Bordküchen oder eine Fehlfunktion der Cockpitscheibenheizung, heißt es von der AUA.

"Sicherheit der Passagiere und Crews haben immer höchste Priorität! Deshalb gehen wir einer Geruchsbelästigung immer sofort nach und haben auch ein eigenes Verfahren zwischen Flugbetrieb und Technik eingeführt, um sicherzustellen, dass die Technik die Ursache finden kann, falls die Crew die Qualität der Kabinenluft beanstandet. Wenn eine solche Meldung erfolgt, wird das Flugzeug umgehend einem Check unterzogen und erst dann wieder in Betrieb genommen, wenn die Ursache klar ist und auch korrigierende Maßnahmen durchgeführt wurden."

Sollten sich Piloten und Flugbegleiter nach einem Flug "gesundheitlich beeinträchtigt" fühlen, "sind sie aufgefordert, sich bei unserem medizinischen Dienst zu melden. In den vergangenen Jahren ist kein einziger Fall dokumentiert, bei dem Bordpersonal neurologische Symptome beschrieben hätte, die auf möglicherweise kontaminierte Kabinenluft zurückzuführen wären."

Bei der AUA sei auch kein Fall einer Passagierbeschwerde "über gesundheitliche Beeinträchtigung aufgrund von kontaminierter Kabinenluft" bekannt.

Darüber hinaus hält die AUA aber - wie auch ihre Konzernmutter Lufthansa - fest, dass "zur Gesundheitsgefährdung bei Menschen" durch mit Triebwerksölrückständen kontaminierte Kabinenluft "bislang weltweit keine wissenschaftlich fundierten Ergebnisse vorliegen".

Rund 40 Vorfälle von "Fume Events" pro Jahr in Österreich

Laut Peter Schmidt, Pressesprecher der Austro Control, sind alle Verdachtsfälle von Rauch und außergewöhnlicher Geruchsentwicklung in der Kabine von Verkehrsflugzeugen als so genannte "Fume Events" gemäß ZMV 2007 meldepflichtig.

"Seit 2005 wurden knapp 40 Fälle mit Verdacht auf Rauch in der Kabine/und oder Cockpit gemeldet. Die Ursachen waren meist defekte Öfen in den Bordküchen, Fehlfunktionen der Cockpitscheibenheizung oder Raucher in der Toilette", erklärte Schmidt auf Austrian Wings Anfrage.

In wie vielen Fällen der Verdacht auf durch Triebwerksöl kontaminierte Kabinenluft bestand, wollte Schmid dagegen - selbst auf wiederholte Nachfrage - aber nicht bekannt geben.

Pilotenverbände wollen das Problem wissenschaftlich angehen

Die österreichische Pilotenvereinigung Austrian Cockpit Association, kurz ACA genannt, betrachtet das Problem der kontaminierten Kabinenluft aus zwei Blickwinkeln, wie Cpt. Peter W. Beer gegenüber unserer Redaktion sagte:

"Es geht einerseits um die kurzfristigen Auswirkungen, wie zB im Köln im Dezember 2010 oder in London im Dezember 2011, mit dem Risiko des Ausfalls der Cockpitbesatzung oder wesentlicher Einschränkung der kognitiven Handlungskompetenz. Von unserem Partner, der 'Vereinigung Cockpit,' wurde uns Material zur Verfügung gestellt, nachdem die deutsche Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung in Braunschweig im Jahr 2007 17% aller schweren Störungen mit gesundheitlicher Beeinträchtigung von Besatzungsmitgliedern auf 'exposure to toxic fumes' zurückgeführt hat, soweit es Flugzeuge mit deutscher Registrierung betraf. Damit liegt diese Ursache an zweiter Stelle hinter Lebensmittelvergiftungen und noch vor Herzproblemen und sonstigen unspezifischen Ursachen."

Andererseits müsse man sich auch mit den langfristigen Auswirkungen dieses Problems befassen. Diese würden vor allen Dingen Besatzungsmitglieder von Verkehrsflugzeugen betreffen, aber in geringerem Ausmaß womöglich auch Vielflieger.

Forderungen und Ziele der ACA

Die ACA ist laut Beer der Auffassung, dass gesundheitsgefährdende Stoffe grundsätzlich nicht in die Nähe von Besatzungsmitgliedern oder Passagieren kommen sollen. Hersteller von Ölen, Hydraulikflüssigkeiten und Enteisungsmitteln etc. würden daher aufgerufen, alternative, gesundheitlich unbedenkliche Inhaltsstoffe zu verwenden und durch kontinuierliche Forschung vorhandene Gefahrenbereiche zu entschärfen.

Außerdem begrüße der Verband "alle Initiativen zum besseren Verständnis von - eventuellen - Gefährdungspotentialen, als Beispiel kann eine Initiative einer deutschen Airline zur Messung der Qualität der Kabinenluft genannt werden. In Verdachtsfällen ist eine weltweit einheitliche Untersuchungsmethode zu entwickeln und anzuwenden um objektive Daten zu generieren."

Hersteller und ihre Zulieferer würden aufgerufen, verlässliche Warnungen an Bord zu installieren, die die Besatzung bei zweifelhafter Luftqualität sofort alarmieren. Die Nase der Piloten und der Flugbegleiter habe sich nicht in allen bekannten Fällen als ein "verlässliches 'Messinstrument' erwiesen.

"Wir als ACA schließen uns den Initiativen für 'saubere Kabinenluft' anderer Pilotenverbände an und prüfen die Mitarbeit in einer internationalen Arbeitsgruppe die sich mit der Problematik befasst."

Es scheint, als werde das Problem der kontaminierten Kabinenluft nach dem Aufflammen der öffentlichen Debatte infolge des Beinahe-Absturzes eines Germanwings A319 im Dezember 2010 endlich ernst genommen und lösungsorientiert angegangen. Auch scheint es, dass die österreichische AUA wesentlich transparenter informiert als die Konzernmutter Lufthansa, die wegen des Germanwings-Vorfalls weiterhin im Kreuzfeuer der Kritik deutscher Pilotenverbände und Medien steht.

Jörg Handwerg, Sprecher der Vereinigung Cockpit, erklärte gegenüber unserer Redaktion, auf die Frage wie er das Verhalten der Lufthansa in dieser Causa bewerte, zunächst dass ein solcher Vorfall "ein Albtraum für einen Flugbetrieb" sei.

Handwerg weiter: "Der Vorfall ist nicht hundert Prozent eindeutig, sondern es bleiben Fragen, die vermutlich nicht mehr komplett geklärt werden können. So gibt es ein paar Ungereimtheiten, wie die Protokolle des Einsatzwagens die nun nach zwei Jahren plötzlich auftauchen und anhand derer die Piloten angeblich 99% Sauerstoffsättigung im Blut gehabt haben sollen. Dies steht im deutlichen Widerspruch zu den Angaben der Piloten und auch zum gesundheitlichen Zustand der Betroffenen."

Heftige Kritik übt die Vereinigung Cockpit an der Lufthansa Pressestelle. Deren Vorgehensweise "ist aus unserer Sicht nicht geeignet das Vertrauen in die Airlines zu verbessern."

Zunächst habe die Lufthansa ja offen eingestanden, dass man Probleme mit Öldämpfen hat und auch Lösungen suche. Das sei richtig und zielführend gewesen.

"Die Airlines sind in gewisser Weise hier auch Opfer der sturen Hersteller, die sich in Teilen schlicht weigern, das Problem anerkennen zu wollen. Leider meinte man im weiteren Verlauf wohl durch die jahrelange Strategie des 'Zweifel streuen', den Ruf der Germanwings wieder aufbessern zu können."

Diese Strategie verfolgte die gesamte Branche bis vor rund einem Jahr intensiv und Airbus tue dies heute noch, "selbst wenn man dazu abstruse Thesen wie die Hyperventilation bemühen" müsse.

Kritik am Verhalten des Germanwings-Kapitäns

"Das Verhalten des Kapitäns des betreffenden Germanwings-Fluges ist nicht nachvollziehbar. Liest man seinen damaligen etwa 10 seitigen Bericht (Austrian Wings liegen entsprechende Dokumente vor, Anm. d. Red.), der inzwischen im Internet kursierte und hört dazu seine heutigen Aussagen, so fragt man sich, was denn nun von beidem stimmt. Beides kann nicht stimmen. Es zeugt weder von Verantwortungsbewusstsein, einen derartigen Bericht zu verfassen, wenn es doch angeblich gar nicht so schlimm war und man alles im Griff hatte, noch wäre es hinnehmbar, sollten die heute gemachten Aussagen nicht den Tatsachen entsprechen. Besonders besorgniserregend ist in diesem Zusammenhang, dass es sich auch noch um einen Ausbildungskapitän handelt. Hier stellt sich aus meiner Sicht die Frage nach der charakterlichen Eignung."

Risiko durch Öldämpfe "sehr wahrscheinlich"

Wie sein österreichischer Kollege Peter W. Beer, differenziert auch Vereinigung Cockpit Sprecher Jörg Handwerg bei der Einschätzung des Risikos, das von Triebwerksöl in der Kabinenluft ausgehen könnte.

"Es muss zwischen niedrigen Dosen über lange Zeit und zwischen akuten Vorfällen unterschieden werden. Ob sich niedrige Dosen Öldampf über lange Zeit auf den menschlichen Organismus schädlich auswirken ist noch nicht ausreichend untersucht. Hierzu wären langwierige, aufwendige, epidemiologische Studien notwendig. Wir haben jedoch eine zunehmende Zahl von Personen die ihre Erkrankungen auf Öldämpfe zurückführen", so Handwerg.

"Bei stärkeren Vorfällen sehen wir einen Zusammenhang als sehr wahrscheinlich an. Wir haben Kenntnis von Piloten und Flugbegleitern, die ihre gesundheitlichen Beschwerden, bis hin zu Nervenschäden die zur Fluguntauglichkeit geführt haben, auf stärkere Vorfälle zurück führen. Es sind inzwischen zu viele, um von einem zeitlichen Zufall auszugehen. Menschen reagieren allerdings völlig unterschiedlich auf die im Öldampf vorhandenen Stoffe. Nur sehr wenige scheinen stark betroffen zu sein. Dies liegt vermutlich in der von Mensch zu Mensch unterschiedlichen genetischen Konstellation begründet. So entwickeln die meisten Menschen keinerlei Probleme wenn sie 100 Gramm Erdnüsse essen, andere hingegen ersticken fast nach dem Genuss einer einzigen. Ähnlich scheint es hier zu sein. Für die meisten Menschen scheint also das Risiko nicht sehr hoch zu sein, aber auch für die verbleibenden ist der Zustand inakzeptabel."

Vereinigung Cockpit fordert Verbesserungen

Die Forderungen der VC sind laut Handwerg klar: "Angesichts der immensen Komplexität des Themas, was die Ursachenforschung angeht, ist es aus Sicht der Vereinigung Cockpit nicht vertretbar, jahrelang andauernde Versuche zu starten, um zu ermitteln welcher Stoff genau, in welcher Konzentration, bei wie vielen Menschen, Beschwerden und Gesundheitsschäden verursacht. Es gibt technische Lösungsmöglichkeiten und diese müssen zur Anwendung kommen. Öldämpfe haben in der Kabinenluft nichts verloren, deshalb muss das Design geändert werden. Es muss technisch sichergestellt sein, dass es nicht zu einer Verunreinigung kommen kann, z.B. durch Einsatz des sogenannten 'Ram Air Systems', wie es auch wieder beim Dreamliner B787 zum Einsatz kommt. Die Luft wird hier nicht mehr aus dem Triebwerk entnommen. Für die bestehenden Flugzeuge ist jedoch eine solche Umrüstung nicht mehr machbar, weshalb wir hier Filterlösungen brauchen. Auch Sensoren können helfen, das Problem zumindest zu mindern. Die Airlines in Deutschland, sowie der BDL (Bundesverband der deutschen Luftverkehrswirtschaft) fordern gemeinsam mit uns genau dies von den Herstellern. Hier ist jedoch weiterhin in Teilen eine starke Verleugnungsstrategie zu beobachten. Vermutlich werden diese erst agieren, wenn sie über Zulassungsvorschriften dazu gezwungen werden oder der Markt sie zwingt, weil ein Hersteller eine Lösung anbietet und somit Wettbewerbsvorteile hat."

Lösung dringend gesucht!

Im Sinne der Flugsicherheit bleibt nunmehr zu hoffen, dass Hersteller und Airlines dieses mitunter lebensbedrohliche Problem, wie der Beinahe-Absturz des Germanwings A319 im Dezember 2010 drastisch vor Augen geführt hat, jetzt endlich nachhaltig und konsequent lösen. Und zwar rasch, bevor Todesopfer zu beklagen sind, weil eine durch Öldämpfe außer Gefecht gesetzte Cockpitbesatzung vollständig die Kontrolle über ihr Flugzeug verliert und dieses deshalb abstürzt.

Der Lufthansa-Pressestelle wäre übrigens gut beraten, beim Umgang mit diesem Problem einen offenen, ehrlichen Umgang zu pflegen, auch gegenüber kritischen und investigativen Journalisten.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass es traurig ist, dass der öffentliche Diskurs über dieses ernste und offenbar über Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte totgeschwiegene und verschleppte Problem erst so spät in Gang kommt. Und auch das erst nach einem Beinahe-Absturz und massiven öffentlichen Druck! Doch noch ist es nicht zu spät. Und wie sagt der Volksmund so treffend? "Besser spät als nie."

(red ON, CvD / Foto: Passagierkabine eines Verkehrsflugzeuges, Symbolbild, Austrian Wings Media Crew)

Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.