Österreich

Das große Austrian Wings Interview: Christian Stella, Leiter der Flugpolizei

Mit Februar dieses Jahres übernahm der erfahrene Polizist Christian Stella (CS) die Leitung der Flugpolizei. Mit Austrian Wings (AW) sprach er über seinen Werdegang und seine Pläne.

Nach 42 Jahren im Dienst der Exekutive trat Werner Senn, studierter Jurist und Einsatzpilot, im Herbst des vergangenen Jahres einen Ruhestand an. In einem intensiven Auswahlverfahren, in dem mehrere Bewerber auf ihre Eignung geprüft wurden, qualifizierte sich der bisherige stellvertretende Landespolizeidirektor des Burgenlandes, Hofrat Dr. Christian Stella, als neuer Leiter der Flugpolizei des BMI.

AW: Herr Dr. Stella, wann und weshalb sind Sie überhaupt zur Exekutive gegangen?

CS: Ich hatte immer schon eine besondere Affinität zur Polizei, was vermutlich auch mit meinem Großvater und meiner Großmutter väterlicherseits in Zusammenhang steht. Beide waren bei der Gendarmerie beziehungsweise der Polizei. Daher entschied ich mich bereits wenige Monate nach meiner Matura für den Polizeiberuf.

AW: Heute sind Sie 54, haben Sie Ihre damalige Entscheidung je bereut?

CS: Nein, keine Minute. Polizist zu sein, ist eine verantwortungsvolle, herausfordernde, mitunter auch gefährliche, aber sehr wichtige und befriedigende Tätigkeit.

AW: Können Sie Ihren Werdegang in kurzen Worten beschreiben?

CS: Ich begann die Ausbildung 1984 und sammelte anschließend bis 1990 erste Erfahrungen als uniformierter Polizist in Wien-Margareten. Nach meiner Ausbildung zum dienstführenden und in weiterer Folge zum leitenden Exekutivbeamten war ich von 1995 bis 2001 als Gruppenoffizier in der Verkehrsabteilung in Wien tätig. Anschließend war ich bis zum Jahr 2003 Kompaniekommandant bei der damaligen Alarmabteilung, im Volksmund auch als WEGA bekannt. Danach stieg ich zum Adjutanten des Generalinspektors der Sicherheitswache auf und war in dieser Funktion zuständig für den Bereich Öffentlichkeitsarbeit, den internen Dienstbetrieb und die Polizeimusik. Von 2009 bis 2011 arbeitete ich im Kabinett der damaligen Innenministerinnen Maria Fekter und Johanna Mikl-Leitner. Ab 2012 war ich stellvertretender Landespolizeidirektor im Burgenland.

AW: Hatten Sie dabei überhaupt Berührungspunkte mit der Flugpolizei?

Bewährt: Bell 206 Jet Ranger der Flugpolizei: Das Innenministerium betreibt noch eine Maschine dieses Typs, auf der die Grundschulung neuer Piloten stattfindet - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew

CS: Durchaus! Als ich 1995 zur Verkehrsabteilung Wien als Gruppenoffizier wechselte, wurde ich auch zum verkehrspolizeilichen Flugbeobachter und Luftspürer (Strahlenspürer, Anm. d. Red.) ausgebildet. Dies blieb ich bis zum Jahr 2005. Leider war es mir dann aufgrund meiner Tätigkeit zeitlich nicht mehr möglich weiterhin als Flugbeobachter zu agieren. Allerdings hatte ich, wie man so schön sagt, Feuer gefangen. Meine Liebe zur Fliegerei im Allgemeinen und zur Flugpolizei im Besonderen war geweckt.

AW: Haben Sie daran gedacht, schon früher zur Flugpolizei zu wechseln?

CS: Ja, ich bewarb mich bereits 2005 für den Posten des Leiters der Flugpolizei, für den sich seinerzeit allerdings Herr Mag. Werner Senn qualifizierte.

AW: Kannten oder kennen Sie Werner Senn?

CS: Ja, wir kennen uns und ich habe bis heute zu ihm ein sehr gutes und freundschaftliches Verhältnis.

AW: Wie kam es eigentlich, dass Sie sich nun erneut für den Posten bewarben? Als stellvertretender Landespolizeidirektor für das Burgenland hatten Sie doch bereits eine beachtliche Karriere hingelegt?

CS: Das schon, aber meine Affinität zur Flugpolizei und die Liebe zur Fliegerei hatte ich ja nicht verloren. Deshalb habe ich mich entschieden, mich noch einmal zu bewerben. Denn in meiner vorigen Funktion fungierte ich bereits als Personal-, Logistik- und Budgetverantwortlicher. Dies sind alles wichtige Kenntnisse, um auch bei der Flugpolizei die Funktion des Accountable Manangers zu bekleiden.

AW: Wo würden Sie die Abteilung Flugpolizei innerhalb des Exekutivapparates verorten?

CS: Die Flugpolizei kann als Supportabteilung angesehen werden. Dies bedeutet, dass wir immer mit anderen Organisationseinheiten kooperieren und dabei das Flugmittel Hubschrauber oder Drohne zum Einsatz bringen.

AW: Sie meinen Spezialeinheiten wie die Cobra oder auch Verbände des Bundesheeres?

CS: Ja, genau. Mein Ziel ist es, dies Kooperation noch zu verstärken und auszubauen und auch das Zusammenspiel zu optimieren. Daher wird in Zukunft der Fokus vor allem auch auf Trainings und Übungen gelegt. Gerade das ist durch die weltweite Pandemie aus Sicherheitsgründen seit circa einem Jahr fast komplett hintangestellt worden und wird daher 2021 zu einem Schwerpunkt werden. Denn nur dann, wenn die Zusammenarbeit im Training gut funktioniert, dann funktioniert sie auch im realen Einsatzbetrieb. Und dieses perfekte Funktionieren kann im Ernstfall über Menschenleben entscheiden.

Cobra-Beamter in einem Helikopter der Flugpolizei - Foto: Robert Erenstein / Austrian Wings Media Crew

AW: Worauf richten Sie Ihr Augenmerk noch?

CS: Es ist mir ein Anliegen, die Rahmenbedingungen weiter zu verbessern.

AW: Können Sie das bitte präzisieren?

CS: Gerne. So wurde die Verlegung der Zentrale der Flugpolizei von Wien nach Wiener Neustadt (NÖ) noch unter meinem Vorgänger Werner Senn in die Wege geleitet. Dieses Projekt nimmt nun Fahrt auf, noch heuer soll mit dem Bau des neuen Hauptquartiers am Flugplatz Wiener Neustadt West, auf dem Gelände des Einsatzkommandos Cobra begonnen werden.

Die FEST Meidling - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew

AW: Weshalb zieht man überhaupt von Wien nach Niederösterreich?

CS: Das hat mehrere Gründe. Die Kaserne Meidling, in der wir heute unsere Zentrale samt eigenem Technikbetrieb haben, stammt noch aus der Monarchie und liegt mittlerweile im dicht verbauten Stadtgebiet. Das bedeutet, dass die Bewohner in der Umgebung natürlich unter einer gewissen Lärmbelastung der an- und abfliegenden Hubschrauber zu leiden haben, wobei wir hier um Verständnis ersuchen, denn wir fliegen ja nicht zum Spaß, sondern für die Sicherheit der Menschen in Österreich. Ein anderer Faktor ist allerdings der flugbetriebliche Sicherheitsfaktor. Dadurch, dass wir an diesem Standort mittlerweile von Wohnhäusern, Industrieanlagen, Straßen und Bahngleisen umgeben sind, gibt es keine geeigneten Notlandeflächen. Zum Glück kommen Notlandungen dank der hohen technischen Zuverlässigkeit, die unsere Wartungsmitarbeiter sicherstellen, nur sehr selten vor, aber ganz ausschließen kann man sie dennoch nicht. In Wiener Neustadt werden wir uns auf einem Flugplatz mit jeder Menge freien Flächen befinden, was ein deutlicher Zugewinn an Sicherheit ist. Und Sicherheit steht in der Luftfahrt immer an oberster Stelle. Der letzte Grund ist ein rein praktischer. Wenn wir derzeit Mitglieder der Cobra zu einem Einsatzort fliegen, müssen die Kollegen entweder mit bodengebundenen Fahrzeugen zuerst in die Meidlinger Kaserne kommen oder wir müssen sie unterwegs an einem Zwischenlandeort aufnehmen. In Wiener Neustadt wären wir an einem Standort vereint, was im Ernstfall ein bedeutender Zeitvorteil wäre.

AW: Das klingt nach einem gut durchdachten Konzept. Wann wird es umgesetzt werden?

H135 P3 der Flugpolizei im Löscheinsatz, Symbolbild - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew

CS: Der Spatenstich soll, wie gesagt, noch heuer erfolgen. Wir hoffen, dass die Flugeinsatzstelle (FEST, Anm. d. Red.) bereits 2022 übersiedeln kann. Unser hauseigener Technikbetrieb soll spätestens 2023 am neuen Standort den Betrieb aufnehmen.

AW: Sie haben aber auch Pläne für bestehende Standorte, soweit wir erfahren haben.

CS: Das ist korrekt. Es ist konkret geplant, die Flugeinsatzstellen (FEST, Anm. d. Red.) in Klagenfurt und Innsbruck zu modernisieren.

AW: Neben klassischen Hubschraubereinsätzen gewinnt das System Drohne auch im Polizeiweisen immer mehr an Bedeutung. Wie soll diesem Umstand seitens der Flugpolizei Rechnung getragen werden?

CS: Sie sprechen hier einen bedeutsamen Punkt an. Ein wesentlicher Bereich wird für mich nämlich genau dieses Thema sein. Hier soll das Portfolio für den Drohneneinsatz erweitert werden. Wir werden dazu auch entsprechend leistungsstarke Drohnen ankaufen. Diesbezüglich plane ich in der Abteilung II/7 (die amtliche Bezeichnung der Flugpolizei, Anm. d. Red.) ein Drohnenreferat einzurichten, welches auch als Single Point of Contact für ganz Österreich dienen wird.

AW: Piloten, Flight Operatoren und Flugbegleiter haben einen ausgesprochen verantwortungsvollen und mitunter auch stressigen Job. Da ist ein gutes Arbeitsklima wichtig. Wie würden Sie die aktuelle Situation beschreiben?

CS: Wir haben ein gutes Klima, aber mein grundsätzlicher Ansatz ist, dass es immer irgendeine Möglichkeit der Verbesserung gibt, zumal wir in einem dynamischen Umfeld leben und arbeiten.

AW: Haben Sie konkrete Ansatzpunkte?

CS: Ja. Mir ist es vor allem wichtig, in der Abteilung ein homogenes Arbeitsklima zu schaffen. Die Basis soll stärker in Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Damit soll eine Steigerung und Verbesserung des Arbeitsklimas geschaffen werden. Wichtig ist dabei, dass Entscheidungen transparent getroffen werden.

Pilot im Cockpit eines H135 (vormals EC 135) der Flugpolizei - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew

AW: Die Flotte der Flugpolizei ist ausgesprochen modern und wurde erst 2019 durch vier neue H135 modernisiert. Wie sieht es mit der übrigen Ausrüstung aus?

CS: Wir nutzen ja auf einigen Maschinen FLIR (ein Infrarotsichtsystem für Einsätze bei Dunkelheit, Anm. d. Red.) und wir werden technisch weiter aufrüsten. In den kommenden drei Jahren ist geplant, fünf bis sechs neue FLIR-Systeme anzukaufen.

AW: Aus gut unterrichteten Kreisen ist zu hören, dass sich die österreichische Flugpolizei verstärkt an Frontex-Einsätzen zum Schutz der europäischen Grenzen beteiligen soll. Können Sie hierzu etwas sagen?

CS: Da sind Sie richtig informiert. Ab 2023 ist geplant, dass wir uns außerdem an maritimen Einsätzen der Grenzschutzagentur Frontex beteiligen. Diese Vorlaufzeit benötigen wir aber auch, denn neben der speziellen Schulung des Personals müssen auch die Helikopter technisch für einen Einsatz über Wasser aufgerüstet werden.

AW: Wir danken für das Gespräch.

CS: Sehr gerne, bleiben Sie gesund!

Zur Person
Hofrat PhDr. Christian STELLA, BA MA, geboren 1966 in Wien. Eintritt in den Polizeidienst 1984. Unter anderem tätig bei der WEGA sowie als Ausbilder neuer Polizisten. 2017-2018 Doktoratsstudium an der Danubius University Faculty of Public Policy and Public Administration, Dissertation zum Thema: "Shift- and nightwork in the Austrian Civil Service: studies on employment-law and health aspects of work", 2010-2012 Masterstudiengang "Strategisches Sicherheitsmanagement" an der FH Wr. Neustadt. Zuletzt (seit 2012) stellvertretender Landespolizeidirektor des Burgenlandes.       

(red)